Entschieden gegen Kriegsdienstpflicht!Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 127, Dezt. 2025 Der gesamte Rundbrief Nr. 127 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 700 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren ) Liebe Freundinnen und Freunde!
Am 5. Dezember will der Bundestag ein neues "Wehrdienst-Modernisierungsgesetz" beschließen, das dann am 1. Januar 2026 in Kraft treten soll. Ab dann sollen alle jungen Männer und Frauen, die 18 Jahre alt werden, Post von der Bundeswehr bekommen. Das betrifft die Jahrgänge 2008 und jünger. Im Anschreiben sollen sie dazu aufgefordert werden, einen Fragebogen auszufüllen – für Frauen ist das freiwillig, für Männer verpflichtend. Darin wird zum Beispiel gefragt, ob man grundsätzlich Interesse am "Wehrdienst" hat, wie groß man ist, wie viel man wiegt, ob Erkrankungen vorliegen oder welchen Bildungsabschluss man hat. Ab 2027 sollen dann alle jungen Männer eines Jahrgangs ab dem Geburtsjahrgang 2008 mit 18 Jahren flächendeckend verpflichtend gemustert werden. Vorerst ist der neue Kriegsdienst freiwillig. Sollten sich nicht genug Männer freiwillig melden und es zu wenige Soldaten geben, dann kehrt die Kriegsdienstpflicht zurück. Letztlich soll also der Weg zum Kriegsdienstzwang geebnet werden. Zunächst will die Bundesregierung und der zuständige Militärminister Pistorius eine Vergrößerung der Truppen von derzeit rund 180.000 auf zunächst 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten und weiteren 200.000 Reservisten bis Mitte der 2030er-Jahre. "Russland rüstet sich für einen weiteren Krieg", behauptet Pistorius als Begründung, warum die Bundeswehr neu aufgestellt werden soll. Er glaube nicht, dass der Angriffskrieg gegen die Ukraine das Ende der russischen Expansionsabsichten bedeute. Der SPD-Politiker betont ebenfalls: "Es ist kein Alarmismus, um es deutlich zu sagen, wenn ich sage, unsere Art zu leben ist in Gefahr." Überzeugende Belege hierfür kann er nicht nennen. Und es ist ja auch Unsinn, denn was sollten denn "die Russen" in Deutschland wollen? Bei allem, was gegen Putin angeführt werden kann: verrückt ist er nicht! Entsprechend wird seitens der NATO die Lage durch ihren Generalsekretär Mark Rutte bei der jüngsten Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung des Militärbündnisses in Slowenien erklärt, die NATO sei Russland militärisch "unendlich überlegen", wirtschaftlich sei man 25-mal größer und die russische Luftwaffe könne nicht einmal ansatzweise mit der der NATO mithalten. Letztlich dienen also Behauptungen vom bevorstehenden russischen Angriff dem Aufbau des Feindbilds "Russland". Indem versucht wird, Angst zu erzeugen, wird erhofft, die Zustimmung der Bevölkerung für den Aufrüstungs- und Militarisierungskurs zu bekommen. Spricht etwas gegen "Wehrpflicht"?Wäre das überhaupt so schlimm, wenn eine "Wehrpflicht" wieder eingeführt würde? Es gab ja bereits ab 1956 eine "allgemeine Wehrpflicht" in der Bundesrepublik, bevor diese dann 2011 ausgesetzt wurde. Und in diesen Jahrzehnten entwickelte sich die Kriegsdienstverweigerung (KDV) zu einem Massenphänomen. In dem Artikel "Grundrecht Kriegsdienstverweigerung - Wiederbewaffnung - Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht - Kriegsdienstverweigerung in der Praxis" habe ich die Hintergründe zur "Wehrpflicht" und zur Kriegsdienstverweigerung in der Bundesrepublik Deutschland ausführlich dargestellt. Bekanntlich wurde in das 1949 verabschiedete Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als Artikel 4 Absatz 3 das bis heute gültige Grundrecht als Garantie aufgenommen: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Die Zahl der jungen Männer, die von ihrem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machten, blieb bis Mitte der 1960er-Jahre gering. Danach stiegen infolge der Studentenbewegung die Zahlen derjenigen zunächst sprunghaft an, die einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellten. In den 1980er-Jahren wurde die Kriegsdienstverweigerung dann in weiten Teilen der männlichen Jugend zur Normalität. Dabei war es Generationen von jungen Männern ziemlich schwergemacht worden, ihr Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4,3 GG in