Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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75 Jahre Hiroshima und Nagasaki - Michael Schmid: “Wichtig wäre, dass sich Deutschland endlich für ein Verbot der grausamsten Waffe der Welt einsetzt…”

Rund 40 Menschen nahmen am 6. August 2020 an einer Mahnwache mit dem Titel "75 Jahre Hiroshima und Nagasaki mahnen - Beitritt zum UN-Atomwaffenverbot jetzt!" in Gammertingen teil. Organisiert wurde die Veranstaltung von Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Auf dem Programm stand ein Redebeitrag von Michael Schmid, der unterbrochen wurde durch musikalische Beiträge von Gabi Lang und Bernd Geisler sowie einem Brief von Setsuko Thurlow, einer Überlebenden des Atombombenangriffs auf Hiroshima, den Katrin Warnatzsch vorlas. Anschließend rezitierte Asghar Khosnavaz ein Gedicht von Nazim Hikmet. Nachfolgend das Redemanuskript von Michael Schmid und der Brief von Setsuko Thurlow. 

Von Michael Schmid

Am 6. August 1945 warf die US-amerikanische Luftwaffe eine Atombombe über Hiroshima ab. Um 8:15 Uhr klinkte in rund 9000 Metern über dem Stadtzentrum ein B-29-Bomber der US-Luftwaffe eine Atombombe aus, die völlig verniedlichend "Little Boy" getauft worden war. Während die Bombe auf die Erde zuraste, drehte die Maschine scharf ab und beschleunigte, um der Todeszone zu entkommen. In einer Höhe von 580 Metern detonierte "Little Boy".

Drei Tage später wiederholte sich dieser Vorgang mit einem weiteren Atombombenabwurf auf Nagasaki.

Die Besatzungen der Bomberflugzeuge waren fasziniert und begeistert von dem Schauspiel, das sich vor ihren Augen bot. Nach ihrer Rückkehr von ihrer Mission wurden sie ebenso begeistert empfangen. Es gab, um ihre angebliche Heldentat zu feiern, dann eine große Freibierparty mit heißer Musik und Sonderfilmvorführung.

In den Jahren davor hatten die USA gewaltige Anstrengungen zur Entwicklung einer Atombombe unternommen - vor allem aus Sorge, Nazi-Deutschland könnte eine solche zuerst in die Hände bekommen. Doch dann war, noch bevor eine Seite eine Atombombe zur Verfügung hatte, Deutschland im Frühjahr 1945 besiegt und kapitulierte am 8. Mai 1945.

Die USA stellten daraufhin das Atombombenprojekt aber nicht ein. Und am 17. Juli 1945 gelang es der US-Armee, in der Wüste von New Mexico einen ersten erfolgreichen Atomtest durchzuführen. Danach befahl US-Präsident Truman, die beiden Atombomben auf japanische Städte abzuwerfen.

Truman behauptete später: "Die Bombe hat den Zweiten Weltkrieg verkürzt und damit Tausenden jungen Amerikanern das Leben gerettet." Doch dies entspricht nicht der Wahrheit. Japan war zu diesem Zeitpunkt schon geschlagen und bereit, sich zu ergeben. Für den Atomwaffeneinsatz gab es andere Faktoren.

So sollte die gerade neu entwickelte Atomwaffe auch eingesetzt werden, u.a. wegen dem Druck, die gewaltigen Kosten des Unternehmens zu rechtfertigen. Mit nüchterner Kälte stellte Truman fest: "Nachdem wir die Bombe gefunden haben, haben wir sie auch eingesetzt".

Die Wirkung der Atombomben sollte im Großmaßstab und am lebenden Objekt erforscht werden. Das unendliche menschliche Leid, das durch die Bombenabwürfe verursacht wurde, war beabsichtigt! Vorschläge, die Bombe auf rein militärische Anlagen oder unbewohntes Gebiet abzuwerfen, um ihre Wirkung zu demonstrieren, wurden ausgeschlagen. An den Überlebenden wurden durch eine amerikanische Untersuchungskommission jahrelang demütigende Tests durchgeführt, um die Folgen der Strahlungen auf den Menschen zu untersuchen, aber diesen Menschen wurde keine medizinische Hilfe geleistet.

