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Jemen: Ungleiche Gegner

Die veränderte Außenpolitik in Washington lässt die Hoffnung auf Frieden gedeihen. Aber die "Koalition der Willigen" zerfällt

Von Sabine Kebir

Nach sechs Jahren Krieg sind im Jemen 250.000 Tote und 28,5 Millionen Binnenvertriebene zu beklagen. Alle zehn Minuten stirbt ein Vorschulkind an Unterernährung. Dieses Leid haben nicht zuletzt die vor sechs Jahren begonnenen Bombardierungen durch eine von Saudi-Arabien geführte "Koalition der Willigen" angerichtet. Kriegsentscheidend sind derartige Luftangriffe freilich nur, falls ihnen genügend Bodentruppen folgen, wie man spätestens seit dem Vietnamkrieg (1965 – 1975) weiß.

Gegen die Huthis im Jemen kämpft indes nur die offenkundig wenig motivierte Armee einer Regierung im Exil, der es an Rückhalt fehlt. Gerade verliert diese Streitmacht die ölreiche Zentralprovinz Marib. Deren gleichnamige Hauptstadt, in der das Oberkommando der Regierungsarmee lag, soll bereits von den Huthis eingenommen worden sein. Prompt attackieren die Saudis aus der Luft, obwohl sich rings um Marib zwei Millionen Flüchtlinge aufhalten.

Die Antwort der Huthis besteht in Aufklärungsdrohnen und mit Sprengstoff bestückten Flugkörpern, die Ziele bis zu tausend Kilometer hinter der saudischen Grenze treffen können, darunter Förderanlagen für Erdöl. Gegen die tieffliegenden Aggregate hat sich das Patriot-Abwehrsystem der Verteidiger als wenig effizient erwiesen. Soweit Drohnen abgefangen wurden, war darauf der Schriftzug "Made in Jemen" zu finden. Dass sich die aufständischen Huthis so lange und so wirksam gegen den übermächtigen Nachbarn behaupten können, wird dem massiven Engagement des Iran zugeschrieben.

Da es keinerlei Landverbindung zwischen beiden Staaten gibt und die Küsten des Jemen von der Anti-Huthi-Koalition, vor allem der US-Flotte, abgeriegelt sind, ist es schwer vorstellbar, dass die Hilfe des Iran bedeutender sein könnte als der militärische Beistand, den die USA Riad bislang leisten. Ähnlich wie bei den Raketen, mit denen die Hisbollah im Libanon Israel bedroht, erfolgt der Bau der jemenitischen Drohnen durch einen Wissenstransfer, der eine asymmetrische Kriegsführung ermöglicht. Um der gewachsen zu sein, bekamen die Saudis noch unter Präsident Trump Waffen in jeder gewünschten Art und Menge geliefert. Zudem waren die USA auf saudischem Territorium lange vor dem Konflikt im Jemen präsent. Sie könnten dort jedwede logistische Hilfe leisten.

In dieser Präsenz könnte der Schlüssel zum Verständnis von Joe Bidens Entschluss liegen, den Waffentransfer an Riad einzustellen und Prinz Mohammed bin Salman aufzufordern, einen durch ihn angezettelten Krieg zu beenden, der nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Sicher wäre der Biden-Regierung ein Jemen unter saudischer Kontrolle lieber, aber die Position der USA in diesem Land scheint nicht davon abhängig zu sein. Was womöglich auf einem geheimen Abkommen mit den Huthis beruht.

Der jüngste Vorschlag aus Riad, eine Waffenruhe auszuhandeln und die Blockade des Hafens von Hodeida aufzugeben, sodass dringend benötigte humanitäre Hilfe die Zivilbevölkerung erreicht, dürfte aus der veränderten Jemen-Politik in Washington resultieren. Die Huthis zögern noch, darauf einzugehen und eine Feuerpause anzunehmen. Aber die "Koalition der Willigen" zerfällt. Ägypten hat sich längst von ihr losgesagt. Inzwischen ziehen sich auch die Vereinigten Emirate zurück. Indirekt bedrohen die Drohnen der Huthis auch das dort errichtete erste Atomkraftwerk der arabischen Welt.

Quelle: der FREITAG vom 02.04.2021. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

06. April 2021

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