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Michael Schmid: Hiroshima und Nagasaki waren ein Massenmord mit Hunderttausenden Opfern ohne Ende bis heute

Am Nagasaki-Gedenktag, 9. August 2023, blickte Michael Schmid in einem Redebeitrag bei einer Mahnwache in Gammertingen zunächst auf die historische Entwicklung von Atombomben, die Entscheidung zu den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki und deren Folgen zurück und ging in einem zweiten Teil auf die aktuelle Atomwaffensituation ein. Er verwies unter anderem auf die derzeit äußerst gefährliche Situation, in der wir uns befänden. Darauf würde auch mit der "Weltuntergangsuhr" hingewiesen, die auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgerückt worden sei, dem dramatischsten Wert überhaupt seit Einführung dieser "Doomsday Clock" vor 75 Jahren. Es sei wichtig, dass wir uns für Deutschlands Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag öffentlich aussprächen. Jedenfalls dürften wir jene Militärs, Politiker und Rüstungsindustriellen, welche den atomaren Massenmord vorbereiteten, nicht ungestört walten lassen. Unterbrochen wurde die Rede durch einen Bericht eines Überlebenden des Angriffs auf Nagasaki sowie einem schweigenden Gedenken an die Atombombenopfer und an alle Opfer von Kriegen. Nachfolgend die Beiträge, die bei der Mahnwache vorgetragen wurden.

Von Michael Schmid

Heute vor 78 Jahren, am 9. August 1945, zündeten die USA zum zweiten Mal eine Atombombe über belebtem Gebiet: über der japanischen Stadt Nagasaki. Zigtausende waren sofort tot, bis Ende 1945 wurde durch diese Atombombe auf Nagasaki das Leben von mindestens 74.000 Menschen ausgelöscht. Drei Tage zuvor wurde ein ähnliches Verbrechen mit der Atombombe auf Hiroshima verübt.

Wir leben heute in einer Zeit, in der inzwischen fast sämtliche Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge zwischen den USA und Russland nicht mehr bestehen - allesamt einseitig aufgekündigt durch die USA. Von allen Atommächten werden ihre Atomsprengköpfe "modernisiert", um die Schwelle zu deren Einsatz herabzusetzen. Szenarien für ihren möglichen Ersteinsatz sind in den Militärdoktrinen längst ausgearbeitet. Es werden immer perfektere, kaum noch auszuschaltende Trägersysteme konstruiert. Es gibt atemberaubend kurze Vorwarnzeiten. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz - die ihrerseits kurz davorsteht, sich selbständig zu machen - in den Abwehrsystemen ist nur noch eine Frage der Zeit. Aktuell besteht die Gefahr, dass der Ukrainekrieg zu einem Atomkrieg eskaliert. Angesichts all dessen ist es wohl angemessen, wieder daran zu erinnern, was den Menschen in Hiroshima und Nagasaki vor 78 Jahren angetan wurde.

Am 9. August 1945 war in der im Südwesten Japans gelegenen Hafenstadt Nagasaki ein anscheinend normaler Arbeitstag. Nach mehreren Bombenalarmen und Entwarnungen, machten sich die Menschen an die tägliche Arbeit. Drei US-Flugzeuge näherten sich. Zwei Begleitflugzeuge und ein B-29-Bomber mit einer tödlichen Fracht an Bord - einer Plutoniumbombe. Um 11:02 Uhr wurde zum zweiten Mal eine Atombombe über belebtem Gebiet gezündet. Die Atombombe explodierte in einer Höhe von 500 Metern über Nagasaki.

Nach der Hölle, die drei Tage zuvor in Hiroshima angerichtet wurde, hatte die Atombombe, die am 9. August 1945 von der amerikanischen Luftwaffe auf Nagasaki abgeworfen wurde, für die Menschen dieser Stadt wiederum absolut verheerende Wirkungen. Die ungeheure Explosionskraft, die Hitzewellen von mehreren tausend Grad und die atomaren Strahlungen hatten tödliche Wirkung - wie von den Verursachern dieses Verbrechens erhofft.