Ein weiterer Faktor für den Atombombeneinsatz war auch, dass die USA durch den Einsatz und die Wirkung der Atombombe Stärke gegenüber der Führung der Sowjetunion demonstrieren konnten. Es ging zu diesem Zeitpunkt bereits darum, sowjetische Macht nach dem Zweiten Weltkrieg einzudämmen.

Was aus militärischer und machtpolitischer Sicht in den USA als großer Erfolg gefeiert wurde, stellte sich für die Menschen in den Städten Hiroshima und Nagasaki völlig anders dar. Durch die Atombombenangriffe wurden beide Städte innerhalb weniger Sekunden zu Wüsten des Todes. Zehntausende Menschen waren sofort tot oder starben in den Wochen danach.

Als Folge der ungeheuren Explosion und der Hitzewellen von mehreren tausend Grad sind die Menschen verbrannt, verdampft, verkohlt. In Hiroshima sind bis Ende 1945 ca. 140.000 Menschen an den Folgen der Atombombenexplosion gestorben. Durch die zweite Atombombe über Nagasaki wurde bis Ende 1945 das Leben von mindestens 70.000 Menschen ausgelöscht.

Und jene Menschen, welche die Abwürfe überlebten, waren dem Tod noch längst nicht entkommen. Die radioaktive Strahlung brachte ihnen die "Atomkrankheit". Die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, als Hibakusha bekannt, waren auf Jahrzehnte von schweren Erkrankungen, genetischen Fehlentwicklungen bei ihren Nachkommen und seelischen Schmerzen gezeichnet. Die Zahl der an den Spätfolgen von Strahlenerkrankungen Gestorbenen wird auf mehrere hunderttausend Menschen beziffert. Und auch heute sterben jedes Jahr noch tausende Menschen an den Folgen atomarer Verstrahlung aus dem Jahr 1945. In Japan gibt es noch ungefähr 137.000 Überlebende der Atombombenangriffe. Weitere 2.887 Hibakusha leben außerhalb des Landes.

Hiroshima und Nagasaki waren die Hölle auf Erden. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ein regelrechter Vernichtungsfeldzug, ein Massenmord mit Hunderttausenden Opfern ohne Ende bis heute.

Jedes Opfer dieser schlimmen Kriegsverbrechen hatte einen Namen. Jedes Opfer wurde von jemandem geliebt. Wir lassen in zwei kurzen Zitaten Setsuko Thurlow zu uns sprechen, über das, was sie als 13-jähriges Schulmädchen am 6. August 1945 in Hiroshima erlebte. Unter den verbrannten, verdampften, verkohlten Menschen waren Mitglieder ihrer eigenen Familie und 351 ihrer Mitschüler*innen.

Katrin Warnatzsch zitiert Setsuko Thurlow:

"Ich war gerade einmal 13 Jahre alt, als die Vereinigten Staaten die erste Atombombe über meiner Heimatstadt Hiroshima abwarfen. Dieser Morgen ist mir eindringlich im Gedächtnis geblieben. Um 8:15 Uhr sah ich vom Fenster aus einen blendenden, bläulich-weißen Blitz. Ich erinnere mich daran, dass ich das Gefühl hatte, in der Luft zu schweben.

Als ich in der Stille und Dunkelheit das Bewusstsein wiedererlangte, fand ich mich eingeklemmt zwischen eingestürzten Gebäudeteilen. Ich hörte die schwachen Schreie meiner Mitschüler: ‘Mutter, hilf mir, Gott hilf mir.’

Dann fühlte ich plötzlich, wie mich Hände an der linken Schulter berührten und ich hörte einen Mann sagen: ‘Gib nicht auf! Kämpf weiter! Ich versuche dich zu befreien. Siehst du das Licht, das durch diese Öffnung scheint? Kriech dorthin, so schnell du kannst.’ Als ich draußen war, standen die Ruinen in Flammen. Die meisten meiner Mitschüler verbrannten bei lebendigem Leib in diesem Gebäude. Um mich herum sah ich eine heillose, unvorstellbare Verwüstung.

