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Libyen: Unter allen Umständen auf ein Schlauchboot

An legalen Möglichkeiten, nach Europa zu migrieren, fehlt es trotz aller Versprechungen noch immer

Von Sabine Kebir

Die nicht gewählte, von der UNO eingesetzte und - wie in vielen Medien immer wieder betont wird - international anerkannte libysche Regierung unter Fayez as-Sarradsch ist wiederholt angeklagt worden, die in das von ihr kontrollierte Gebiet gelangten afrikanischen Flüchtlinge in gefängnisähnliche Lager zu sperren. Nun hört man, dass sie drei Lager aufgelöst und die etwa 900 Insassen mittellos ins Nirgendwo entlassen hat. Es ist zu erwarten, dass diese Menschen versuchen werden, unter allen Umständen auf ein Schlauchboot zu gelangen, das über das Mittelmeer nach Europa überzusetzen versucht. Italien hat aber mit as-Sarradschs Küstenwache ein Abkommen geschlossen, wonach diese die Insassen solcher Boote - soweit sie sie lebend findet - nach Libyen zurückbringen soll. Deshalb fordert Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete, dass die EU die Kooperation mit der libyschen Küstenwache sofort einstellt.

Tatsächlich war die Öffnung der Lager wohl keine zielführende Idee, sondern diente nur dazu, die Regierung in Tripolis von einem großen Makel zu befreien. Diese Lager hätten längst unter Kontrolle der UNO gestellt und so hergerichtet werden müssen, dass es Migranten möglich ist, unter menschenwürdigen Bedingungen um Aufnahme in Europa nachzusuchen. Dass das nicht geschehen ist, muss vor allem denen angelastet werden, die die As-Sarradsch-Regierung in Tripolis anerkannt, sie in diesem Punkt offenbar gar nicht unterstützt haben und wohl auch jetzt nicht gedenken, dies zu tun.

Darin kommt die Scheinheiligkeit der EU-Politik gegenüber afrikanischen Ländern zutage, ebenso die Uneinigkeit der Union in allen Migranten betreffenden Fragen. Wenn man überhaupt von einer "Linie" sprechen kann, dann entspricht diese am ehesten den Wünschen der Länder, die überhaupt keine Migranten aus dem Süden aufnehmen wollen. Insofern ist es logisch, dass die Grenzschutz-Agentur Frontex ihren Sitz in Warschau hat. Seit sie sich aus der Seenotrettung zurückgezogen hat, überwacht sie die nordafrikanische Küste nur noch mit unbemannten Drohnen, die kein einziges Menschenleben zu retten vermögen. Der Schutz der europäischen Landgrenzen wiederum ist den Mitgliedsstaaten überlassen, womit Frontex - und so die EU - die Verantwortung für immer wieder gemeldete menschenrechtswidrige Handlungen gegen Flüchtlinge, die es auf den Kontinent geschafft haben, elegant abgegeben hat.

Obwohl schon unendlich oft angemahnt und versprochen - legale Möglichkeiten der Migration nach Europa sind nicht geschaffen worden. Nicht einmal der Transfer von Migranten in die europäischen Städte, die sich angeblich als Aufnahmeorte zur Verfügung gestellt haben, funktioniert. Wenn es schon die Staaten nicht tun, wäre es eine wichtige Aufgabe für Menschenrechtsorganisationen, diese Städte und ihre Angebote genau zu ermitteln und nutzbar zu machen. Denn mehr, als alle Ressourcen von kommunalen und privaten Initiativen zu mobilisieren, wird sich politisch in der Frage der Einwanderung nicht durchsetzen lassen. Diese Frage nicht dem Bürgerkonsens zu überlassen, wie es die No-Border-Bewegung fordert, hieße schließlich, an den Grundfesten der Demokratie zu rütteln. Weil jedoch eine Demokratie nur für die Insassen der Festung Europa auch keine Zukunft hätte, muss dringend über Alternativen zur Wirtschafts- und mitunter Kriegspolitik des Westens gegenüber den afrikanischen Staaten und denen des Nahen Ostens diskutiert werden.

Quelle: der FREITAG vom 09.08.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

10. August 2019

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