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Tschetschenien: Russen ziehen ab

Von Karl Grobe

Russland hat seine "Anti-Terror-Operation" in Tschetschenien offiziell beendet. Das seit 1999 bestehende "besondere Sicherheitsregime" für die Teilrepublik im Kaukasus wurde am Donnerstagmorgen aufgehoben. Damit sollten Bedingungen zur Normalisierung der Lage in der Region geschaffen werden, meldeten russische Agenturen. Der Schritt diene auch zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Tschetschenien.

Die Entscheidung wurde von Präsident Dmitri Medwedew getroffen und am Donnerstag vom Chef des Inlands-Geheimdienstes FSP, Alexander Bortnikow, verkündet. Alle "Anti-Terror-Operationen" in Tschetschenien würden künftig "gemäß dem in den anderen Regionen des Landes üblichen Modus" durchgeführt, meldete die Agentur Nowosti unter Berufung auf das Nationale Antiterror-Komitee.

Aus dem Moskauer Innenministerium verlautete, alle zeitweise in Tschetschenien stationierten Einheiten würden abgezogen. Russische Medien sprechen von 20.000 Mann. Nicht vom Abzug betroffen seien die 42. Motorisierte Schützendivision der Armee sowie die 46. Sonderbrigade der Innenministeriumstruppen, die den Großteil der dortigen russischen Militärmacht ausmachen.

Das Sonderregime - praktisch der Ausnahmezustand - war vom Kreml nach dem Überfall des islamistischen Bandenführers al-Khattab auf Siedlungen im Tschetschenien benachbarten Dagestan und mehreren Bombenanschlägen auf Wohnhochhäuser unter anderem in Moskau verhängt worden. Die unmittelbare Beteiligung tschetschenischer Politiker an diesen Terrorakten ist ebenso wenig nachgewiesen worden wie ihre Verantwortung für die Geiselnahme im Moskauer Musical-Theater an der Dubrowka (2002) und in einer Schule in Beslan (2004). Der in anerkannt fairen Wahlen 1997 zum tschetschenischen Präsidenten bestimmte Aslan Maschadow, ein sowjetischer Karriere-Offizier, hatte sich von terroristischen Akten stets distanziert. Präsident Wladimir Putin hatte jegliche Verhandlungen mit Maschadow kategorisch abgelehnt.

Während beider Tschetschenienkriege hatte sich dort und in den Nachbarregionen eine radikal-islamistische Bewegung, teils unter Mitwirkung arabischer Kämpfer, entwickelt. Diese bewaffneten Banden entzogen sich schon vor 1999 der Kontrolle der zivilen Regierung unter Maschadow, der jedoch kaum über eigene Truppen verfügte.

Zu den islamistischen Legionären gehörte al-Khattab. Dessen Nachfolger haben den Krieg inzwischen auf die an Tschetschenien grenzenden Republiken Inguschetien und Dagestan ausgedehnt. Dort führen lokale Missstände dem Widerstand stets neue - meist jugendliche - Kämpfer zu.

Aus dem islamistischen Widerstand, der in Tschetschenien nie eine Mehrheit hinter sich bringen konnte, entstand Anfang dieses Jahrhunderts eine bewaffnete separatistische islamistische Bewegung, die ein Kaukasisches Emirat anstrebt. Experten schätzen ihre Bedeutung als gering, aber störend ein. Unterdessen stabilisierte in Tschetschenien der ursprüngliche Milizenchef Ramsan Kadyrow das Regime mit Gewaltmaßnahmen, aber ausdrücklicher Billigung Moskaus.

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Quelle: Frankfurter Rundschau vom 16.04.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

19. April 2009

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