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Libyen: Noch im Versuchsstadium

General Haftar und Ministerpräsident al-Sarraj an einen Tisch zu bringen, blieb in Berlin erfolglos. Wird es in Genf gelingen?

Von Sabine Kebir

Mit den Libyen-Treffen in Moskau und Berlin wollte die UNO den Schaden begrenzen, den sie 2011 mit ihrer Zustimmung zur Intervention in diesem nordafrikanischen Land angerichtet hat. Nach dem Urteil der algerischen Zeitung El Watan gab es seinerzeit nur "einen inneren Konflikt geringer Intensität", der dann aber von Katar, Frankreich und Italien derart angeheizt wurde, dass schließlich mit einem massiven Vorstoß der Gaddafi-Armee gegen Rebellen in Bengasi zu rechnen war. Inzwischen ist diese Stadt Kristallisationspunkt einer Wiedergeburt der Republik Libyen. Von Bengasi aus gelang es der von Chalifa Haftar geführten Nationalarmee, in vier Fünfteln des Landes wieder eine Art Ordnung zu etablieren. Dass dies der von der UNO in Tripolis eingesetzten Regierung von Fayez al-Sarraj nicht glückte, ist ein alarmierendes Zeichen für die Schwäche der Weltorganisation.

Das Vorhaben, Haftar und al-Sarraj an einen Verhandlungstisch zu bringen, blieb in Moskau wie Berlin erfolglos. Immerhin haben die Staaten, die in Libyen massiv engagiert sind, Beschlüsse gefasst, die - vorausgesetzt, sie werden erfüllt - die innere Befriedung erleichtern können. Man gelobte, die seit dem 12. Januar herrschende Waffenruhe zu unterstützen und äußerer Einflussnahme militärischer Art entgegenzutreten. Die einst zur Rettung von Flüchtlingen gedachte Mission "Sophia" soll wieder aufgenommen werden und nun auch das Waffenembargo kontrollieren.

Damit wären der EU-finanzierten, aus diversen Milizen bestehenden Küstenwache der Al-Sarraj-Regierung wichtige Einnahmen entzogen, inklusive der Möglichkeit, sich mit Militärgütern zu versorgen. Nur gibt es in Libyen ohnehin so viele Waffen wie Kombattanten, dass eine Feuerpause extrem fragil ist. Dass angeblich 1.000 russische Söldner auf Haftars Seite Interessen Russlands vertreten, ist nicht erwiesen.

Fest steht hingegen, dass die Türkei Waffen und Soldaten als Beistand für al-Sarraj entsandt hat. Um deren Abzug zu erzwingen, hat Haftar kurz vor der Berliner Konferenz die Terminals der unter seiner Aufsicht stehenden Anlagen zur Erdölförderung schließen lassen. Der bislang von beiden Konfliktparteien gemeinsam verwalteten Nationalen Erdölgesellschaft ist dadurch ein täglicher Schaden von 55 Millionen Dollar entstanden.

Wie zu erwarten, kursiert nun die Frage, gestellt nicht zuletzt vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, ob die gefassten Beschlüsse ohne militärischen Druck überhaupt durchsetzbar seien? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dabei erneut weniger um die Interessen der unter den Kämpfen leidenden Libyer geht. Vielmehr soll verhindert werden, dass sich russischer Einfluss ausdehnt. Deutschland dürfe sich, wird vor allem medial kolportiert, diesmal vor einer militärischen Option nicht "wegducken" wie 2011, als man sich im Sicherheitsrat der Stimme enthielt, als dort eine Intervention legitimiert wurde.

Glücklicherweise erteilt Außenminister Heiko Maas solch kriegslüsternem Vorpreschen bisher eine Abfuhr. Und das im Einvernehmen mit dem UN-Libyen-Emissär Ghassan Salamé, der hervorhebt, wie sehr der Afrikanischen Union - sie hat die Berliner Agenda ebenfalls unterschrieben - jegliches Eingreifen von außen zuwiderläuft. Auch die UNO plant keine Blauhelmeinsätze und will stattdessen versuchen, Haftar und al-Sarraj doch noch für direkte Verhandlungen zu gewinnen. Ende Januar soll das nun in Genf gelingen.

Quelle: der FREITAG vom 25.01.2020. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

26. Januar 2020

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