Prozessionen gespenstischer Gestalten zogen vorüber. Grausam verwundete Menschen, sie bluteten, sie waren verbrannt, geschwärzt und geschwollen. Teile ihrer Körper fehlten. Das Fleisch und die Haut hing ihnen von den Knochen. Einige hielten ihre Augäpfel in den Händen. Einige hatten aufgeborstene Bäuche und ihre Eingeweide hingen heraus. Der schreckliche Geruch verbrannten Fleisches hing in der Luft. So wurde meine geliebte Stadt mit einer einzigen Bombe ausgelöscht."

(Schweigen wir für die Opfer dieser Verbrechen durch die Atombombenabwürfe der Vereinigten Staaten von Amerika auf Hiroshima und Nagasaki)

Michael Schmid: Setsuko Thurlow, die wir vor dem Schweigen kurz gehört haben, hat zum Glück das Atombombenverbrechen überlebt und ist heute 88 Jahre alt. Und trotz ihres Alters engagiert sie sich bis heute mit aller Kraft für eine vollständige Abschaffung aller Atomwaffen. Es gibt eine Aktion, in der man zusammen mit anderen Menschen eine Verpflichtung eingeht, gemeinsam mit den Hibakusha für das Verbot und die Beseitigung von Atomwaffen zu kämpfen. siehe:  https://rise.icanw.org/ . Katrin Warnatzsch hat diese Verpflichtung wie bisher 1242 andere Menschen unterschrieben und daraufhin einen Brief von Setsuko Thurlow erhalten, den sie uns jetzt vorlesen wird.

Katrin Warnatzsch liest einen Brief von Setsuko Thurlow:

"Liebe Katrin -

Mein Name ist Setsuko Thurlow, und ich spreche als Mitglied der Familie der Hibakusha - jenen von uns, die durch einen wundersamen Zufall die Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki überlebt haben. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich zusammen mit 1242 Menschen verpflichtet haben, sich uns im Kampf für das Verbot und die Beseitigung von Atomwaffen anzuschließen.

Seit 75 Jahren setzen wir uns für die vollständige Abschaffung von Atomwaffen ein.

Als 13-jährige Schülerin wurde ich Zeugin, wie meine Stadt Hiroshima durch den Blitz geblendet, von der hurrikanartigen Explosion verwüstet, in der Hitze von 4000 Grad Celsius verbrannt und durch die Strahlung einer Atombombe verseucht wurde. Ein heller Sommermorgen verwandelte sich in eine dunkle Dämmerung mit Rauch und Staub, der in der Pilzwolke aufstieg, mit toten und verletzten Menschen, die den Boden bedeckten, verzweifelt um Wasser bettelten und keinerlei medizinische Versorgung erhielten. Der sich ausbreitende Feuersturm und der üble Gestank von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft.

Innerhalb dieses einzigen Lichtblitzes wurde mein geliebtes Hiroshima zu einem Ort der Verwüstung, mit Trümmerhaufen, Skeletten und geschwärzten Leichen überall. Von einer Bevölkerung von 360.000 Menschen - größtenteils nicht aktiv am Krieg teilnehmende Frauen, Kinder und ältere Menschen - wurden die meisten Opfer des wahllosen Massakers des Atombombenangriffs. Heute, 75 Jahre später, sterben immer noch Menschen an den verzögerten Auswirkungen einer Atombombe, die nach heutigem Standard für Massenvernichtung als einfach und klein anzusehen ist.

Da der 75. Jahrestag der Bombenanschläge von Hiroshima und Nagasaki näher rückt, ist es an der Zeit, unsere Partnerschaften zu festigen, um eine atomare Abrüstung zu erreichen, denn glauben Sie mir: Die Mehrheit der Weltbevölkerung möchte in einer Welt ohne Atomwaffen leben. Und die Mehrheit will auch in einer Welt leben, in der die Menschenrechte aller Menschen geachtet werden, wie wir jetzt überall auf der Welt sehen können, wenn sich die Bürger gegen den systemverhafteten Rassismus erheben. Hibakusha verstehen den Stachel der Diskriminierung nur allzu gut. Wir schließen uns überall mit friedlichen Menschen zusammen und fordern Veränderungen.