Anspruch zu nehmen. Es war von Anfang an ein Skandal, dass dieses Grundrecht nur auf Antrag und nach staatlicher Überprüfung verliehen oder verwehrt wurde. Dies erforderte von den Betroffenen eine mehr oder weniger gründliche Auseinandersetzung mit der Frage Krieg und Frieden. Und dies wiederum hatte Auswirkungen, die Stefan Philipp folgendermaßen auf den Punkt bringt: "Wer gegen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung war, der verweigerte als Mann auch den Kriegsdienst bei der Bundeswehr – und wer KDVer wurde, der war auch gegen die Stationierung der US-Atomraketen in der BRD. Eine solche Positionierung führte bei vielen zum Engagement in der Friedensbewegung und wirkte meinungsbildend im persönlichen Umfeld." ( Stefan Philipp: Kriegsdienstverweigerung wurde zur Normalität. Die Rolle von KDV in der Friedensbewegung der 1980er Jahre. ) Angesichts dieser letztlich durchaus positiven Auswirkung der Kriegsdienstverweigerung auf das Friedensengagement und die Friedensbewegung stellt sich die Frage, ob wir uns überhaupt gegen eine "Wehrpflicht" aussprechen sollen. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich kurz meine persönlichen Erfahrungen mit dieser Pflicht umreißen. Persönliche Erfahrungen mit der "Wehrpflicht"Wie nahezu jeder junge Mann war ich selbstverständlich von der "Allgemeinen Wehrpflicht" betroffen. Dieser "Pflicht" habe ich mich ziemlich gedankenlos gebeugt und so wurde ich 1972 zur Bundeswehr eingezogen, fünf Tage nach dem Abitur. Zu meiner Beruhigung hatte ich mir zuvor gesagt, das wird wohl nicht so ganz anders sein als meine Erfahrungen in meiner Zeit als Pfadfinder. Und zudem würde ich bei der Bundeswehr ziemlich ideale Trainingsbedingungen vorfinden, um meinem geliebten Laufsport nachgehen zu können. Was dann folgte, war eine harte, aber letztlich sehr lehrreiche Schule für mich. Bereits nach wenigen Stunden in der Kaserne in Oberbexbach im Saarland war mir instinktiv klar, dass ich da am völlig falschen Ort gelandet bin. Falsch wegen dem Umgang mit uns: so viele Kommandos brüllende Vorgesetzte, die uns anderen durch die Gegend scheuchten und schikanierten. Aber noch verkehrter: ich wurde für das Töten von Menschen trainiert. "Schieß dem bösen Russen mitten ins Gesicht!", sagte der Ausbilder auf dem Schießstand zu mir. Von daher war der Feind klar definiert, den ich "im Ernstfall" töten sollte. Damals war das auch schon "der Russe", auch wenn es offiziell kein Feindbild gab. Was ich zuvor als bewusste Entscheidung versäumt hatte, holte dann mein Körper nach: er verweigerte sich der Fortsetzung des Kriegsdienstes. Ich wurde krank, deshalb wurde klar, dass ich vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen werden würde. Doch so schnell ging das mit der Entlassung nicht. Und so musste ich mich noch dreieinhalb Monate, freigestellt von allen Diensten, in einer Kaserne in Koblenz aufhalten. Da ich dadurch sehr viel Zeit hatte, begann ich, Antikriegsromane zu lesen und mich mit der Frage zu beschäftigen, wie das geschehen konnte, in dieses Schlamassel hineingeraten zu sein. Das hat mich schließlich zum bewussten Kriegsdienstverweigerer gemacht. Und meine Kriegsdienstverweigerung verstehe ich bis heute als Verpflichtung, jedem Krieg und seiner Vorbereitung ganz grundsätzlich zu widerstehen (ausführlich in: "Mein langer (Um-)Weg zur Kriegsdienstverweigerung" auf der Website "Kriegsdienstverweigerer. Unsere Geschichten." ). Einen ähnlichen Weg über den Kriegsdienst zur Kriegsdienstverweigerung und in die Friedensbewegung sind übrigens noch viele andere Männer gegangen, die ich später kennengelernt habe. Was bedeutet das nun, dass ich sowohl aus eigener Erfahrung als auch aus der Beobachtung des Zeitgeschehens heraus weiß, dass sich die Kriegsdienstpflicht letztlich positiv auf die Haltung einzelner Menschen zugunsten eines Friedensengagements auswirken kann? Sollte ich deshalb eine solche Pflicht befürworten? Entschieden gegen Kriegsdienstpflicht!Meine Antwort darauf ist ein entschiedenes Nein. Als Kriegsdienstverweigerer und Pazifist ist mein Ziel die vollständige Abschaffung aller Armeen, eine völlige Entmilitarisierung, die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Einhaltung der