US-Präsident Truman hatte sich zur Rechtfertigung der Atombombenabwürfe folgende Version zurechtgelegt: "Die Bombe hat den Zweiten Weltkrieg verkürzt und damit Tausenden jungen Amerikanern das Leben gerettet." Doch dies ist eine pure Propagandalüge. Japan war zu diesem Zeitpunkt schon geschlagen und bereit, sich zu ergeben. Für den Atomwaffeneinsatz gab es andere Faktoren.

Nachdem es der US-Armee am 17. Juli 1945 gelungen war, in der Wüste von New Mexico einen ersten erfolgreichen Atomtest durchzuführen, befahl der amerikanische Präsident, die beiden weiteren zur Verfügung stehenden Atombomben auf japanische Städte abzuwerfen.

So sollte die gerade neu entwickelte Atomwaffe auch eingesetzt werden, u.a. wegen dem Druck, die gewaltigen Kosten des Unternehmens zu rechtfertigen. Mit nüchterner Kälte stellte Truman fest: "Nachdem wir die Bombe haben, haben wir sie auch eingesetzt".

Gleichzeitig waren die Abwürfe der Atombomben großangelegte Menschenversuche. Die USA bombardierten gezielt die Städte Hiroshima und Nagasaki, die bisher von Bomben verschont geblieben waren. Die Wirkung der Atombomben sollte im Großmaßstab und am lebenden Objekt erforscht werden. Das unendliche menschliche Leid, das durch die Bombenabwürfe verursacht wurde, war beabsichtigt! Vorschläge, die Bombe auf rein militärische Anlagen oder unbewohntes Gebiet abzuwerfen, um ihre Wirkung zu demonstrieren, wurden ausgeschlagen. Jahrelang wurden an den Überlebenden durch eine amerikanische Untersuchungskommission demütigende Tests durchgeführt, um die Folgen der Strahlungen auf den Menschen zu untersuchen, aber diesen Menschen wurde keine medizinische Hilfe geleistet.

Ein weiterer wesentlicher Faktor für den Atombombeneinsatz war auch, dass die USA durch den Einsatz und die Wirkung der Atombombe Stärke gegenüber der Führung der Sowjetunion demonstrieren konnten. Es ging zu diesem Zeitpunkt bereits darum, sowjetische Macht nach dem Zweiten Weltkrieg einzudämmen.

Was aus militärischer und machtpolitischer Sicht in den USA als großer Erfolg gefeiert wurde, stellte sich für die Menschen in den Städten Hiroshima und Nagasaki völlig anders dar. Durch die Atombombenangriffe wurden beide Städte innerhalb weniger Sekunden zu Wüsten des Todes. Zehntausende Menschen waren sofort tot oder starben in den Wochen danach.

Als Folge der ungeheuren Explosion und der Hitzewellen von mehreren tausend Grad sind die Menschen verbrannt, verdampft, verkohlt. In Hiroshima sind bis Ende 1945 ca. 140.000 Menschen an den Folgen der Atombombenexplosion gestorben. Durch die zweite Atombombe über Nagasaki wurde bis Ende 1945 das Leben von 74.000 Menschen ausgelöscht. In den nächsten fünf Jahren verdoppelte sich die Zahl der Opfer durch Strahlenerkrankungen.

Jene Menschen, welche die Abwürfe überlebten, waren dem Tod also noch längst nicht entkommen. Die radioaktive Strahlung brachte ihnen die "Atomkrankheit". Die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, als Hibakusha bekannt, waren auf Jahrzehnte von schweren Erkrankungen, genetischen Fehlentwicklungen bei ihren Nachkommen und seelischen Schmerzen gezeichnet. Die Zahl der an den Spätfolgen von Strahlenerkrankungen Gestorbenen wird auf mehrere hunderttausend Menschen beziffert. Und auch heute sterben jedes Jahr noch tausende Menschen an den Folgen atomarer Verstrahlung aus dem Jahr 1945. Es gibt noch über 100.000 Überlebende der Atombombenangriffe.

Hiroshima und Nagasaki waren die Hölle auf Erden. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ja, ein regelrechter Vernichtungsfeldzug, ein Massenmord mit Hunderttausenden Opfern ohne Ende bis heute.

Jedes Opfer dieser schlimmen Kriegsverbrechen hat einen Namen. Jedes Opfer wurde von jemandem geliebt. Wir lassen nun in einem kurzen Bericht Shinichi Konishi darüber zu uns sprechen, was er am 9. August 1945 in Nagasaki erlebt hat und wie es ihm später ging.

