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Forderungen nach einer Flugverbotszone: Falsch und gefährlich

Präsident Selenskis Drängen nach einer Flugverbotszone ist verständlich. Doch dann würde ein Krieg zwischen Atommächten drohen.

Von Andreas Zumach - Kommentar

Selenskis Appell nach einer Flugverbotszone ist verständlich. Über Putins Angriffskrieg mit all seinen jetzt schon verheerenden Folgen herrschen tiefe Verzweiflung und Ohnmacht. Daher sind die Forderungen von Präsident Selenski und aus der ukrainischen Zivilgesellschaft, die Nato solle eine Flugverbotszone einrichten , um den Beschuss des Landes durch die russischen Luftstreitkräfte zu beenden, nachvollziehbar.

Dennoch wäre es falsch, weil hochgefährlich, diesen Forderungen nachzugeben. Bei den drei seit Ende des Kalten Krieges verhängten und jeweils von den USA und diversen Nato-Verbündeten durchgesetzten Flugverbotszonen über Nordirak (1991), Bosnien (1992) und Libyen (2011) waren die Gegner militärisch schwach und hatten keine Atomwaffen.

Bei einer von der Nato verhängten Zone mit einem Flugverbot für russische Kampfflugzeuge droht hingegen ein Krieg zwischen den beiden Mächten, die jeweils über rund 45 Prozent der weltweiten Atomwaffenarsenale verfügen. Selenski bestritt dieses Risiko mit dem Vorwurf, die Nato-Länder hätten "selbst die Erzählung geschaffen, dass eine Schließung des Himmels über der Ukraine eine direkte russische Aggression gegen die Nato provozieren würde".

Doch die Option, das Risiko eines dritten Weltkrieges unter Einsatz von Atomwaffen einmal auszutesten, gibt es möglicherweise nur einmal. Und dann nie mehr. Manche ukrainischen BefürworterInnen einer Flugverbotszone argumentieren, der dritte Weltkrieg habe mit dem Angriff auf ihr Land doch schon begonnen. Wenn die Nato Putin jetzt nicht stoppe, werde dieser nach einer Zerstörung der Ukraine gegen die baltischen Staaten und dann gegen die EU und die Nato selbst vorgehen, um die Weltordnung zu verändern.

Fatalistische Prognose

Dieser fatalistischen Prognose ist zu widersprechen. Schon jetzt mehren sich die Anzeichen, dass der Ukrainekrieg der Anfang vom Ende der Ära Putin ist. Die von Putin offensichtlich nicht erwarteten Schwierigkeiten beim Vormarsch seiner Bodentruppen, die mutigen und wachsenden Proteste gegen den Krieg in der russischen Zivilgesellschaft , die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen, Russlands Isolation in der UNO - all diese Faktoren erodieren schon jetzt die Autorität und Macht des russischen Präsidenten. Diese Erosion wird zunehmen. Russland wird die Ukraine selbst nach einem etwaigen militärischen Sieg nie unter dauerhafte Kontrolle bekommen.

Doch wann führt diese Erosion zu Rissen und Interessenkonflikten in Putins Machtgefüge, die dann auch positive Auswirkungen hätten? Gibt es Oligarchen , die - und sei es nur, um ihre eigenen Privilegien zu retten - Putin durch eine andere Person ersetzen werden, die den Krieg dann beendet? Befinden sich in der militärischen Führung besonnene Männer, die Putin am Einsatz von Atomwaffen hindern würden, so wie US-Generäle das vor sechs Jahren nach den nuklearen Drohungen von Präsident Trump gegen Nordkorea öffentlich angekündigt hatten?

Dass entsprechende Hoffnungen die aktuell herrschende tiefe Verzweiflung und Ohnmacht kaum schmälern können, ist mir klar.

Andreas Zumach. Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz, Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere: UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan… BÜCHER: Reform oder Blockade - welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos - Machtlose UNO - ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak -Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis, 2004: Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg, 1997: Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps"; geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

Quelle: taz - 06.03.2022. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

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Veröffentlicht am

07. März 2022

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