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Vor 50 Jahren: Busboykott in Montgomery

“Ohne Mut und Inspiration sterben die Träume von Freiheit und Frieden”

Von Michael Schmid

Genau vor 50 Jahren geschah in der Stadt Montgomery, Hauptstadt von Alabama, USA etwas, das sich zu einer spektakulären, erfolgreichen gewaltfreien Aktion entwickeln sollte. Sie wurde ausgelöst, weil die damals 42-jährige afro-amerikanische Bürgerin Rosa Parks am 1. Dezember 1955 auf ihrem Platz im Bus sitzen blieb, als sie vom Busfahrer kraft Rassengesetz aufgefordert wurde, ihn an einen Weißen abzutreten.

In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts war Rassismus insbesondere in den Südstaaten der USA fester Bestandteil des alltäglichen Lebens. Es gab eine vollständige Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen. Das galt beispielsweise für Busse. Schwarze und Weiße durften nicht nebeneinander sitzen. Schwarzen Menschen, die dreiviertel aller Fahrgäste ausmachten, war es nicht erlaubt, im vorderen Teil des Busses Platz zu nehmen. Zunächst aber mussten sie vorne einsteigen, beim Fahrer ihre Fahrkarte lösen, dann wieder aussteigen, um den Bus durch die hintere Tür erneut zu besteigen. Nicht selten soll es vorgekommen sein, dass ein Busfahrer dann die Türen zu früh schloss und die Schwarzen mit ihren soeben gelösten Fahrkarten einfach stehen ließ. Als weitere Demütigung kam hinzu, dass Schwarze von ihren Plätzen wieder aufstehen mussten, wenn die Plätze für Weiße nicht ausreichten.

Als der städtische Bus am Spätnachmittag des 1. Dezember 1955 an der Haltestelle stoppt, steigt Rosa Parks ein und setzt sich auf einen freien Platz am Gang in der Viererreihe, in der Mitte des Busses, unmittelbar hinter dem Schild, auf dem “Colored” steht. Drei weitere Schwarze sitzen in dieser Reihe. An den nächsten beiden Haltestellen wird der Bus auch im vorderen, für Weiße reservierten Teil voller. Beim dritten Halt steigen weitere Personen zu, für einen Weißen gibt es keinen Sitzplatz. Daraufhin fordert der Fahrer Rosa Parks und die drei anderen schwarzen Personen auf, die Sitzreihe freizumachen. In diesem mittleren Busteil müssen alle Schwarzen die komplette Reihe räumen, sobald ein Weißer dort Platz nehmen will. Die Trennung zwischen schwarz und weiß soll eben komplett aufrechterhalten bleiben. Die drei stehen schließlich auf, Rosa Parks aber bleibt einfach sitzen. Der Fahrer steigt aus, kommt mit zwei Polizisten zurück, die Rosa Parks von ihrem Sitz ziehen und mit auf die Polizeiwache nehmen. Dort füllt ein Beamter ein Haftformular aus. Allerdings kann Rosa Parks gegen Kaution bis zur Gerichtsverhandlung wieder auf freien Fuß kommen. Vier Tage später wird sie dann zu einer Geldstrafe in Höhe von 18 Dollar verurteilt.

Keine Handlung aus dem Nichts

Die bis heute zumeist überlieferte Standardversion dieses Vorfalls vor 50 Jahren lautet in etwa so: Rosa Parks, eine einfache Näherin mit müden Beinen, hat sich spontan entschieden, auf ihrem Platz im Bus sitzen zu bleiben. Dies hat den Busboykott von Montgomery ausgelöst, der über ein Jahr lang gedauert und Rosa Parks den Titel “Mutter der Bürgerrechtsbewegung” eingetragen hat.