 Katrin Warnatzsch zitiert Shinichi Konishi

Shinichi Konishi, Nagasaki, war 1945 6 Jahre alt und hielt sich 4,0 km vom Hypozentrum auf (veröffentlicht im August 2017, damals war er 78 Jahre alt)

"Als die Bombe abgeworfen wurde, stand ich vor der Madonna in Weiß in der römisch-katholischen Erzdiözese von Nagasaki, 4 km vom Hypozentrum entfernt. Ich war auf dem Heimweg von der Sonntagsschule, um für meine Erstkommunion zu lernen, und hatte vor der Statue in der Mitte des Eingangs gebetet. In diesem Moment wurde ich von einem blendenden Licht eingehüllt und fiel zu Boden.

Es gab einen lauten Widerhall - ein Geräusch, das ich in meinen sechs Lebensjahren noch nie gehört hatte. Glasscherben aus dem zweiten Stockwerk regneten auf mich herab, und ich war augenblicklich blutüberströmt. Der harte Kontrast zwischen dem leuchtend roten Blut und dem blendenden weißen Licht ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.

Später flüchtete ich in einen der drei Luftschutzbunker in der Nähe der Kirche. Freunde und Familie waren um meine Sicherheit besorgt. Ich war einer der letzten, die dort ankamen - natürlich blutüberströmt. Die Blutung hörte schließlich auf. Später trafen auch einige Priester ein. Obwohl sie bei ihrer Ankunft scheinbar gesund waren, starben vier von ihnen innerhalb einer Stunde im Luftschutzkeller. Obwohl ich damals noch sehr jung war, werde ich den Geruch von verbranntem Fleisch, der den Luftschutzkeller durchzog, nie vergessen. Die Sommerhitze machte ihn besonders unerträglich.

Es war eine Feuerkugelexplosion, die ein blendendes Licht und einen lauten Nachhall ausstrahlte, der die Erde erschütterte.

Nagasaki wurde durch die Druckwelle, die Hitze und die Strahlung augenblicklich zu einem Ödland.

Die Höllenlandschaft, die ich in jenem Sommer sah, als ich sechs Jahre alt war, ist nie aus den Tiefen meines Gedächtnisses verschwunden.

Ich möchte meine Gedanken über die Bedeutung des Friedens weitergeben, indem ich die Realitäten der Atombombe und die Würde aller Lebensformen darstelle.

Der Ursprung des Friedens liegt in der Fähigkeit, den Schmerz der anderen zu teilen. Im Markusevangelium 12:31 heißt es: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Es lehrt uns, freundlich zu anderen zu sein und das Leben über alles zu schätzen. Ich bemühe mich darum, diese Friedensbotschaft weiterzugeben."

Mehr dazu siehe: https://www.1945project.com/

Michael Schmid

Solche Texte mit den Aussagen von überlebenden Betroffenen der Atombombenabwürfe müss(t)en jedem Menschen zur Kenntnis gebracht werden. Es soll niemand sagen können, nicht gewusst zu haben, was den Menschen in Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren ist.

(Schweigen wir für die Opfer dieser Verbrechen durch die Atombombenabwürfe der Vereinigten Staaten von Amerika auf Hiroshima und Nagasaki und der von über 2000 Atombombentests betroffenen Menschen - einbeziehen möchte ich ebenfalls die Menschen, die Opfer der gegenwärtigen Kriege werden, die z.B. völlig sinnlos Tag für Tag zu hunderten in der Ukraine sterben oder verletzt werden)

Michael Schmid

Nach den Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki war bekanntlich nicht Schluss mit der Atompolitik. Diese Massenvernichtungswaffe wurde, nachdem ihre grauenhafte Wirkung mit Menschenversuchen getestet wurde, nicht etwa weltweit geächtet. Im Gegenteil: Ein wahnsinniges Wettrüsten führte dazu, dass das weltweite Atomwaffenarsenal zu Hochzeiten des Kalten Krieges rund 70.000 Atomsprengköpfe umfasste. Eine große Anzahl davon war in Deutschland deponiert. Bestimmt für das atomare Schlachtfeld Europa.

