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USA: Mitten im Albtraum

Die Würfel sind gefallen: Die Demokraten wagen ein Impeachment gegen Donald Trump

Von Konrad Ege

In Washington braucht die Opposition Beistand von Republikanern, um Donald Trump abzusetzen, aber noch sind die Verhältnisse nicht so. Republikanische Politiker mögen den Präsidenten nicht lieben, doch sie fürchten bei Vorwahlen Trumps Wähler. Von denen betrachten viele den derzeitigen Präsidenten als ein Opfer, das wegen eines läppischen Telefonats zu Fall gebracht werden soll. Ein Impeachment sei ein Zeichen für die Verzweiflung der Demokraten, heißt es.

Ein magisches Wort: Impeachment. Amtsenthebungsverfahren. Ex-Präsident Richard Nixon kommt unweigerlich in Erinnerung, der 1972 mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde und im August 1974 unter dem Druck einer möglicherweise erzwungenen Demission zurücktrat. Noch nie allerdings ist ein Präsident des Amtes enthoben wurden. Das demokratisch kontrollierte Repräsentantenhaus kann die Anklage gegen Trump schreiben, der mehrheitlich republikanische Senat aber entscheidet, ob der Präsident gehen muss.

Jetzt gilt erst einmal: Die Würfel sind gefallen, der Rubikon ist überschritten, was auch immer einem einfällt an Floskeln: Die Demokraten treiben die Impeachment-Vorbereitungen voran. Das Unterfangen lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Die berechtigte Frage ist müßig, ob dieses Vorgehen Trump genau die Art einer wüsten Auseinandersetzung liefert, bei der er glänzt. Die Amtsenthebung wird die Hauptstadt Monate dominieren, vielleicht bis hin zu den Wahlen am 3. November 2020. Für Themen wie Erderwärmung, von demokratischen Präsidentschaftsanwärtern vorgeschlagene Wirtschaftsreformen oder Trumps drakonische Schritte gegen die Krankenversicherung bleibt wenig medialer Raum. Andererseits kann vielleicht ein mit Impeachment beschäftigter Trump sonst nicht viel vom Zaun brechen.

Alles ganz normal

Inmitten der Turbulenzen soll der Eindruck der Normalität erzeugt werden: Außenminister Mike Pompeo reist zu einer Privataudienz mit dem Papst. Vizepräsident Pence stattete einer Schulklasse in Indiana einen Besuch ab und erklärt, in Amerika könne jeder seine Träume erfüllen. Die Kinder hätten wild Beifall gespendet. First Lady Melania Trump war in einer Schule in New York City.

Manche in der Opposition fordern seit Monaten ein Impeachment. Wie oft habe der Mann die Gesetze missachtet, und die Grenzmauer gebaut, obwohl der Kongress kein Geld bewilligt hat. In Trumps Hotels steigen Lobbyisten und Diplomaten ab, die in Verhandlungen stehen mit der Regierung. Sonderstaatsanwalt Robert Mueller hat Machtmissbrauch dokumentiert.

Beim Anlauf zum Impeachment geht es nicht um "alles". Die demokratische Führung reduziert Beschuldigungen auf einen simplen Umstand, den Wähler problemlos verstehen können - im Gegensatz zu Muellers mehr als 400 Seiten. Der Präsident habe eine ausländische Macht um Wahlhilfe angehalten und Wolodymyr Selenskyj, Staatschef der Ukraine, bedrängt, ihm einen "Gefallen" zu tun, um einem potenziellen demokratischen Rivalen zu schaden: Ex-Vizepräsident Joe Biden. Die Sache sei nach neuesten Erkenntnissen eindeutig: Eine vom Weißen Haus veröffentlichte Zusammenfassung von Trumps Telefonat mit Selenskyj dokumentiert sein Verlangen, dass in Kiew etwas geschehen sollte, um in der Biden-Sache wegen Korruption zu ermitteln. Als Helfer empfohlen wurde Rudy Giuliani, Trumps Anwalt, "ein sehr fähiger Kerl", so der Präsident.

Ein anonymer Informant im Regierungsapparat ("der Whistleblower") hat den Kongress informiert, er sei im Besitz von Informationen mehrerer Regierungsmitarbeiter, wonach Trump sein Amt nutzen wolle, um die Ukraine zu bewegen, in die US-Wahlen 2020 einzugreifen. Die Konzentration auf diesen Vorwurf ist eine Schwachstelle, die Trump mit seiner bewährten Taktik des Abblockens und Entstellens nutzen wird. Er hat bereits Fernsehwerbung laufen gegen ein Impeachment. Die Demokraten wollten 2020 die Wahlen "stehlen", wird da insistiert. Auf dem Bildschirm erscheinen Biden und dessen Sohn Hunter. Ersterer habe als Vizepräsident 2015 versucht, in der Ukraine staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Energiefirma Burisma zu stoppen, an der Hunter verdient habe. Nachweise für die Beschuldigungen haben Trumps Leute nie vorgelegt, alternative Fakten halt. Der betreffende Staatsanwalt in Kiew stand international schwer unter Kritik wegen fehlender Konsequenz in Sachen Korruption. Die Republikaner wissen, egal, was Trump unternommen hat, die Sache wirft ein schlechtes Licht auf die Bidens. Hunter hat laut Medienberichten sehr gut verdient bei jener Energiefirma, und das zu einer Zeit, als der Papa das Gesicht war von Barack Obamas Ukraine-Politik. Die Republikaner hoffen, das Thema Biden werde künftig im gleichen Atemzug genannt wie Trumps versuchte Wahlmanipulation mithilfe einer ausländischen Macht.

Bei Nixon war alles anders

Das Spiel der Ablenkung ist bekannt. Bei den Wahlen 2016 wurden Hillary Clintons E-Mails erfolgreich hochstilisiert, als seien diese schlimmer als Trumps Korruption. Clinton habe dienstliche Mails über einen privaten Server laufen und viele vernichten lassen, so der Tenor. Trump will auf die Sache offenbar zurückkommen. Laut Washington Post hat das Außenministerium zuletzt rund 130 frühere Mitarbeiter Clintons über die E-Mails befragt.

Sie mache sich keine Gedanken um potenziell negative Konsequenzen für die Demokraten, sollte die Sache schiefgehen, sagte Nancy Pelosi als Sprecherin des Repräsentantenhauses dem Magazin New Yorker. Trump habe dem Kongress keine Wahl gelassen. Der Präsident kenne wohl den Unterschied zwischen richtig und falsch, aber sie wisse nicht, "ob ihm das etwas ausmacht".

Beim Verfahren gegen Nixon hatte sich nach einer Gallup-Umfrage zu Beginn der Watergate-Anhörungen im Mai 1973 nicht einmal ein Fünftel der US-Amerikaner für eine Amtsenthebung ausgesprochen. Als Nixon im August 1974 seine Abschiedsrede hielt, waren es gerade einmal 57 Prozent. Im Senat jedoch hatte Nixon die Mehrheit verloren. Die Zustände waren anders damals. Die Republikaner stellten sich gegen ihren Präsidenten, und Nachfolger Gerald Ford verkündete nach Nixons Abschied: "Unser langer nationaler Albtraum ist vorüber." 2019 steckt man noch tief drin.

Quelle: der FREITAG vom 06.10.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

07. Oktober 2019

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