Die Annahme des Vertrags über das Verbot von Atomwaffen durch 122 UN-Mitgliedsstaaten war ein Moment großer Freude und leitete den Beginn vom Ende der schrecklichsten Waffen ein, die je hergestellt wurden. Mit jedem Staat, der diesen außerordentlichen Vertrag unterzeichnet und ratifiziert, kommen wir unserem Ziel näher, dass dies zur Realität wird. Fünfundsiebzig Jahre nach diesem großen Verbrechen gegen die Menschlichkeit können wir den Schimmer einer neuen Morgendämmerung sehen - einer Ära des Friedens, die auf Stabilität beruht, auf Menschenrechten, humanitärem Recht und durch Zusammenarbeit gesichert wird und nicht durch die Androhung einer weltweiten Vernichtung. Erheben Sie mit mir und allen Hibakusha ihre Stimme, die jetzt erklären, es ist an der Zeit, dass alle Nationen dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten - um die Dunkelheit dieser Ära zu beenden und den Sonnenaufgang an einem neuen Tag durch die Kraft des Gesetzes und den Willen des Volkes zu begrüßen. Wir haben jetzt die Gelegenheit, den Vertrag in Kraft zu setzen. Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Finanzierung von nuklearer Gewalt zu beenden und stattdessen menschliche Bedürfnisse zu finanzieren. Wir haben jetzt die Gelegenheit, das Leben künftiger Generationen nicht länger zu riskieren.

Ich danke Ihnen, dass Sie aktiv geworden sind und sich entschieden haben, mit uns zusammenzuarbeiten, um diesen Traum zu verwirklichen.

Setsuko Thurlow"

Michael Schmid: Mit den Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki vor genau 75 Jahren ist die ganze Menschheit in ein neues Zeitalter eingetreten. Seit dem 6. August 1945 lebt die Menschheit auf Abruf. Oder wie es der Philosoph Günther Anders ausgedrückt hat: In Hiroshima begann ein neues Zeitalter, "in dem wir in jedem Augenblick jeden Ort, nein, unsere Erde als ganze in ein Hiroshima verwandeln können." Das also ist das einzigartig Neue an der Atombombe: die Menschheit konnte und kann sich damit in ihrer eigenen Existenz auslöschen!

Daraus wurde bekanntlich nicht die Konsequenz gezogen, diese Massenvernichtungswaffe weltweit zu ächten. Im Gegenteil: Ein wahnsinniges Wettrüsten führte dazu, dass das weltweite Atomwaffenarsenal zu Hochzeiten des Kalten Krieges rund 70.000 Atomsprengköpfe umfasste.

Auch hier in unserer unmittelbaren Umgebung hatten wir Atomraketen. Auf der Haid bei Großengstingen, 13 km Luftlinie von hier, gab es 6 Atomsprengköpfe, die durch die Bundeswehr mit Lance-Kurzstreckenraketen hätte verschossen werden sollen. Damit hätte ein vielfaches Hiroshima erzeugt werden können. Die Atomsprengköpfe waren dort bis Ende 1991. Noch näher zu Gammertingen liegt Inneringen - 8 km Luftlinie. Dort befand sich eine Alarmstellung der US-Armee mit Pershing-IA-Atomraketen. Alarmstellung hat bedeutet, dass dort im Normalfall 9 Atomraketen waren, die in kürzester Zeit hätten abgeschossen werden können. Im Sommer 1983 räumte die US-Armee ihre Stellung in Inneringen. Manche werden sich an diese atomaren Stellungen erinnern, manche haben in den 1980er Jahren auch an den Protestaktionen gegen diese Atomwaffen teilgenommen.

Als Weltgemeinschaft standen wir mehr als einmal vor der völligen Zerstörung. Ob aus Absicht, durch einen Unfall oder durch Fehlalarme - der Einsatz von Atomwaffen stand auch nach 1945 öfter unmittelbar bevor.