Als Weltgemeinschaft standen wir mehr als einmal vor der völligen Zerstörung. Ob aus Absicht, durch einen Unfall oder durch Fehlalarme - der Einsatz von Atomwaffen stand auch nach 1945 öfter unmittelbar bevor.

Wer von uns Älteren erinnert sich noch an den 26. September 1983? Ist uns bewusst, wie dicht wir an diesem Tag vor dem Tod, vor dem Weltuntergang durch einen Atomkrieg aus Versehen standen? Ich nöchte kurz darauf eingehen.

25. September 1983, Satellitenüberwachungsanlage der Sowjetunion, rund 100 Kilometer südlich von Moskau: Oberstleutnant Stanislaw Petrow tritt am Abend seinen Dienst an. Die Überwachung des gegnerischen Luftraums liegt in seiner Verantwortung.

Zunächst verläuft alles wie gewohnt - bis kurz nach Mitternacht, am 26. September um 0:15 Uhr Moskauer Zeit, als die Sirenen jaulten und auf dem 30 Meter messenden Bildschirm vor Petrow rote Buchstaben aufleuchteten: START. Das System hatte den Abschuss einer US-Atomrakete von einer Raketenbasis in Nordamerika registriert.

Spionagesatellit Kosmos 1382 meldet den Beginn des Weltuntergangs. 25 Minuten bleiben bis zum Einschlag, irgendwo in Russland.

Im Kontrollzentrum richten sich die Augenpaare von 200 Mitarbeitern auf Oberst Petrow. Dieser hat Zweifel, dass tatsächlich ein amerikanischer Raketenangriff stattfindet. Denn die Angriffsplanungen des Kalten Kriegs gehen damals davon aus, dass ein Erstschlag mit Atomwaffen nicht mit einer einzelnen Rakete durchgeführt wird, sondern ein ganzer Raketenhagel stattfindet. Deshalb meldet Petrow einen Fehlalarm.

Doch noch während er mit dem Generalstab telefoniert, zeigt der Computer vier weitere Raketenstarts an. Seinem Vorgesetzten erklärt Petrow, auch dies sei ein falscher Alarm. Er kläre, was gerade passiert sei.

Petrow bleibt bei seiner Einschätzung. Später zeigt sich, dass sein Misstrauen gegenüber der Computertechnik gerechtfertigt ist. Das Überwachungssystem hatte Reflexionen des Sonnenlichts an Wolken über einer amerikanischen Luftwaffenbasis als Raketenstarts fehlinterpretiert.

Oberst Stanislaw Petrow waren am 26. September 1983 nur wenige Minuten für eine Entscheidung geblieben. Zu unser aller Glück ging er von einem Computerfehler aus und löste den atomaren Gegenschlag nicht aus. Also nur weil Petrow damals nicht versagte, wurde die Welt 1983 vor einem atomaren Inferno gerettet.

(Mehr über Stanislaw Petrow )

Wir können also heute nur froh und dankbar sein, dass es nach den Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki nie mehr zu einem Atombombeneinsatz gekommen ist!

Ich möchte einen kurzen Rückblick in die 1980er Jahre machen. Nie zuvor und danach auch nicht mehr gab es, "was die Gefahr einer möglichen atomaren Vernichtung betrifft, so viele sensible (und aktionsbereite) Bevölkerungsgruppen wie in den Achtziger Jahren in Westeuropa, den USA und - unter sehr anderen Bedingungen - auch in einigen Staaten des Warschauer Paktes." Angesichts der westlichen Friedensbewegung wurde es auch möglich, dass in der Sowjetunion ein Entspannungspolitiker wie Michail Gorbatschow an die Führung gelangte. Und "für einen kurzen, wunderschönen Moment" erreichte seine "Politik des ‚Neuen Denkens’ … sogar die Höhen der Weltpolitik. Und keinesfalls vergebens: Vor allem dank der Entschlossenheit der damaligen Sowjetadministration wurden sage und schreibe 80 Prozent aller Atomsprengköpfe weltweit verschrottet!" (Leo Ensel: Hiroshima ist überall! – oder: Der niemals endende Kampf )

Wie gesagt, das war in erster Linie Gorbatschows Verdienst. Aber auch die Friedensbewegung in der Bundesrepublik und in anderen Staaten war ein wichtiger Faktor, damit es zu dieser Abrüstung kam. Damals, vor etwas mehr als 30 Jahren wurde dann der Kalte Krieg beendet. Der Warschauer Pakt löste sich auf, kurz darauf die Sowjetunion. Das westliche Militärbündnis NATO allerdings blieb, dehnte sich immer weiter aus in den Osten Europas - und heute haben wir in erster Linie deshalb den Ukrainekrieg und so etwas wie einen neuen kalten Krieg zwischen der NATO unter ihrer Führungsmacht USA und Russland.