Menschenrechte als Voraussetzung für die Beseitigung von Kriegsursachen. Deshalb spreche ich mich klar gegen die Wiedereinführung einer Kriegspflicht aus – unabhängig ob "mit Zwang" oder "ohne Zwang". Nein zur "Wehrerfassung"! Nein zur "Zwangsmusterung"! Nein zur Vergrößerung der Bundeswehr! Nein zu jeder Kriegsvorbereitung. Nein zu allen Arten von Zwangsdiensten! Begrüßen würde ich, wenn alle jungen, volljährig gewordenen Menschen über Möglichkeiten eines Freiwilligendienstes im In- und Ausland informiert werden würden. Wünschenswert wäre eine "Kultur selbstverständlicher Freiwilligkeit" (AGDF und EAK). Vor allem "müsste viel mehr dafür getan werden, dass unsere Gesellschaft gewaltfreie Konzepte zur Lösung von Konflikten an die Hand bekommt – und nicht darüber geredet werden, wie man mit Aggressivität und vielen Waffen weitere Gewaltanwendungen abhalten kann." (DFG-VK Baden-Württemberg) "Das klingt jetzt brutal, ich weiß: Aber nach Berechnungen der Bundeswehr werden im Kriegsfall pro Tag 1000 Soldaten an der Front sterben oder so schwer verwundet sein, dass sie nicht mehr kämpfen können. Die müssen ersetzt werden, und zwar auch maßgeblich durch Reservistinnen und Reservisten." So unverblümt brutal drückte Patrick Sensburg, Präsident des Deutschen Reservistenverbandes, am 22. Oktober 2025 in Spiegel-Online aus, was die Militärs erwarten. Junge Menschen, die 2008 und später geboren wurden, sollten sich ernsthaft klar machen, dass der Mann sie meint. Und so hoffe ich mit Martin Singe, "dass sich bereits angesichts der Fragebogenaktion zur Kriegstüchtigkeit viele Jugendliche und junge Männer Gedanken über die Sinnhaftigkeit bzw. Sinnlosigkeit mörderischen Handelns im Krieg machen und einer eigenen fundierten Gewissensentscheidung gegen jeden Kriegsdienst mit der Waffe gelangen!". Gleichzeitig ist für mich klar, dass wir Älteren den betroffenen Jugendlichen dabei zur Seite stehen, sofern sie das wünschen. Mit guten Wünschen und besten Grüßen Euer / Ihr Hilfreiche Infos zur "Wehrpflicht"
Bitte um finanzielle Unterstützung1993 haben wir unseren Verein gegründet, um damit für eine weltweite friedliche, soziale gerechte und umweltverträgliche Entwicklung einzutreten. Wir sind heute wie zu Beginn unserer Vereinsgeschichte der Überzeugung, dass diese Ziele gefördert werden müssen. Seit 32 Jahren tragen wir unseren Teil dazu bei. Gerne möchten wir unsere Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie so engagiert wie bisher fortsetzen können – wenngleich in teilweise abgewandelter Form. Damit uns das gelingt, bitten wir um Unterstützung unseres Engagements - gerne mit einer Einzelspende oder gar einer regelmäßigen Spende oder einer Fördermitgliedschaft. Herzlich bedanken wollen wir uns bei allen, die unsere Arbeit unterstützen! Mehr zu unseren Aktivitäten findet sich z.B. im Über uns: Lebenshaus Schwäbische Alb Bei “Transparenz TV” aus Berlin: Das Lebenshaus Schwäbische Alb - Video aus der Sendereihe "Friedensfragen mit Clemens Ronnefeldt" "Kriegsdienstverweigerer. Unsere Geschichten" Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" und Möglichkeiten der Unterstützung . Spendenkonto Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. ist durch das Finanzamt Sigmaringen als gemeinnützig und mildtätig anerkannt (aktueller Bescheid vom 11.09.2024). Spenden und Mitgliedsbeiträge sind daher steuerabzugsfähig. Ab 25 € werden automatisch Spendenbescheinigungen zugestellt, für niedrigere Beträge auf Anforderung (bitte bei Erstspenden Anschrift wegen Spendenbescheinigung angeben). Kontaktaufnahme Wer Kontakt mit uns aufnehmen möchte, kann dies tun über Telefon (neu: 07153-4066413), Brief (neu: Teckstr. 59, 73207 Plochingen) oder E-Mail (info@lebenshaus-alb.de). Um Info-Materialien anzufordern bzw. für den Antrag auf Fördermitgliedschaft, für die Ausstellung einer Einzugsermächtigung und Weiteres kann die PDF-Datei Rückantwort-Formular ausgedruckt und ausgefüllt an uns zurückgesandt werden. Wer speziell den Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" fördern möchte, kann dieses Formular verwenden Antwortformular Solidarfonds (PDF-Datei) FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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