Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Den Wahnsinn verlassen, auf Gewaltfreiheit setzen

Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 126, Sept. 2025 Der gesamte Rundbrief Nr. 126 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 700 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren )

Liebe Freundinnen und Freunde!

Damit wir, wie geplant, im Herbst nach Plochingen am Neckar umziehen können, sind wir derzeit stark durch die grundlegende Renovierung unserer künftigen Wohnung beansprucht, in welcher dann auch die Geschäftsstelle unseres Vereins untergebracht sein wird. Im Kleinen wie im Großen sind sehr viele Entscheidungen zu treffen und wir legen selber kräftig Hand mit an. In den vergangenen Wochen waren wir mit dem Verputzen einer Vielzahl von Elektroschlitzen und allerlei Löchern in Anspruch genommen. Drei bis vier Tage pro Woche tauchen wir in eine völlig andere Welt als unsere sonst gewohnte ein. Naturgemäß fehlte mir deshalb die Zeit, mich so detailliert mit Meldungen und Berichten zu Kriegen, Aufrüstung und anderer Gewalt zu befassen, wie ich das sonst mache. Es entsteht ein gewisser Abstand zu einer Politik, die ich mehr und mehr als absurden Albtraum wahrnehme. Eine Art Theater mit immer neuen Horror-Szenarien, mit denen unsere Zustimmung zu Verschlimmbesserungen erzwungen wird - wahnsinnige Aufrüstung, Unterstützung des Kriegs in der Ukraine mit Waffenlieferungen und der Auslöschung des Lebens der Zivilbevölkerung im Gazastreifen durch Israel, Grenzkontrollen, Abschiebungen ins Taliban-Land Afghanistan, …

Vielleicht wird mir mit ein klein wenig mehr Distanz wieder verschärft bewusst, wie verrückt Kriege und deren Vorbereitung sind. Dabei scheint das völlige Normalität zu sein. Doch auf diese "Normalität" trifft vollkommen zu, was die australische Journalistin Caitlin Johnstone feststellt: "Krieg ist das Schlimmste, was es auf der Welt gibt. Es ist das verrückteste Verhalten, das Menschen an den Tag legen können. Das zerstörerischste. Das traumatischste. Das am wenigsten nachhaltige. Das für das Gedeihen der Menschheit am wenigsten förderliche." ( ZE!TPUNKT, 21.06.25 )

All das, was wir Menschen am meisten fürchten, wird in einem vom Krieg verwüsteten Land zur Normalität. Tod, Schmerz, Leid, Vergewaltigung, Chaos, Unsicherheit. Der Verlust geliebter Menschen und der Verlust des Zuhauses. Und würden Atomwaffen eingesetzt, wären unsere Überlebenschancen ohnehin gering. Die Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki zeigen, was uns dann blüht: Verbrennen, Verdampfen, Verkohlen, Verstrahlen. Die Überlebenden würden die Toten beneiden, weil es für sie keine sinnvolle Hilfe und keine sicheren Zufluchtsstätten mehr gäbe.

"Krieg schafft einen Alptraum, den jeder vernünftige Mensch vermeiden möchte. Und doch werden wir von Menschen regiert, die ihn aktiv suchen. Die lügen und manipulieren, um Kriege zu führen. Die jeden diffamieren und verleumden, der sich im Namen des Friedens widersetzt. Die aktiv gegen jeden gesunden Impuls in ihrer Gesellschaft kämpfen, um ihre Kriegsagenda voranzutreiben." (Caitlin Johnstone)