Das Ende des ersten Kalten Krieges Anfang der 1990er Jahre war nicht gleichbedeutend mit völliger atomarer Abrüstung. Aktuell schätzt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, dass die neun Atomwaffenstaaten rund 12.500 Atomwaffen besitzen. Ein Potential, mit dem die Erde mehrfach vernichtet werden kann.

Die extreme Gefahr, in der wir aufgrund des rücksichtslosen Verhaltens dieser neun Länder leben, hat sich mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Anfang des vergangenen Jahres noch verstärkt. Im Zuge dieses Konflikts hat Russland wiederholt mit dem Einsatz seiner Atomwaffen gedroht, und die NATO, in der die Atommächte Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten vertreten sind, hat mit eigenen atomaren Drohungen geantwortet.

Am 25. Januar 2023 haben die Atomwissenschaftler des "Bulletin of the Atomic Scientists" die Zeiger ihrer symbolischen "Weltuntergangsuhr", welche die Gefährdung der Menschheit und des gesamten Planeten signalisiert, von 100 Sekunden auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgerückt. Dies ist der dramatischste Wert überhaupt seit Einführung dieser "Doomsday Clock" vor 75 Jahren. Nach Einschätzung dieser Atomwissenschaftler trennen uns gerade noch eineinhalb Minuten von der Totalkatastrophe! In den 1980er Jahren, als die Uhr noch 3 Minuten vor Mitternacht stand, waren hierzulande Hunderttausende oder gar Millionen wegen der Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenwaffen auf der Straße. Dagegen ist es jetzt beunruhig ruhig. Dabei droht uns der doppelte Selbstmord: schnell durch das atomare Desaster, langsam durch die Klimaerhitzung mit all ihren Auswirkungen.

Ein kleiner Funken Hoffnung stellt für mich der Atomwaffenverbotsvertrag dar, der seit Januar 2021 in Kraft ist. Er verbietet nicht nur die Herstellung, Erprobung, den Besitz und die Lagerung, sondern auch die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Das Inkrafttreten dieses Vertrags ist ein historischer Meilenstein der globalen Bewegung für atomare Abrüstung, die vor 78 Jahren begann und nun bereits über mehrere Generationen andauert. Dieser Vertrag verkörpert den Willen eines großen Teils der Menschheit, ohne Atomwaffen zu leben. Diesen Atomwaffenverbotsvertrag hätte es ohne Druck aus der Zivilgesellschaft kaum gegeben. Die Internationale Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) hat hier eine ganz wichtige Rolle gespielt. Sie ist dafür auch 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Als Lebenshaus Schwäbische Alb gehören wir ICAN an.

Dass der Atomwaffenverbotsvertrag zustande kam, ist ein ermutigendes Beispiel dafür, dass mit zivilgesellschaftlichem Engagement auch etwas erreicht werden kann. Dieser Vertrag wurde bis heute von 68 Staaten ratifiziert und von 91 unterzeichnet. Aber keine der Atommächte gehört dazu. Und auch Deutschland nicht. Die deutsche Bundesregierung lehnt diesen Verbotsvertrag ab, weil sie weiter an der atomaren Abschreckungspolitik der NATO und an der Stationierung von Atomsprengköpfen der US-Armee in Deutschland festhalten möchte.

Deshalb muss die Zivilgesellschaft Druck auf die Bundesregierung machen, damit sie diesen Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und ratifiziert.