Doch diese Version ist aus dem Zusammenhang gerissen. Rosa Parks widerspricht ihr selber in ihrer Autobiographie “My Story”. Es sei immer gesagt worden, sie habe ihren Platz nicht aufgeben wollen, weil sie müde war, schrieb sie. Aber das stimme nicht. “Ich war nicht müder als normalerweise am Ende eines Arbeitstages. Ich war auch nicht alt, obwohl einige diese Vorstellung von mir haben. Ich war 42. Und wenn ich etwas leid war, dann, immer nur nachzugeben”. Sie habe nicht vorgehabt, festgenommen zu werden, sagte sie später. Aber als sie vor der Entscheidung stand, habe sie nicht gezögert. “Wir hatten schon zu lange nachgegeben”, sagte sie. “Je mehr wir uns dieser Behandlung beugten, desto schlimmer wurde es.”

Rosa Parks war schon lange vor 1955 in verschiedenen Bürgerrechtsorganisationen in Montgomery aktiv. Unter anderem engagierte sie sich damals bereits seit 12 Jahren als Mitglied der Ortsgruppe der “Nationalen Vereinigung für den Fortschritt farbiger Menschen” (National Association for the Advancement of Colored People - NAACP). Diese Organisation setzte sich für die Gleichberechtigung farbiger Menschen ein. In den vierziger Jahren war Rosa Parks Bürosekretärin der NAACP-Ortsgruppe von Montgomery gewesen.

Nur wenige Monate bevor sie im Bus sitzen blieb, hatte Rosa Parks zum ersten Mal an einem Workshop in Gewaltfreiheit an der Highlander Folk School in Monteagle, Tennessee teilgenommen. In den Workshops ging es um die Vorbereitung bzw. Stärkung für einen gewaltfreien Kampf gegen die Rassentrennung. Und es ging darum, ungerechte Gesetze, welche Schwarze diskriminieren, nicht mehr einfach duldsam hinzunehmen. Rosa Parks sagte später über diesen Workshop, sie habe dort zum ersten Mal in “einer Atmosphäre der Gleichheit mit Mitgliedern der anderen Rasse” gelebt.

Rosa Parks hatte im Verlauf der Jahre viel gelernt, sich selber engagiert und sich mit früheren Kämpfen gegen die Rassentrennung vertraut gemacht. Sie erfuhr, dass es in Montgomery schon 50 Jahre zuvor einen Busboykott mit dem Ergebnis gegeben hatte, zumindest einige Verbote zu lockern. Ein 1953 für kurze Zeit durchgeführter Busboykott in der Stadt Baton Rouge, Louisiana, hatte zudem als Anregung zum Nachdenken gedient, wie sich Afro-Amerikaner gegen die entwürdigende Behandlung in öffentlichen Einrichtungen zur Wehr setzen könnten.

Im Frühjahr und Sommer 1955 schwelte aufgrund verschiedener rassistischer Vorgänge zunehmende Unzufriedenheit unter der afro-amerikanischen Bevölkerung in Montgomery. Drei Schwarze hatten sich in den letzten zehn Monaten gegen die Sitzplatzordnung in den Bussen aufgelehnt - und wurden dafür ins Gefängnis gesteckt. Die Festnahme der fünfzehn Jahre alten Schülerin Claudette Colvin bewegte die schwarze Gemeinde so sehr, dass bereits ein Busboykott erwogen worden war. Doch der Boykott kam nicht zustande, zum Teil aus Rücksicht, weil Colvin gerade schwanger war und das öffentliche Rampenlicht sie zusätzlich belastet hätte. Aber ihr “Fall” sowie die Verhaftung einer weiteren jungen Verweigererin, Mary Louis Smith, trugen zu einer Stimmung der Aktionsbereitschaft unter den Mitgliedern der NAACP bei. Viele hatten einfach genug von den ständigen Demütigungen. Die Stimmung war seit geraumer Zeit so, dass sich etwas ändern musste an den ungerechten und rassistischen Zuständen.

Diese Stimmung bildete den Hintergrund, als Rosa Parks am 1. Dezember 1955 im Bus einfach sitzen blieb. Zwar hatte sie dies nicht mit anderen abgesprochen, sie handelte aber doch in dem Bewusstsein, dass sie mit ihrem Verhalten eine Lawine gegen den Rassismus lostreten könnte.