Belogen und manipuliert

Wir werden belogen und manipuliert. Und es wird uns Angst gemacht, damit wir dem ständigen Drehen der Rüstungsspirale nach oben, der Aktivierung der Wehrpflicht und den Bemühungen um "Kriegstüchtigkeit" zustimmen sollen. Dafür werden wir, medial kräftig flankiert, ständig mit schrillen Warnungen und der Drohkulisse konfrontiert, bis spätestens 2029 sei mit einem Angriff Russlands auf die NATO oder gar Deutschlands zu rechnen. Einen solchen drohenden Angriff müssten wir "abschrecken" und uns "verteidigen" können. Einer der sich an der Kriegstüchtigkeitspropaganda maßgeblich beteiligt, ist der Militärhistoriker Sönke Neitzel, der im Frühjahr 2025 im deutschen Fernsehen mitteilte: "Vielleicht ist das der letzte Sommer in Frieden." Der Hardliner der Russlandpolitik äußerte dies nicht als Warnung vor einer Katastrophe, die es abzuwenden gilt, sondern als militaristisches Argument zugunsten einer beschleunigten deutschen Aufrüstung, insbesondere der Vorbereitung auf einen Krieg mit Russland. Viele Medien übernehmen derartige Drohkulissen ungeprüft.

Allerdings hat immerhin die Wochenzeitung Die Zeit den aktuellen Kriegsalarmismus kritisch eingeordnet. In einem Beitrag vom 22. Mai 2025 wird in Interviews mit mehreren Militärexpertinnen und Militärexperten deutlich, dass es keine schlüssigen Hinweise auf einen großflächigen Angriff Russlands auf die NATO im oft genannten Jahr 2029 gibt. Die Antworten waren recht dürftig. Selbst Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München und bekannt aus vielen Talk-Shows als Verfechter verstärkter Militarisierungsanstrengungen, wird wie folgt zitiert: "[D]ie Zahl 2029 [wird] von Politikern strategisch genutzt. Sie müssen sagen, dass Russland 2029 einen Krieg führen könnte, um die Menschen auf höhere Verteidigungsmaßnahmen einzustimmen." Und Sönke Neitzel kann seine Behauptung "der letzte friedliche Sommer in Europa" auch nur vage als Erkenntnis seiner Gespräche in Finnland, Estland und Lettland gründen, kann aber "nicht sagen, mit wem er dort gesprochen hat."

Inzwischen wurde nicht nur in Deutschland eine astronomische Hochrüstungsoffensive eingeleitet. Die NATO-Mitgliedsländer haben Ende Juni formell beschlossen, künftig fünf statt zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für militärische Zwecke auszugeben. Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, das wären in Deutschland dann fast die Hälfte der Mittel des gesamten Bundeshaushalts. Einfach Wahnsinn!

"Sie erzählen uns immer, dass der neue Krieg, den wir führen sollen, der Selbstverteidigung dient, oder der Befreiung eines unterdrückten Volkes von einer tyrannischen Diktatur, oder der Verhinderung von Terrorismus, oder der Verbreitung von Freiheit und Demokratie", schreibt Caitlin Johnstone. "Meistens erzählen sie uns, dass es um all diese Dinge geht. Aber das ist nie der Fall. Sie lügen immer. Immer. Sie treiben Menschen in die schlimmsten Umstände, die sie hier auf Erden erleben können, und das aus keinem anderen Grund als Macht und Profit. Um die hegemoniale Agenda der Imperiumsmanager voranzutreiben und die Kassen der Kriegsprofiteure zu füllen. Das ist alles, worum es jemals geht. Immer, immer, immer."

Zu den Profiteuren zählen zweifelsohne die "Totmach-Industrien", denen gesellschaftliche Vermögen "in den Rachen gespült werden." (Peter Bürger) So hat zum Beispiel der Rüstungskonzern Rheinmetall das erste Halbjahr 2025 mit Rekordwerten bei Umsatz und Ertrag abgeschlossen. Grund für den Erfolg ist die internationale Aufrüstung. "Rheinmetall ist erfolgreich auf seinem Weg, ein globaler Rüstungschampion zu werden", sagte Konzernchef Armin Papperger. "Unsere Auftragsbücher sind voll und werden sich in Zukunft weiter füllen." (Laut dem Finanzbericht legte der Umsatz in den ersten sechs Monaten um 24 Prozent zu - auf insgesamt 4,7 Milliarden Euro.)