Einen kleinen Beitrag haben wir u.a. damit wieder zu leisten versucht, indem wir mit Unterstützung von vielen Menschen und Organisationen einen Aufruf mit dem Titel "Hiroshima und Nagasaki mahnen: Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag!" als Anzeigen veröffentlichen konnten. Wie in den vergangenen beiden Jahren gab es wiederum so ein tolles Echo darauf, so dass wir außer einer Amtsblatt-Anzeige noch zusätzliche Anzeigen im "Reutlinger Generalanzeiger" und "Zollern-Alb-Kurier" veröffentlichen konnten. 138 einzelne Personen und immerhin 30 Organisationen aus nah und fern haben diese Aktion unterstützt und durch Spenden diese Veröffentlichungen ermöglicht. Dafür herzlichen Dank, allen die mitgemacht haben! So wurde es möglich, durch diese Presseorgane eine Gesamtauflage von fast 60.000 Exemplaren zu erreichen. Inzwischen sind weitere Unterstützungserklärungen dazu gekommen und es dürfen gerne noch mehr werden.

In diesem Aufruf werden folgende Forderungen an die Bundesregierung gestellt.

"Wir erwarten von der Bundesregierung,

  • Atomwaffen aufgrund der katastrophalen humanitären Folgen ihres Einsatzes zu ächten und Entschädigungen der Atombombenopfer zu ermöglichen;
  • die zweite Konferenz von Staaten zum Atomwaffenverbotsvertrag im November 2023 als Beobachter zu begleiten und weitere Schritte auf dem Weg zu einem deutschen Beitritt zu gehen;
  • die Beendigung der nuklearen Teilhabe in die Wege zu leiten;
  • kooperative Sicherheit durch eine Politik der Friedenslogik in den Blick zu nehmen und damit die nukleare Abschreckung überwinden zu helfen."

Es ist wichtig, dass wir uns für diese Ziele öffentlich aussprechen. Jedenfalls dürfen wir jene Militärs, Politiker und Rüstungsindustriellen, welche den atomaren Massenmord vorbereiten, nicht ungestört walten lassen. Und in Bezug auf den Ukrainekrieg möchte ich noch ein paar Sätze des internationalen pazifistischen Bündnisses "World BEYOND War" von gestern zitieren. Dort heißt es:

"Dieser Krieg wird mit Kompromissen und Verhandlungen oder mit einer nuklearen Apokalypse enden. Eine totale Niederlage beider Seiten ist extrem unwahrscheinlich. Obwohl also beide Seiten Schuld tragen und die meisten Menschen gerne nur die eine oder andere Seite beschuldigen, geht es im Moment darum, dass beide Seiten auf einer bedingungslosen Kapitulation bestehen, die es nicht geben wird - vorher wird es einen Atomkrieg geben. Wir brauchen jetzt Verhandlungen!"

Wir alle werden gebraucht und sind wichtig im Kampf sowohl dafür, dass es bezüglich des Ukrainekriegs zu Verhandlungen kommt, als auch für eine atomwaffenfreie Welt.

Dabei sind angesichts des gegenwärtigen Hasses, der Verleumdungen, der Feindbilder und der Kriege zweifelsohne Kreativität und Mut, Engagement und Zivilcourage erforderlich. Lasst uns gemeinsam für die Verwirklichung der Vision eines nachhaltigen, solidarischen, ökologischen und weitgehend gewaltfreien Gemeinwesens arbeiten, das niemanden ausschließt und das in der Lage ist, sich gegen militärische Übergriffe sozial, also mit zivilen Mitteln zu verteidigen.

Abschließend wünsche ich mir, dass sich viele Menschen durch den letzten Text der im März 2023 verstorbenen Antje Vollmer berühren und zum Nachdenken anregen lassen. Er endet mit einem an uns alle gerichteten Vermächtnis: "Der Hass und die Bereitschaft zum Krieg und zur Feindbildproduktion ist tief verwurzelt in der Menschheit, gerade in Zeiten großer Krisen und existentieller Ängste. Heute aber gilt: Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planeten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption." ( Antje Vollmers Vermächtnis einer Pazifistin: "Was ich noch zu sagen hätte" )

Weitere Informationen:


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Da unsere Friedens- und Menschenrechtsarbeit Geld kostet und es nahezu keine Zuschüsse gibt, bittet Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. um Spenden. Laut Bescheid des Finanzamtes Sigmaringen ist unser Verein als gemeinnützig und mildtätig anerkannt (zuletzt mit Bescheid vom 22.07.2021). Eine Spendenbestätigung wird ab 25 € automatisch zugestellt, ansonsten auf Anforderung - ErstspenderInnen bitte unbedingt Anschrift angeben! Danke!!!

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Veröffentlicht am

10. August 2023

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