Und wir können heute nur froh und dankbar sein, dass es nach den Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki nie mehr zu einem Atombombeneinsatz gekommen ist! Wie hoch gefährlich die angebliche "Sicherheitspolitik" war - und heute noch ist -, bezeugt zum Beispiel der ehemalige amerikanische General Lee Butler. Butler war von 1991 bis 1994 Oberbefehlshaber der US-Nuklearstreitkräfte, damit auch drei Jahre lang oberster und erster Kernwaffenberater des US-Präsidenten und verantwortlich für die nukleare Kriegsplanung der USA. General Butler zog folgendes Fazit:

"Am Ende einer drei Jahrzehnte dauernden Reise verstand ich endlich die Wahrheit, die mich jetzt als Außenseiter, als Spielverderber erscheinen lässt. Sie lautet, wir sind im Kalten Krieg dem atomaren Holocaust nur durch eine Mischung von Sachverstand, Glück und göttlicher Fügung entgangen, und ich befürchte, das letztere hatte den größten Anteil daran."

1987 wurde dann der INF-Vertrag unterzeichnet. Durch diesen Vertrag und weitere Verträge wurden in den späteren 1980er Jahren und Anfang der 90er Jahre zigtausende Atomwaffen vernichtet. Dass es zu dieser Abrüstung kam, dafür war die Friedensbewegung in der Bundesrepublik und in anderen Staaten ein wichtiger Faktor. Danach trat eine gewisse Entspannung ein und vor rund 30 Jahren wurde der Kalte Krieg beendet. Das war aber nicht gleichbedeutend mit völliger atomarer Abrüstung. Im Gegenteil. Aktuell schätzt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, dass die Atomwaffenstaaten rund 13.400 Atomwaffen besitzen.

Es ist aber nicht nur die pure Zahl an Atomsprengköpfen, zusätzlich gefährlich wird die Weltlage durch massive Anstrengungen insbesondere der atomaren Supermächte USA und Russland, ihre Atomwaffen mit Milliardenbeträgen zu modernisieren. Modernisieren bedeutet hier, sie tauglicher für einen tatsächlichen Kriegseinsatz zu machen. Dadurch wird aber die Gefahr eines Atomkrieges erheblich erhöht. Gefährlich ist es auch, weil der INF-Vertrag aufgekündigt wurde, zunächst von Trump, dann von Putin. Und in den vergangenen Jahren wurde wieder ein Kalter Krieg begonnen.

Auch in Deutschland gibt es noch Atomwaffen. In Büchel in Rheinland-Pfalz lagern rund 20 Atomsprengköpfe der US-Armee. Diese Atombomben sollen durch Tornado-Flugzeuge der Bundeswehr transportiert und abgeworfen werden. "Nukleare Teilhabe" nennt sich das. Jetzt planen die USA, diese Atomsprengköpfe ebenfalls zu erneuern. Und Frau Kramp-Karrenbauer, zuständig in der Bundesregierung in Sachen Verteidigung und Krieg, will neue Trägerflugzeuge für die US-Atombomben in Büchel anschaffen. Damit würde die "nukleare Teilhabe" der Bundesrepublik für die kommenden Jahrzehnte festgeschrieben.

Vor ein paar Monaten wurde die Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor 12 gestellt!  Dieses weltweite Projekt von renommierten Wissenschaftler*innen warnt: Wir sind so kurz vor Mitternacht und dem Weltuntergang so nah wie noch nie zuvor. Also eine äußerst dramatische Einschätzung unserer heutigen Weltlage. Die Ursachen für diese für die gesamte Menschheit bedrohliche Situation sind Atomwaffen und Klimaerhitzung. Höchste Zeit also, sich für ein Ende der atomaren Abschreckung einzusetzen und die Klimakatastrophe zu stoppen.

Gibt es auch etwas, was in dieser Situation Hoffnung machen könnte?

Am 7. Juli 2017 beschlossen 122 Staaten in den Vereinten Nationen einen Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen - er verbietet unter anderem Besitz, Stationierung, Einsatz und Herstellung von Atomwaffen. Die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow hat in ihrem Brief, den wir vorher gehört haben, bereits von diesem Atomwaffenverbotsvertrag gesprochen und der Freude, die sie und andere Hibakusha darüber empfinden. Dieser Atomwaffenverbotsvertrag wird dann völkerrechtsverbindlich in Kraft treten, sobald ihn 50 Staaten ratifiziert haben. Bis heute lagen 40 Ratifizierungen vor. Am heutigen Hiroshima-Gedenktag gibt es ein besonders erfreuliches Ereignis. Vor wenigen Stunden haben Irland, Nigeria und der Pazifikstaat Niue bekannt gegeben, dass sie den Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren. Damit fehlen noch sieben Staaten, bis der Vertrag in Kraft tritt.