Den Wahnsinn verlassen

Caitlin Johnstone: "Die Kriegstreiber sagen, der Krieg müsse aus diesem oder jenem Grund weitergehen, die Politiker unterstützen die Kriegstreiber, die Medien unterstützen die Politiker, und diejenigen, die sagen, es sei Zeit, den Wahnsinn zu beenden, stehen da und sehen aus, als seien sie die Verrückten. Aber sie sind nicht die Verrückten. Diejenigen, die uns in den Krieg treiben, sind verrückt. Das ganze System ist verrückt. Diese ganze Zivilisation. Diejenigen, die sich dem Drängen des Kriegs widersetzen, sind diejenigen, die für Vernunft kämpfen. Sie sind diejenigen, die versuchen, den Wahnsinn zu verlassen und uns in eine gesunde Welt zu führen."

Den Wahnsinn verlassen, heißt das, uns wehrlos zu machen? Nein, zunächst einmal bedeutet das, den gängigen Glauben aufzugeben, dass die Gewalt der Gewaltfreiheit überlegen sei. Dabei könnten auch die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen helfen, wenn diese zur Kenntnis genommen würden. Erica Chenoweth und Maria J. Stephan haben nachgewiesen, dass "historisch gesehen gewaltfreie Widerstandskampagnen ihre Ziele effektiver erreicht haben als gewaltsame Widerstandskampagnen." Eine weitere wissenschaftliche Erkenntnis zugunsten erfolgreicher gewaltfreier Kampagnen lautet: "Dies war sogar unter Bedingungen der Fall, unter denen die meisten Menschen vermuten würden, dass der gewaltlose Widerstand sinnlos ist." Die vielbeachtete Studie der beiden Forscherinnen ist inzwischen auch in deutscher Sprache erschienen. Eine Besprechung ist weiter hinten in diesem Rundbrief zu finden.

Die Forschungsergebnisse von Erica Chenoweth und Maria J. Stephan beruhen also auf zahlreichen historischen Beispielen. Aufgrund solcher gewaltfreien Beispiele haben auch Forscherinnen und Forscher der Friedens- und Konfliktforschung in den vergangenen Jahrzehnten das Konzept der Sozialen Verteidigung entwickelt.

Gewaltfreie Alternative

Soziale Verteidigung ist ein Konzept, wie sich eine Gesellschaft gegen militärische Übergriffe und Putsche verteidigen kann, ohne selbst Gewalt anzuwenden. Es wird also davon ausgegangen, dass Menschen die Lebensweise ihrer Gesellschaft mit gewaltfreien Mitteln gegen einen bewaffneten Angreifer von außen oder innen behaupten können.

"Wenn zum offiziellen Narrativ der ‚Kriegstüchtigkeit’ gehört, militärische Verteidigung auf allen Ebenen - bis hin zum Atomkrieg - vorzubereiten, dann ist Soziale Verteidigung eine Alternative und kann als solche dargestellt werden", stellt Christine Schweitzer meines Erachtens zutreffend fest. "Auch wenn die meisten Menschen sich nur schwer vorstellen können, dass Gewaltfreiheit gegen einen Gegner, der massive Gewalt anzuwenden bereit ist, eine Chance hat. Aber es gibt viele gute Argumente, Soziale Verteidigung nicht nur als eine Utopie anzusehen".

Neben den historischen Beispielen erfolgreicher gewaltfreier Aufstände würde unter anderem die "Vorbereitung von Sozialer Verteidigung - anstelle von der Anhäufung von immer mehr Waffen - […] ein internationales Signal setzen, eine neue, auf gemeinsamer Sicherheit beruhende Friedensordnung aufzubauen", so Christine Schweitzer.

