Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS



Suche in www.lebenshaus-alb.de
 

Krieg gegen Flüchtlinge (III)

Die Bundesregierung bereitet die Anwendung militärischer Gewalt gegen Fluchthelfer im Mittelmeer vor. Dies berichten deutsche Medien. Demnach arbeiten Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium an einer parlamentarischen Beschlussvorlage, die die deutsche Kriegsmarine zu bewaffneten Aktionen gegen Schleuserboote im Rahmen der EU-Militäroperation EUNAVFOR MED ermächtigen soll. Das deutsche Vorgehen ist eng mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini abgestimmt, die in dieser Frage einen "breiten Konsens" zwischen den an EUNAVFOR MED beteiligten Staaten konstatiert; die notwendigen Beschlüsse sind in den vergangenen Tagen auf EU-Ebene gefällt worden. Entsprechend äußerte sich auch der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Europäischen Parlament, der Deutsche Manfred Weber (CSU). Weber fordert, "mit aller Härte" gegen "mafiöse Schlepperbanden" vor der libyschen Küste vorzugehen - unter Einsatz "militärischer Mittel". Bisher beschränkte sich die Bundesmarine auf die Zerstörung verlassener Flüchtlingsboote und die geheimdienstliche Vernehmung der Geflüchteten, die eingehend über Schleuseraktivitäten und Migrationsrouten befragt wurden. Dies soll sich nun ändern.

Auf alles vorbereitet

Wie deutsche Medien berichten, arbeiten Auswärtiges Amt und Bundesverteidigungsministerium an einer parlamentarischen Beschlussvorlage, mit der die deutsche Kriegsmarine zu bewaffneten Aktionen gegen Fluchthelfer im Mittelmeerraum ermächtigt werden soll. Ziel dieser "zweiten Phase" der EU-Militäroperation EUNAVFOR MED ("European Union Naval Force Mediterranean") sei es, vor der libyschen Küste "die Boote von Schleppern zu suchen, aufzubringen und zu beschlagnahmen", erklärt die Bundeswehr.Der Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer (EUNAVFOR MED). www.einsatz.bundeswehr.de 24.08.2015. Vorgesehen ist der Truppe zufolge darüber hinaus eine "dritte Phase", in der "alle notwendigen Maßnahmen gegen Boote und Einrichtungen ergriffen werden, die von Schleppern genutzt werden": "Das beinhaltet … ihre Beseitigung oder Zerstörung - auch auf fremdem Territorium."Leben retten, Schleuser bekämpfen: Neuer EU-Einsatz im Mittelmeer. www.bundeswehr.de 01.07.2015. Dabei rechnen die deutschen Streitkräfte offenbar mit Kampfhandlungen: "Wenn wir in Zukunft die Schleuser festnehmen wollen, müssen wir uns auf alles vorbereiten", sagte ein Bundeswehroffizier einem deutschen Nachrichtenportal.Bundeswehr-Beteiligung: Marineschiffe sollen Schlepper auf dem Mittelmeer jagen. www.spiegel.de 03.09.2015.

Breiter Konsens

Das deutsche Vorgehen, das auf eine weitere militärische Eskalation des Kampfes gegen Fluchthelfer im Mittelmeerraum zielt, ist eng mit der Außenbeauftragten der Europäischen Union, Federica Mogherini, abgestimmt. Im Anschluss an das am vergangenen Donnerstag zu Ende gegangene Treffen der EU-Verteidigungsminister ließ Mogherini verlauten, sie sehe unter den an EUNAVFOR MED beteiligten Staaten einen "breiten Konsens zur Notwendigkeit, Phase zwei zu starten"."Breiter Konsens" für Ausweitung von Anti-Schlepper-Einsatz der EU. www.zeit.de 03.09.2015. Ähnlich hatte sich zuvor Mogherinis Sprecherin Catherine Ray geäußert. Ray erklärte, der Befehlshaber von EUNAVFOR MED, der italienische Konteradmiral Enrico Credendino, habe "empfohlen, zur zweiten Phase der Operation überzugehen", und werde darin von der EU-Außenbeauftragten "unterstützt".EU will Schlepperboote zerstören. www.tagesschau.de 03.09.2015. Entsprechende Statements gaben am vergangenen Samstag die Außenminister der EU-Staaten bei einem Treffen in Luxemburg ab. Demnach sollen demnächst acht Kriegsschiffe im Mittelmeer eingesetzt werden, vier davon unweit der libyschen Seegrenze. Für den 16. September ist eine Truppenstellerkonferenz angekündigt.

Mit militärischen Mitteln

Für eine Ausweitung und Radikalisierung von EUNAVFOR MED setzt sich auch der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Europäischen Parlament, der Deutsche Manfred Weber (CSU), ein. Unter Anspielung auf die zur Zeit laufende erste Phase der Militäroperation, die das Ausforschen sogenannter Schleusernetzwerke vorsieht, erklärte Weber, die EU dürfe sich "im Mittelmeer nicht zu Tode beobachten", sondern müsse "endlich aktiv werden": "Wir müssen gegen diese mafiösen Schlepperbanden mit aller Härte vorgehen. Und das heißt auch: mit militärischen Mitteln."EU will Schlepperboote zerstören. www.tagesschau.de 03.09.2015. Analog hatte sich bereits im Mai der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, geäußert. "Ich unterstütze die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in ihrem Bemühen um ein robustes Mandat zur Bekämpfung von Schlepperbooten", sagte er der deutschen Presse.Bundeswehr versenkt Flüchtlingsboote. www.neues-deutschland.de 17.05.2015. Für Gewaltmaßnahmen gegen Fluchthelfer sprach sich zudem der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), aus: "Mit Resolutionen und Appellen lassen sich diese kriminellen Banden … nicht bekämpfen."Bundeswehr versenkt Flüchtlingsboote. www.neues-deutschland.de 17.05.2015.

