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Bedrohter Diskurs

Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 120, März. 2024 Der gesamte Rundbrief Nr. 120 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 497 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren )

Seit dem russischen Angriff dauert der Krieg in der Ukraine nun über zwei Jahre an. Das bedeutet hunderttausende Tote und Verwundete, unsägliches menschliches Leid auch für ihre Angehörigen, Verwüstung des Landes und Zerstörung der Lebensgrundlagen mit allen sozialen, wirtschaftlichen aber auch psychischen Folgen für die Betroffenen, und zwar auf beiden Seiten. Angeblich alternativlose Aufrüstung in Europa, Rekordgewinne der Rüstungsindustrie.

In Deutschland ist die Debatte über den Ukrainekrieg geprägt von Kriegsbefürwortung und -propaganda, vermehrten Waffenlieferungen, Feindbilddenken, Furcht vor "den Russen" und dem wiederauferstandenen deutschen Schwertglauben. Ein offener Diskurs, der die unterschiedlichen Auffassungen und gegensätzlichen Argumente gleichberechtigt nebeneinander zur Sprache bringt, findet dagegen nicht statt. Standpunkte, die dem Mainstream widersprechen und der Haltung großer Bevölkerungskreise eine Stimme geben, kommen in den großen Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen nur selten vor. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht Menschen mit abweichenden Positionen zuhauf gibt. In der Friedensbewegung wissen wir das natürlich.

Hermann Theisen und Helmut Donat haben nun das Buch "Bedrohter Diskurs. Deutsche Stimmen zum Ukrainekrieg" herausgegeben, in dem Beiträge von insgesamt 57 Autorinnen und Autoren versammelt sind. Darunter befinden sich zum Beispiel Peter Brandt, Eugen Drewermann, Margot Käßmann, Gabriele Krone-Schmalz, Heribert Prantl, Michael von der Schulenburg, Günter Verheugen, Sahra Wagenknecht, Wolfram Wette, Andreas Zumach, u.a.m. Die Autorinnen und Autoren blicken zum Teil in sehr persönlicher Weise auf den Krieg in der Ukraine. Die daraus entstandenen Perspektiven wurden aus persönlichen, biographischen und beruflichen Hintergründen hergeleitet. Einig sind sich dabei fast alle darin, dass die Waffen umgehend zum Schweigen gebracht und der Krieg durch Verhandlungen beendet werden soll. Eine Ausnahme bildet der SPD-Politiker Markus Meckel, in der kurzen Übergangsphase von April bis August 1990 Minister für Auswärtige Angelegenheiten der DDR. Er spricht sich gegen Forderungen nach Verhandlungen von außen aus, befürwortet weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, eine starke Aufrüstung der NATO und die Aufnahme der Ukraine nach dem Krieg in das nordatlantische Militärbündnis. Zudem stellt er fest: "Für absehbare Zeit ist Sicherheit in Europa als Sicherheit vor Russland zu konzipieren."

Eine solche Denkweise teilen die anderen Autorinnen und Autoren dieses Buches nicht. So befürchtet etwa Wolfram Wette für die Zeit nach Ende des Ukrainekriegs entweder einen neuen Kalten Krieg mit einem "neuen Eisernen Vorhang, der Europa von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer teilt" sowie von Militär, Aufrüstung und Feinddenken beherrschter Politik und Volkswirtschaften, die "eine stete Kriegsgefahr" produzieren. Er hofft allerdings auf eine positive Alternative, die an die Friedens- und Entspannungspolitik seit den 1970er Jahren und deren Erkenntnis anknüpft, dass Sicherheit nicht durch ein militärisches Gegeneinander zu erreichen ist, sondern nur in einem Miteinander, das auch Russland einschließen müsse. Entsprechend könnten die Ideen der "Gemeinsamen Sicherheit" und des "Gemeinsamen Hauses Europa" die politische Orientierung für eine künftige gesamteuropäische Entwicklung vorgeben.

Insgesamt machen fast alle Autorinnen und Autoren Positionen sichtbar, die bislang in einem öffentlichen Diskurs nicht genügend beachtet oder ganz unterdrückt wurden. Es werden eine Vielzahl von Vorschlägen zu einem Weg heraus aus dem Ukrainekrieg und aus anderen kriegerischen Auseinandersetzungen gemacht. Bestenfalls sollen solche Kriege in Zukunft unmöglich gemacht und Konflikte mit zivilen Mitteln bearbeitet werden.

"Das Buch kommt zum richtigen Zeitpunkt und ist äußerst lesenswert! Das politische Ziel ‚Nie wieder Krieg!’ darf nicht untergehen!", urteilt das Schweizer Online-Magazin GlobalBridge. Dem kann ich nur zustimmen.

Hermann Theisen / Helmut Donat (Hg.): Bedrohter Diskurs - Deutsche Stimmen zum Ukrainekrieg. Bremen: Donat Verlag 2024. ISBN: 978-3-949116-21-6; 368 Seiten; 24,80 EUR.

Beiträge aus dem Buch auf der Lebenshaus-Website:

Fußnoten

Veröffentlicht am

28. Februar 2024

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