Sie betont aber auch: "Soziale Verteidigung darf nicht isoliert von einer breiteren Friedenspolitik gesehen werden. Sie braucht Zivile Konfliktbearbeitung bzw. muss in sie eingebettet sein. Eine gewaltfreie Verteidigung gegen einen militärischen Angriff von außen kann dem Gegner das Erreichen seiner Ziele schwer machen, aber vermutlich würde es, wie beim Ruhrkampf 1923, internationale Diplomatie brauchen, um einen Abzug der Truppen zu erreichen und zu einer Friedensordnung zurückzukehren."

Abschließend möchte ich die Empfehlung von Caitlin Johnstone an diejenigen zitieren, die sich dem Drängen des Krieges widersetzen: "Wenn Sie zu diesen Menschen gehören, geben Sie nicht nach. Lassen Sie sich nicht von den Kriegstreibern niederbrüllen oder zum Schweigen bringen. Sie haben Recht, und sie haben Unrecht. Lassen Sie Ihre Stimme mit Zuversicht erklingen. Lassen Sie sich durch nichts beirren. Gesegnet sind die Friedensstifter. Lassen Sie sich von niemandem dazu verleiten, an dem zu zweifeln, was Sie für wahr halten."

Mit guten Wünschen und besten Grüßen

Euer / Ihr
Michael Schmid

Hinweis zu Texten zur Sozialen Verteidigung:

Lebenshaus Schwäbische Alb: Bitte um Unterstützung

1993 haben wir unseren Verein gegründet, um damit für eine weltweite friedliche, soziale gerechte und umweltverträgliche Entwicklung einzutreten. Wir sind heute wie zu Beginn unserer Vereinsgeschichte der Überzeugung, dass diese Ziele gefördert werden müssen. Seit 32 Jahren tragen wir unseren Teil dazu bei. Gerne möchten wir unsere Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie so engagiert wie bisher fortsetzen können – wenngleich in teilweise abgewandelter Form. Damit uns das gelingt, bitten wir um Unterstützung unseres Engagements - gerne mit einer Einzelspende oder gar einer regelmäßigen Spende oder einer Fördermitgliedschaft. 

Herzlich bedanken wollen wir uns bei allen, die unsere Arbeit unterstützen!

Mehr zu unseren Aktivitäten findet sich z.B. im

"Über uns"

Über uns: Lebenshaus Schwäbische Alb

Bei “Transparenz TV” aus Berlin: Das Lebenshaus Schwäbische Alb - Video aus der Sendereihe "Friedensfragen mit Clemens Ronnefeldt"

"Kriegsdienstverweigerer. Unsere Geschichten"

Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" und

Möglichkeiten der Unterstützung .

Spendenkonto

Lebenshaus Schwäbische Alb e.V.
Bank:       GLS Bank eG
IBAN:       DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC:         GENODEM1GLS

Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. ist durch das Finanzamt Sigmaringen als gemeinnützig und mildtätig anerkannt (aktueller Bescheid vom 11.09.2024). Spenden und Mitgliedsbeiträge sind daher steuerabzugsfähig. Ab 25 € werden automatisch Spendenbescheinigungen zugestellt, für niedrigere Beträge auf Anforderung (bitte bei Erstspenden Anschrift wegen Spendenbescheinigung angeben).

Kontaktaufnahme

Wer Kontakt mit uns aufnehmen möchte, kann dies tun über Telefon (07574-2862), Fax (07574-91110), Brief (Bubenhofenstr. 3, 72501 Gammertingen) oder E-Mail (info@lebenshaus-alb.de).

Um Info-Materialien anzufordern bzw. für den Antrag auf Fördermitgliedschaft, für die Ausstellung einer Einzugsermächtigung und Weiteres kann die PDF-Datei Rückantwort-Formular ausgedruckt und ausgefüllt an uns zurückgesandt werden. Wer speziell den Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" fördern möchte, kann dieses Formular verwenden Antwortformular Solidarfonds (PDF-Datei)

Fußnoten

Veröffentlicht am

01. September 2025

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von