Zeit war reif für Busboykott

Nach ihrer Verhaftung konnte Rosa Parks wegen der Entrichtung der Kaution jemanden benachrichtigen. Sie informierte E.D. Nixon. Nixon war ein früher Bürgerrechtsaktivist und erfahrener NAACP-Organisator, der im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg eng mit Rosa Parks zusammengearbeitet hatte. E.D. Nixon rief nun verschiedene Bürgerinnen und Bürger Montgomerys zusammen, um ihnen zu vermitteln, dass gegen die Verhaftung von Rosa Parks protestiert werden müsse. Jo Ann Robinson, Präsidentin des “Women’s Political Council” (WPC), eine der bedeutendsten Organisationen schwarzer Frauen in Montgomery, war wohl diejenige, die sich am meisten für die Idee des Boykotts begeisterte. Sie hatte bereits im Jahr zuvor in einem Brief gegenüber den Stadtbehörden von Montgomery einen Busboykott angekündigt, wenn die Politik der Rassentrennung nicht geändert würde. Nach der Verhaftung von Rosa Parks arbeitete sie dann fast die ganze Nacht hindurch mit zwei ihrer Studentinnen am Druck zehntausender Flugblätter mit einem Aufruf an die afro-amerikanischen Bürgerinnen und Bürger, am 5. Dezember 1955 keine Busse zu benutzen. 1 Dies war der Tag, für den die Gerichtsverhandlung gegen Rosa Parks angesetzt war. Schwarze Geistliche und einflussreiche Mitglieder der Kirchengemeinden unterstützten diesen Busboykott ebenfalls.

Als der 5. Dezember 1955 anbrach, hatte der Boykottaufruf offensichtlich fast alle schwarzen Menschen Montgomerys davon überzeugt, die Busse nicht zu nutzen. Kaum jemand von ihnen stieg in einen Bus. Ihren Weg zur Arbeit oder zur Schule legten sie stattdessen zu Fuß zurück oder organisierten Mitfahrgelegenheiten.

Am Nachmittag dieses Tages trafen sich die afro-amerikanischen Organisatorinnen und Organisatoren des Boykotts, um einen Bürgerausschuss zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Rassen zu gründen: die Montgomery Improvement Association (MIA). Zum Vorsitzenden von MIA wurde der gerade erst 26 Jahre alte Reverend Martin Luther King jr. gewählt. Der junge Baptistenpfarrer der Dexter-Kirche hatte zunächst gezögert, eine führende Rolle einnehmen zu sollen. Als jemand, der erst seit einem Jahr in Montgomery war, wollte er sich auf seine Gemeindearbeit konzentrieren. Außerdem war erst wenige Wochen zuvor sein erstes Kind geboren worden. Andererseits hatte er sich bereits als Redner bei einer Kundgebung und als Befürworter der Bürgerrechte einen gewissen Respekt erworben.

E.D. Nixon, der King für eine Führungsrolle gewinnen wollte, erzählte später einem Freund: “Ich wusste immer, dass dieser Kampf eines Tages einen Punkt erreichen würde, an dem redegewandtere Leute wichtige Aufgaben übernehmen mussten, wenn wir Erfolg haben sollten. Darum habe ich auf diesen jungen Pastor Martin Luther King ein Auge gerichtet.”

King hatte also den Busboykott nicht initiiert, wurde in eine führende Position mehr durch andere gedrängt als dass es ihn selber dazu gedrängt hätte. Nun aber wuchs er in eine herausragende Rolle für eine Bewegung hinein, deren inspirierender Sprecher er für das nächste dutzend Jahre bis zu seiner Ermordung sein sollte.

Aus dem zunächst nur für den 5. Dezember 1955 geplanten Boykott der Busse entwickelte sich eine gewaltfreie Aktion, die über ein Jahr lang durchgeführt wurde. Die Schwarzen liefen Tag für Tag, die städtischen Verkehrsbetriebe Montgomerys fuhren immer größere Verluste ein. Schließlich führte dieser Busboykott zum Erfolg. Der Oberste Gerichtshof der USA hob die Rassentrennung in den Bussen der Stadt auf. Und so endete der Boykott am 20. Dezember 1956, 381 Tage nachdem mit ihm am Tage der Verurteilung von Rosa Parks begonnen worden war.