Die deutsche Bundesregierung hat übrigens - wie nahezu alle NATO-Staaten - bereits die Verhandlungen zum Verbotsvertrag boykottiert. Wichtig wäre aber, dass sich Deutschland endlich auch für ein Verbot der grausamsten Waffe der Welt einsetzt, anstatt die Atommächte und ihre Abschreckungspolitik zu stützen. Deshalb muss die Zivilgesellschaft Druck auf die Bundesregierung machen, damit sie diesen Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und ratifiziert.

Diesen Atomwaffenverbotsvertrag hätte es ohne Druck aus der Zivilgesellschaft kaum gegeben. Die Internationale Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) hat hier eine ganz wichtige Rolle gespielt. Und für ihr Engagement für den Atomwaffenverbotsvertrag erhielt ICAN den Friedensnobelpreis 2017. In der Begründung des Nobelpreiskomitees heißt es: "Die Organisation erhält die Auszeichnung für ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen jeglichen Einsatzes von Atomwaffen zu lenken und für ihre bahnbrechenden Bemühungen um ein vertragliches Verbot solcher Waffen."

Dies ist ein ermutigendes Beispiel dafür, dass mit zivilgesellschaftlichem Engagement auch etwas erreicht werden kann.

Setsuko Thurlow, die Überlebende von Hiroshima, geriet unversehens in den Blickpunkt der internationalen Medien und Öffentlichkeit. Denn sie war als Vertreterin der Hibakusha dabei, als der Friedensnobelpreis im Dezember 2017 in Oslo an ICAN verliehen wurde. Dieser Friedensnobelpreis ist natürlich eine große Ehre sowohl für die Hibakusha als auch für die gesamte Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Und wir als Lebenshaus Schwäbische Alb sind auch ein bisschen stolz darauf, eine der 17 deutschen offiziell anerkannten Partnerorganisationen von ICAN zu sein. Damit gehören wir einem Netz von weltweit 570 ICAN-Partnerorganisationen in 103 Ländern an.

Die deutschen Partnerorganisationen von ICAN haben dieses Jahr auch für den 6. und 9. August deutschlandweit zu Gedenkaktionen aufgerufen. Als eine dieser Partnerorganisationen haben wir u.a. mit diesem Aufruf eine kleine Aktion gestartet. Wir wollten mit Unterstützung von möglichst vielen Menschen und Organisationen diesen Aufruf mit dem Titel "Hiroshima und Nagasaki mahnen - Beitritt zum UN-Atomwaffenverbot jetzt!" als Anzeige in den Amtsblättern unserer Region veröffentlichen. Es gab so ein tolles Echo darauf, so dass wir außer einer Amtsblatt-Anzeige noch zusätzliche Anzeigen im "Reutlinger Generalanzeiger" und "Schwarzwälder Bote" (Ausgabe Zollernalbkreis) veröffentlichen konnten. 108 einzelne Personen und 10 Organisationen aus nah und fern haben diese Aktion unterstützt und durch Spenden diese Veröffentlichungen ermöglicht. Dadurch wurde es möglich, statt über die Amtsblätter mit einer Auflage von ca. 5.100 Exemplare eine Gesamtauflage von rund 50.000 Exemplaren zu erreichen, in der die Anzeige gestern und heute erschienen ist. Inzwischen sind weitere Unterstützungserklärungen dazu gekommen und es dürfen gerne auch weitere dazukommen. siehe:  Aufruf und Informationen: 75 Jahre Hiroshima und Nagasaki mahnen .

In diesem Aufruf werden folgende Forderungen an die Bundesregierung gestellt.

"Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf:

  • keine neuen Kampfflugzeuge für einen Atomwaffeneinsatz zu beschaffen
  • Atomwaffen aufgrund der katastrophalen humanitären Folgen ihres Einsatzes zu ächten
  • den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen zu unterzeichnen und zu ratifizieren"

Weitere Informationen:

Fußnoten

Veröffentlicht am

07. August 2020

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