Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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“Ich kenne keine Lebenszeit mit Frieden”

Etwa 100 Menschen nahmen am 22. Februar 2017 anlässlich der dritten Sammelabschiebung nach Afghanistan an einer Protestkundgebung in Gammertingen teil. Bei der von "Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V." organisierten Veranstaltung protestierten sie gegen eine unmenschliche Politik, mit der Schutzsuchende in ein Land abgeschoben werden, in dem Krieg, Terror und Chaos herrschen und brachten ihre Solidarität mit den von Zwangsrückführungen Betroffenen zum Ausdruck.

Bei der Protestkundgebung hielt der aus Afghanistan geflüchtete Ahmad eine Rede, die wir nachfolgend dokumentieren.

"Ich kenne keine Lebenszeit mit Frieden"

Von Ahmad

Ich heiße Ahmad und bin aus Afghanistan geflüchtet. Seit einem Jahr lebe ich in Deutschland.

Der erste Name meines Landes war Chorasan und ist eine historische Region in Zentralasien zwischen Nordost-Iran und Nordwest-Afghanistan im Gebiet der heutigen Staaten Afghanistan, Iran, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan.

Seit fast 40 Jahren gibt es in meiner Heimat Krieg. Das heißt, ich kenne keine Lebenszeit mit Frieden, weil ich 25 Jahre alt bin.

Ich gehöre der Volksgruppe Hazara an, die von den in Afghanistan lebenden Ethnien für besonders tolerant, gebildet und weltoffen gehalten wird. Wir sprechen die Sprache Dari und sind in der heutigen Regierung anteilig vertreten.

Ich habe an einer Universität zwei Jahre lang studiert und bei einer deutschen Firma gearbeitet, die sich für Demokratisierung und Wiederaufbau der öffentlichen Strukturen einsetzt.

Von den anderen Volksgruppen werden die Hazara seit vielen Jahren verachtet und als Ungläubige angesehen, weil wir toleranter dem Westen gegenüber sind. Hazara wird automatisch unterstellt, dass sie mit der Regierung arbeiten, und deshalb werden wir von den radikalen Gruppen überall verfolgt. Die Taliban wollen uns alle töten.

Besonders die Taliban, die sich aus der Ethnie der Pashtunen zusammensetzen, überfallen ganze Dörfer und terrorisieren Familien. Damit können sie sich nicht mehr frei bewegen. Frauen werden massenweise aus Dörfern verschleppt, um von den Kämpfern der Taliban missbraucht zu werden. Danach werden sie verbrannt oder erhängt. Männer, die darische Dörfer der Hazara verlassen, werden auf dem Weg getötet und ihre Leichen werden vor den Dörfern mit Folterbotschaften abgelegt.

Diese Situation ist sehr bedrückend und bedeutet, dass wir als Hazara nirgendwo in Afghanistan leben können. Auch im benachbarten Iran und in Pakistan werden wir nicht mehr geduldet, sondern ausgewiesen zurück nach Afghanistan.

Als neue Terrorgruppe gibt es in Afghanistan auch den Islamischen Staat (IS), der sich aus Personen aller Ethnien auch aus den Nachbarstaaten zusammensetzt. Dadurch kommt noch mehr Misstrauen in unser Land, weil wir niemandem mehr trauen können.

Der IS und die Taliban haben folgendes gemeinsam: sie wollen, dass wir alle in Afghanistan einen strengen Islam leben und uns nicht weiterbilden. Die Frauen sollen nicht zur Schule gehen und es darf keine Kooperation mit dem Westen geben. Wir sollen glauben, alle anderen Menschen sind Ungläubige, nur der Islamische Staat hat Recht.

Daraus leiten sie ab, alle anderen zu töten, die nicht zum IS gehören wollen. Sie erpressen uns und entführen die Söhne und Männer der Familie, damit sie für den IS arbeiten. Wenn wir das nicht tun, werden wir getötet. Manche können gerade noch fliehen. Deswegen sind einige von uns nach Europa gekommen. Täglich haben wir große Angst um unsere Familien.

Wenn ich zurück müsste nach Afghanistan, muss ich mit meinem sicheren Tod rechnen. Da meine Identität den Taliban im ganzen Land bekannt ist, werden sie mich, wie sie es angekündigt haben, töten.

Deshalb bitte ich alle Deutschen, mir und allen Afghanis eine neue Heimat und Sicherheit zu geben.


Weblinks zu Protesten gegen Abschiebungen nach Afghanistan am 22.02.2107:

Weitere Aktionen und Informationen:

Veröffentlicht am

23. Februar 2017

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