Der Erfolg des Busboykotts löste eine Art Kettenreaktion ähnlicher Aktionen aus. Mit vielfältigen Mitteln des gewaltlosen Widerstands wurde auf das Unrecht der Rassentrennung aufmerksam gemacht. Die afro-amerikanischen Menschen hatten begonnen, sich neu zu organisieren und so ihr gewachsenes Selbstbewusstsein zum Ausdruck gebracht. Mit dem Busboykott in Montgomery war eine neue, kraftvolle Bürgerrechtsbewegung in den USA geboren worden. Eine Bewegung, die den Aufstieg des bis dato unbekannten Reverend Martin Luther King jr. begründete. Dieser erwies sich aber nicht nur als ein begnadeter und mitreißender Redner, sondern er war tief durchdrungen von der Überzeugung, dass es um den Einsatz gewaltloser Mittel gehen muss. Nicht länger ängstlich in Passivität zu verharren und Unrecht hinzunehmen. Stattdessen aktiven Widerstand leisten ohne Gewalt. Dafür setzte King sich sein ganzes weiteres Leben lang ein. Gerade auch in besonders gewaltträchtigen Situationen.

Von Rosa Parks zu einfachen Schritten inspirieren lassen 2

Doch nochmals zurück zu Rosa Parks. Die eben dargestellten Zusammenhänge werden vernachlässigt, wenn die Geschichte über die historische Tat dieser Frau in etwa den Eindruck vermittelt: Rosa Parks handelte isoliert, vor lauter Müdigkeit aus einer Art Laune heraus, ohne irgendwelche gesellschaftsverändernden Absichten. Im Anschluss daran lautet die Botschaft an uns: Sollte es dich ganz plötzlich jucken, etwas vergleichbar Heldenhaftes zu tun - toll, dann tue es einfach! Da es die meisten von uns nicht in dieser Weise überkommt, warten wir unter Umständen ein Leben lang auf den richtigen Moment für unsere heldenhafte Tat.

Dass aus Rosa Parks mutiger und konsequenter Handlung im Bus ein Ereignis mit großer historischer Bedeutung werden konnte, beruhte auf jener bescheidenen, oft frustrierenden Arbeit, die sie selber und viele andere Menschen bereits im Vorfeld geleistet haben. Die viele Jahre früher getroffene Entscheidung zu einem langfristigen Engagement war nicht weniger mutig und bedeutsam, wie ihre Courage im Bus, durch die sie dann berühmt wurde.

Die überlieferte Geschichte legt uns nahe: Menschen, die Großes vollbringen, kommen sozusagen aus dem Nichts, um dann ganz plötzlich mit einem großen Auftritt in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit zu rücken. Sie redet uns ein, wir sind immer dann am Erfolgreichsten, wenn wir als Einzelkämpfer auftreten. Veränderung kommt dann über Nacht und nicht als Folge einer Vielzahl von Aktivitäten, die oft kaum wahrgenommen werden.

Der Mythos von Rosa Parks als einer einsamen, mutigen Frau legt auch nahe: ein solcher Mensch muss ein solches Mehr an Mut, Wissen, Energie, Zeit und Visionen haben als wir “Normalsterblichen”. Ein solcher Standard ist etwas für Heilige, aber nicht für uns. Dass historische Veränderungen fast immer das Werk der vielen “kleinen” Frauen und Männer ist, wird so verschwiegen.