Geheimdienstlich ausgeforscht

Laut der Bundesregierung gehört Deutschland zu den "größten Truppensteller(n)" bei EUNAVFOR MED, wie es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion heißt. Demnach hat die deutsche Kriegsmarine nicht nur die Fregatte "Schleswig-Holstein" und den Tender "Werra" ins Mittelmeer entsandt, sondern besetzt auch vier Dienstposten im "operativen Hauptquartier" in Rom und ist mit einem weiteren Soldaten im "taktischen Einsatzhauptquartier" auf dem italienischen Flugzeugträger "Cavour" vertreten. Die Aufgabe der Truppe besteht der deutschen Regierung zufolge in der "Überwachung und Beobachtung der Schleuseraktivitäten auf hoher See" mit dem Ziel, Informationen über "kriminellen Netzwerke" zu erheben. Dazu würden nicht zuletzt die von deutschen Kriegsschiffen an Bord genommenen Flüchtlinge durch Angehörige der "Feldnachrichtentruppe" über "Aufenthaltsorte und Transitwege" befragt, heißt es. In die Verhöre auf vermeintlich "freiwilliger Basis" sei auch der für Auslandsspionage zuständige Bundesnachrichtendienst (BND) involviert, der zu diesem Zweck eigens ein "Unterstützungselement Militärisches Nachrichtenwesen" eingerichtet habe, erklärt die Bundesregierung. Ihren Angaben zufolge werden die von den Flüchtlingen ermittelten Daten in ein nationales elektronisches "Führungs- und Informationssystem" eingespeist, zu dem ausschließlich "ausgewähltes Personal" Zugang hat. Weitere Auskünfte über geheimdienstliche Aktivitäten im Rahmen von EUNAVFOR MED wollte die deutsche Regierung nicht geben - mit Verweis auf das "Staatswohl".Deutscher Bundestag. Drucksache 18/5730. 06.08.2015.

"Schifffahrtshindernisse"

Einräumen musste die Bundesregierung indes, dass die deutsche Kriegsmarine bereits Flüchtlingsboote zerstört hat: "Seit Beginn der Operation EUNAVFOR MED wurden ein unbemannt treibendes, mutmaßlich durch Migranten genutztes Holzboot sowie zwei weitere Schlauchboote nach der Aufnahme von Schiffbrüchigen durch ein deutsches Schiff versenkt."Deutscher Bundestag. Drucksache 18/5730. 06.08.2015. Gegenüber der deutschen Presse rechtfertigte der für die Öffentlichkeitsarbeit der Truppe zuständige Fregattenkapitän Alexander Gottschalk das illegale Vorgehen: "Wir müssen die Boote zerstören, weil sie auf dem offenen Meer ein Schifffahrtshindernis für andere Boote darstellen. Zum anderen könnte es sein, dass wir ein leeres Boot aus der Luft irrtümlich als ein in Seenot befindliches Boot wahrnehmen und hinfahren, um es zu retten. … Daher lassen wir die Luft aus den Schlauchbooten und zünden sie an. Die selteneren Holzboote versenken wir auch."Die schwierige Rettungsmission im Mittelmeer. www.bild.de 16.05.2015. Der Kommandeur des deutschen Einsatzkontingents bei EUNAVFOR MED, Fregattenkapitän Marc Metzger, dürfte mit Zerstörungsmaßnahmen dieser Art bestens vertraut sein: Er war sowohl an "Anti-Terror-Operationen" als auch am Kampf gegen Piraten vor der Küste Somalias beteiligt.

Lehren aus der Piratenbekämpfung

Die Ernennung Metzgers folgt den Vorgaben des EU-Militärkomitees (European Union Military Committee/EUMC), das bereits frühzeitig die "Aktivierung" von Soldaten empfahl, die zuvor bei der EU-Operation "Atalanta" zur Bekämpfung von Piraten am Horn von Afrika eingesetzt waren. Entscheidend für den Erfolg von EUNAVFOR MED sei es, die "Lehren" aus "Atalanta" zu ziehen, hieß es. Gefordert wurde zudem eine "Informationsstrategie", die nicht die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot, sondern den Kampf gegen "Menschenschmuggler" in den Vordergrund rückt.European External Action Service: Military Advice on the "Draft Crisis Management Concept for a possible CSDP operation to disrupt human smuggling networks in the Southern Central Mediterranean". Brüssel 11.05.2015. Die Strategie scheint Erfolg zu haben: In der medialen Berichterstattung über die Flüchtlinge nicht nur im Mittelmeer ist zunehmend vom Kampf gegen "Menschenhändler" die Rede.

Mehr zum Thema:

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 07.09.2015.

Fußnoten

Veröffentlicht am

09. September 2015

Artikel ausdrucken