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Claudia Haydt: Neun Schritte in Richtung Frieden

Rede von Claudia Haydt beim Internationalen Bodensee-Friedensweg am 17.04.2017 in Friedrichshafen

Von Claudia Haydt

Eine gute Nachricht gab es in den letzten Tagen: In Deutschland sind immer weniger junge Menschen davon überzeugt, dass die Erlernung des Kriegshandwerks eine gute Karriereentscheidung ist. Vor wenigen Tagen beklagte deswegen Ursula von der Leyen, ein "gigantisches Personalproblem" der Bundeswehr - und das ist auch gut so.

Ein wichtiger erster Schritt zur zivilen Bearbeitung von Konflikten ist, dass diejenigen die die Waffen tragen sollen, Alternativen erkennen und ergreifen können. Dazu gehören Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Dazu gehört, dass in jedem Flüchtlingslager ganz selbstverständlich neben der Versorgung mit Nahrung und Gesundheit auch ausreichend Bildungsangebote vorhanden sein müssen. Es ist eine Schande, dass dafür immer wieder das Geld fehlt, während eine neue Aufrüstungswelle nach der anderen geplant ist: Investiert in Bildung nicht in Waffen!

In jedem Krieg gibt es zum Glück Menschen die nicht kämpfen, die nicht töten wollen. Diese Deserteure sind die wahren Helden. Wenn all diejenigen, die dem Krieg den Rücken zukehren, wissen dass es Orte gibt, wo sie Zuflucht finden, dann kann ihr Beispiel schnell Schule machen. Desertion muss ein Asylgrund sein.

Konflikte wird es immer geben und Interessenskollisionen wird es immer geben. Das stimmt. Aber das bedeutet nicht, dass es immer Kriege und Bürgerkriege geben muss. Ein wesentlicher Schritt weg von der Barbarei des Krieges ist die Stärkung des Rechtes, der Schutz von Menschenrechten und die Stärkung des internationalen Rechtes, des so genanntes Völkerrechtes.

An dieser Stelle ist es notwendig, dass die reichen und mächtigen Staaten des Nordens mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn die Mächtigen sichtbar über dem Gesetz stehen, dann zerstören sie dessen Glaubwürdigkeit.

Ich möchte konkret werden: Der Einsatz von Chemiewaffen verstößt gegen Völkerrecht. Es verstößt aber auch gegen das Völkerrecht, wenn aus dem blauen Himmel heraus, Killerdrohnen auf nicht erklärten Schlachtfeldern Menschen ermorden. Es ist rechtswidrig, wenn mit der "Mutter aller Bomben" in einem Radius von einer Meile alles zerstört und alle getötet werden. All dies muss aufhören.

Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, egal woher sie kommen.
Ich denke dabei gar nicht in aller erster Linie an Verurteilungen vor dem internationalen Strafgerichtshof. Ich denke an eine ehrliche Aufarbeitung von Verbrechen. Die Wahrheits- und Versöhnungskommissionen in Südafrika sind ein guter Ansatz.

Es gibt übrigens viele positive Aussöhnungs-Prozesse von denen wir lernen können. Nordirland, Kolumbien, der Atomstreit mit dem Iran - um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Auch hier, in der Deutschland, in der NATO in der EU ist eine Aufarbeitung der eigenen Verantwortung dringend nötig. Die kritische Ärzteorganisation IPPNW berechnete, dass allein die ersten zehn Jahre des so genannten Krieges gegen den Terror etwa 1,5 Millionen Menschen das Leben gekostet haben - in Afghanistan, in Pakistan und im Irak.
Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Wenn wir nicht zur Kenntnis nehmen, wie barbarisch die westliche Kriegspolitik ist, dann werden die gleichen Fehler immer weiter fortgesetzt. Terror ist barbarisch, doch der Westen schafft mit seiner Interventionspolitik immer neue Rekrutierungshilfen für Terrororganisationen. Die westliche Interventionspolitik wird durch viele der Betroffenen als Terror wahrgenommen. Deswegen dürfen wir auch nicht schweigen, nicht zu den Massakern an überwiegend sunnitischer Bevölkerung in Mossul und nicht zum drohenden Hungertod von Millionen im Jemen. Krieg ist keine Lösung. Krieg ist Teil des Problems!

Diplomatie ist kein Wundermittel und es gibt keine magische Formel die von heute auf morgen überall Frieden bringt aber es gibt Schritte zur Deeskalation und zur Vertrauensbildung die aus der gewaltsamen Konfrontation herausführen. Ich möchte hier beispielhaft neun Schritte nennen:

  1. Immer die Interessen der jeweils anderen Seite mit denken. Das kann uns aus der Konfrontation mit Russland herausführen, das kann auch die Konfrontation mit Nordkorea entspannen. Sicherheit lässt sich nicht gegen andere aber durchaus mit anderen erzielen. Das gilt überall auf der Welt und es ist Aufgabe der reichen und mächtigen Staaten, hier mit gutem Beispiel voran zu gehen. Friedensverhandlungen führt man in der Regel nicht mit Freunden, sondern manchmal auch mit sehr unappetitlichen Gestalten. Sie sind dennoch beziehungsweise genau deswegen nötig. Tausend Tage Verhandlungen sind dabei immer besser als eine Stunde Bombardieren.
  2. Aufrüstung - egal wo - ist das denkbar falsche Signal. Es trägt auch nicht zum Frieden bei, in einem Bürgerkrieg eine, wie auch immer "gute", Seite aufzurüsten und auszubilden. Wir sehen immer wieder, dass schlussendlich auch die Waffen in den angeblich "richtigen" Händen töten und den Bürgerkrieg verlängern.
  3. Nötig ist stattdessen alles zu tun, um zivile Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen, um ökonomische Alternativen zu Kriegsökonomie zu eröffnen. Konkret: schrankenloser Freihandel trägt mit zur Eskalation bei. Er spült den Kriegsherren das Geld in die Hände, wenn sie die Rohstoffquellen kontrollieren und diese auf den Weltmärkten verschachern. Egal ob es um Tropenholz, Diamanten, Gold oder wertvolle Erze geht, es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass solche blutigen Rohstoffe nicht mehr hier gehandelt werden können.
  4. Es hilft leider auch wenig, wenn mit viel Entwicklungshilfegeldern, Kleinlandwirte gefördert und Handwerksbetriebe aufgebaut werden - z.B. in Afghanistan - und dann durch internationale Berater die Gesetze im Land so geändert werden, dass Billigprodukte aus Europa und China diesen Kleingewerbetreibenden durch ihre Konkurrenz den Garaus machen. Wenn nachholende Entwicklung nicht möglich ist, dann ist die Spirale aus Armut und Krieg schwer zu durchbrechen. Wir brauchen fairen Handel.
  5. Unfair ist es auch, wenn die reichen Staaten den fruchtbaren Grund und Boden in amen Regionen zu Schleuderpreisen aufkaufen. So haben die Länder des Südens keine Chance, die Lebensmittel zu produzieren, die zum Überleben nötig sind und der Konflikt um das verbleibende Land und die schwindenden Wasservorräte führt zu noch mehr Bürgerkriegen zwischen schwachen und schwächeren Gruppen. Dieser Landraub muss beendet werden. Lebensmittel dürfen nicht mehr an den internationalen Börsen gehandelt werden. Spekulation mit überlebensnotwendigen Gütern ist obszön - Genauso wie der gigantische Reichtum einiger Weniger.
  6. Wir dürfen nie vergessen, die Grundlage für den Reichtum des Nordens legte der Kolonialismus. Und noch heute fließen trotz aller Entwicklungshilfe wesentlich mehr Gelder aus dem Süden in den Norden als umgekehrt. Ein großzügiger Schuldenschnitt und faire Preise für fair gehandelte Rohstoffe ist nötig. Das ist Armutsbekämpfung, das ist Antikriegspolitik aber vor allem ist es ein Stück Gerechtigkeit.
  7. Auch eine andere Umweltpolitik trägt zur Bearbeitung von Konflikten bei. Der Klimawandel trifft die ärmsten Regionen am stärksten, durch Überschwemmungen in den einen Regionen und durch zunehmende Dürreperioden in den anderen Regionen. Dass Trump den Klimawandel leugnet, das gibt uns hier noch lange nicht das Recht, immer mehr spritfressende Autos zu kaufen und am Klimakiller Kohle festzuhalten. Respekt vor der Natur, ist Respekt vor dem Menschen und ebenfalls ein Stück Friedenspolitik. Auch hier gilt: wir können und wir müssen mit gutem Beispiel voran gehen.
  8. Es gibt keinen Grund zu westlicher Arroganz gegenüber dem "Rest der Welt". Es gibt kein Grund zur Annahme, dass wir zivilisierter oder fortschrittlicher sind und es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Menschenleben unterschiedlich viel wert sind. Doch genau diese Arroganz verführt zu der Annahme, dass kriegerische Interventionen Lösungen bringen. Niemand würde ernsthaft vorschlagen, dass wir die Börsen dieser Welt bombardieren sollten, auch wenn sie durch ihre Spekulationspolitik für tausendfachen Hungertod oder für das Sterben an behandelbaren Krankheiten mit verantwortlich sind. Damit kein Missverständnis aufkommt: ich schlage das auch nicht vor. Wir schlagen es nicht vor, weil wir wissen, dass sich hier Strukturen, dass sich hier Politik verändern muss. Das gleiche gilt wohl überall auf der Welt. Jeder Tote ist ein Toter zu viel.
  9. Jeder Krieg braucht Feindbilder, nicht selten kombiniert mit rassistischen Vorurteilen. Doch die Gegner sind nicht die Angehörigen fremder Kulturen, die Gegner sind die Profiteure der Kriege, die Ausbeuter und Unterdrücker dieser Welt. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, nicht nach Hautfarbe, nicht nach Sprache oder Religion. Was banal klingt, ist heute wichtiger denn je: jedes Menschenleben ist gleich viel wert.

Wie schon gesagt: Das Musterrezept für den Frieden gibt es nicht. Aber es gibt Wege raus aus der Spirale der Gewalt. Die sind Stärkung des Rechtes, Abrüstung, Stopp von Rüstungsexporten und militärischen Auslandseinsätzen, Unterstützung von Deserteuren, gerechter Welthandel, eine bessere Klimapolitik. Aber vor allem lasst uns aufhören uns gegenseitig als Feinde zu sehen. Lasst uns aufhören, Kriege vorzubereiten.

"Die Waffen nieder!" ist heute dringlicher denn je.

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Standpunkt 2017/011.

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Veröffentlicht am

18. April 2017

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