Dabei kann uns die wahre Geschichte von Rosa Parks eigentlich so sehr ermutigen. Diese Frau begann sich mit relativ kleinen Schritten gegen das vorherrschende Unrecht zu engagieren. Sie nahm an Veranstaltungen teil, trat einer Organisation bei, begann sich gemeinsam mit anderen zu engagieren. Die Gemeinschaft mit anderen unterstützte sie wiederum auf ihrem Weg. Die Aussichten auf Erfolg bei der Überwindung der tiefverwurzelten Ungerechtigkeiten waren mehr als fraglich. Und hätte sie oder die anderen nach einigen Jahren resigniert aufgegeben, wer weiß, wie es dann in punkto Rassentrennung heute in den USA aussähe.

Am Beispiel Rosa Parks können wir lernen, dass eine Sache noch so aussichtslos erscheinen mag - ein Mensch regt einen anderen an, dieser möglicherweise einen dritten, einen vierten - und schließlich verändert sich die Welt. Rosas Mann Raymond hatte sie eines Tages überzeugt, an einem Treffen des NAACP teilzunehmen. Dies war der erste Schritt auf ihrem Weg, der schließlich in jene Handlung im Bus von Montgomery mündete. Auch Raymond Parks wiederum ist von jemand inspiriert worden. Und so könnte eine lange Kette mit ihren einzelnen Gliedern sichtbar gemacht werden, die sich in fortgesetzter Reihe dazu angeregt haben, sich nicht einfach mit dem Unrecht abzufinden.

Jede grundlegende Veränderung besteht aus einer solchen langen Kette mit zahlreichen Gliedern. Wir wissen darum und wir wissen, dass wir die Wahl haben, Teil einer solchen Kette zu sein. Grundlegende und dauerhafte Veränderung ist ohne diese Art von Ketten nicht möglich. Eine solche Erkenntnis ist eine sehr wichtige Quelle, um uns die Hoffnung nicht verlieren zu lassen - vor allem zu jenen Zeiten, in denen es uns selber so erscheinen mag, dass alles, was wir tun können, doch viel zu wenig ist, um wirklich etwas bewirken zu können.

“Ohne Mut und Inspiration werden die Träume sterben, die Träume von Freiheit und Frieden.” Diese Äußerung von Rosa Parks aus dem Jahr 1988 kann auch für uns heute gelten. Von Rosa Parks können wir uns inspirieren lassen: eigenes Engagement kann mit bescheidenen ersten Schritten beginnen, aktive Gewaltfreiheit und Zivilcourage können erlernt und eingeübt werden. Das mutige Handeln von einzelnen Menschen kann etwas ins Rollen bringen - zumindest in besonderen historischen Situationen -, worauf viele kaum zu hoffen wagen. Auch wir können das: uns an der gesellschaftlichen Basis engagieren, gemeinsam mit anderen, gewaltfreies Handeln einüben, gegen Unrecht protestieren und uns an direkten gewaltfreien Aktionen beteiligen.

1. Dezember 2005: Streik zur Kriegsbeendigung

Vor wenigen Wochen, am 24. Oktober 2005, ist Rosa Parks im Alter von 92 Jahren in Detroit (USA) gestorben. 3 Ziemlich genau 50 Jahre, nachdem diese Frau aufgrund ihres mutigen Verhaltens praktisch über Nacht berühmt geworden war. Sie ist gleichzeitig so bedeutsam geworden, dass ihr in ihren letzten Lebensjahren hohe Auszeichnungen verliehen wurden. 1996 erhielt sie von Bill Clinton die Presidential Medal of Freedom, 1999 die Congressional Gold Medal, die höchste zivile Auszeichnung des Landes. Jetzt nach ihrem Tod erfuhr sie ebenfalls höchste Ehrungen. Selbst der gewiss alles andere als an Gewaltlosigkeit orientierte US-Präsident George W. Bush ließ es sich nicht nehmen, nun anlässlich ihres Todes Rosa Parks seinen Respekt zu erweisen. Das lässt befürchten, dass das Gedenken an Rosa Parks als das einer hochverehrten “Heldin” zu werden droht, die hoch oben auf den Sockel gestellt wird, sehr weit weg von uns “Normalsterblichen”.

Umso wichtiger ist es, die Zusammenhänge ihres außerordentlichen Handelns vor 50 Jahren zu beleuchten und für die Zukunft fruchtbar zu machen. Es ist anzunehmen, dass es wohl ganz im Sinne von Rosa Parks sein wird, wenn in den USA jetzt ein großes Bündnis von Organisationen, Gewerkschaften, Aktivistinnen und Aktivisten für den 50. Jahrestag ihrer Verhaftung zu einem landesweiten Streik aufruft. In Erinnerung und anknüpfend an die kraftvolle Bürgerrechtsbewegung, die aus dem Busboykott in Montgomery hervorgegangen ist, wird die sofortige Beendigung des Irak-Krieges gefordert. Am 1. Dezember 2005 sollen weder Schulen besucht noch gearbeitet oder eingekauft werden. Die Organisatoren hoffen auf einen Tag des landesweiten Protestes gegen Armut, Rassismus und Krieg.

Wie war das damals vor 50 Jahren in Montgomery: aus einem für einen Tag vorgesehenen Busboykott wurden 381 Tage…

Anmerkungen:

1 Siehe den Aufruf von Jo Ann Robinson im Anhang

2 Die nachfolgenden Ausführungen sind eng angelehnt an den Artikel Wer war Rosa Parks wirklich? von Paul Rogat Loeb.

3 Siehe z.B. Artikel und Links bei Amerikanische Bürgerrechtlerin Rosa Parks gestorben .


Anhang

Unmittelbar nach Parks Verhaftung am 1. Dezember 1955 löste beispielsweise Jo Ann Robinson vom Women’s Political Council eine Telefonkette aus und schrieb ein in Windeseile in der ganzen Stadt verbreitetes Flugblatt, in dem zu lesen war:

“Wieder ist eine schwarze Frau verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden, weil sie sich geweigert hat, im Bus aufzustehen und ihren Sitzplatz zu räumen, damit sich eine weiße Person hinsetzen kann. Nach dem Fall von Claudette Calvin ist es nun zum zweiten Mal geschehen, dass eine schwarze Frau für die gleiche Sache verhaftet wurde. Das muss aufhören. Auch Schwarze haben Rechte, und wenn sie nicht mit den Bussen fahren würden, dann würde der öffentliche Nahverkehr nicht mehr funktionieren. Drei Viertel der Fahrgäste sind Schwarze, aber wir sehen uns gezwungen, trotz freier Sitzplätze auf dem Gang zu stehen - oder wir setzen uns hin und müssen mit Verhaftung rechnen. Wenn wir nichts gegen diese Verhaftungen unternehmen, werden sie weiterhin geschehen. Schon beim nächsten Mal kannst du selbst, deine Tochter oder deine Mutter betroffen sein. Rosa Parks Fall wird am Montag vor Gericht verhandelt werden. Wir fordern deshalb alle Schwarzen dazu auf, gegen die Verhaftung und den Prozess zu protestieren, indem sie an diesem Tag keinen Bus benutzen. Fahrt an diesem Tag nicht mit dem Bus zur Arbeit, in die Stadt, zur Schule oder sonst wohin! Es ist kein Problem, einen Tag nicht zur Schule zu gehen, wenn der Bus die einzige Möglichkeit ist, dorthin zu gelangen. Es ist auch kein Problem, einen Tag nicht in die Stadt zu fahren. Wer zur Arbeit muss, sollte sich ein Taxi nehmen oder zu Fuß gehen. Aber bitte, Jung und Alt, fahrt am Montag auf keinem Fall mit dem Bus. Meidet alle Buslinien!”

(Kelley u. Lewis, “To Make Our World Anew: A History of African Americans”, Oxford/New York 2000, S. 461)


Weblinks:

  • US civil rights icon Parks dies . Anlässlich ihres Todes hat BBC ein kleines Forum für LeserInnen zu Fragen wie “Was bedeutet Rosa Parks’ Tod für Sie?”, “Was ist ihr Vermächtnis für Sie?” und “Wie wird man sich ihrer künftig erinnern?” eröffnet.

Veröffentlicht am

30. November 2005

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