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USA: Entfesselter denn je

Der Umgang mit dem Mueller-Report zeigt, wie unbehelligt Trump regieren kann

Von Konrad Ege

Der Abschlussbericht von Sonderermittler Robert Mueller schuf keine Klarheit. Donald Trump erscheint entfesselter denn je, triumphiert und macht gleichzeitig auf Opfer. Die Opposition tut sich ziemlich schwer. Und plötzlich ist die Präsidentenwahl im November 2020 gar nicht mehr so weit weg. Es gehe schlechthin um die Demokratie, warnt der neueste der 20 demokratischen Präsidentenanwärter, Ex-Vizepräsident Joe Biden. Mueller hat Trump keine Verschwörung mit Russland nachgewiesen, aber auf den teils geschwärzten Seiten steht viel Belastendes über Kontakte und Ermittlungsbehinderung.

Die amerikanische Republik ist offenbar nicht in der Lage, einen Präsidenten zu bremsen, der mit Hilfe seines Justizministers hemmungslos behauptet, Mueller habe ihn völlig entlastet. Was nicht stimmt. Mueller schreibt, der Bericht "kommt nicht zu dem Schluss, dass der Präsident eine Straftat begangen hat, er entlastet ihn aber auch nicht". Die Ermittlungen hätten "zahlreiche Verbindungen" der russischen Regierung zur Trump-Kampagne identifiziert.

Kein K. o., kein Putsch

Es wird in den USA als Glaubensbekenntnis gepflegt: Niemand hat eine derart großartige Verfassung und ein so gut funktionierendes politisches System wie wir. Nach Mueller wachsen Zweifel an der Einzigartigkeit, die ohnehin nie gestimmt hat, doch einen hohen Anspruch setzt. Reaktionen auf den Abschlussbericht führen vor, wie sehr diese Regierung das Land durchgeschüttelt hat. Der Präsident verlangt nun, Regierungsmitarbeiter sollten sich Vorladungen des Kongresses widersetzen, falls sie zu den im Mueller-Bericht getroffenen Aussagen befragt werden sollen, der Sonderermittler sei behindert worden.

Justizminister William Barr hat die Veröffentlichung des Reports um Wochen verzögert. Bis dahin konnte Trumps Mannschaft die Deutungshoheit verwalten. Das hat geklappt. Wenn man sich kurz vorstellt, wie Republikaner auf eine "Russland-Geschichte" reagiert hätten, wäre es um Barack Obama gegangen, wird klar, wie sehr sich die Zustände verändert haben. Nahezu geschlossen halten die Republikaner zu Donald Trump. Rechte Talkshows sprechen von einem versuchten Putsch gegen den Präsidenten.

Trumps Wähler wollten diesen Mann auch deshalb, weil der sich nicht an normale politische Gepflogenheiten hielt. Er könne "mitten auf der 5th Avenue" in New York jemanden erschießen und würde keine Wähler verlieren, prahlte Trump im Wahlkampf. "Enthüllungen der Elitemedien" - der "Feinde des Volkes" - überraschen diese Wähler keineswegs. Muellers Details zu Trumps Unwahrheiten über einen Trump Tower in Moskau ändern daran nichts. Es herrscht Identitätspolitik: Wer zum Stamme Trump gehört, gehört dazu.

Demokratische Politiker und die Opposition als Ganzes wissen nicht so recht, wie es weitergehen soll. Im Hintergrund steht die unangenehme Frage, ob sich manche in der demokratischen Führungsriege zu sehr von der Hoffnung blenden ließen, Mueller werde quasi im Handstreich dem unwürdigen Präsidenten den K.-o.-Schlag versetzen und explizit nachweisen, dass Trump mit Wladimir Putin unter einer Decke steckt. Das haben die Ermittlungen nicht geleistet.

Autor Noam Chomsky spitzte bei einer Ansprache in Boston zu: Demokraten hätten "alles investiert" in die Russland-Sache. Im Nachhinein entstehe der Eindruck, "dass sie Trump ein riesiges Geschenk gemacht haben", möglicherweise hätten sie ihm "den nächsten Wahlsieg geschenkt". Das Establishment der Partei, so Chomsky, habe mit den Russland-Beschuldigungen den Erfolg gesucht, weil es den "wahren Problemen" aus dem Weg gehen wollte.

Die demokratische Präsidentschaftsaspirantin Elizabeth Warren, bekannt für Forderungen nach Vermögensteuer und einem Nachlass bei Studentendarlehen, sowie die kalifornische Senatorin Kamala Harris haben sich für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens ausgesprochen. Es dürfe nicht sein, dass Trump ungeschoren davonkomme. Jeden anderen Menschen würde man wegen der Mueller-Erkenntnisse "verhaften und einsperren", glaubt Warren. Rivale Bernie Sanders ist dagegen. Wenn der Kongress "nur über das Impeachment von Trump, Trump und Trump und von Mueller, Mueller, Mueller" spreche und "wir nicht über Gesundheitsfürsorge, mehr Mindestlohn und den Kampf gegen Klimawandel", könne der Präsident das zu seinen Gunsten nutzen. Und Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, befürchtet, das Thema Impeachment werde die Nation noch mehr spalten.

In der US-Politik wurde früher stets die Bereitschaft zum Kompromiss geschätzt. Führende Demokraten glauben weiterhin ihren eigenen Reden, wonach die Amerikaner mehr vereine als trenne. Nostalgiker sehnen sich nach diesen Zeiten. Sie haben oft dazu geführt, dass vermeintlich zu Linkes auf der Strecke blieb und Partei-Unterschiede verblassten. Hinter einem Kompromiss stand auch der Gedanke, die regierende Partei könne vorbauen für die Zeit, in der man nicht mehr vorn sein würde. Bei Trump gibt es nur Sieger und Verlierer (in Sanders’ Welt übrigens auch), was freilich nicht erst mit Trump angefangen hat. Gegen Präsident Bill Clinton betrieben republikanische Abgeordnete 1998 ein Amtsenthebungsverfahren wegen Ermittlungsbehinderung.

Vorsprung durch Ideologie

Die Demokraten geraten derzeit schnell ins Hintertreffen. Ihre Koalition von Interessens- und Identitätsgruppen hat weniger Durchsetzungsvermögen als eine strikt ideologisch verankerte Republikanische Partei, die sich dem Anführer verschrieben hat, der ihr Amerika wiederherstellen will gegen alle möglichen Gefahren. Trumpismus macht sich zunehmend bemerkbar, selbst in der angeblich neutralen Judikative. Der Oberste Gerichtshof ist nach Trumps Neubesetzungen in rechter Hand. Das bedeutet, auch die Vorschriften zum Wahlrecht werden geschwächt, was den Republikanern in die Hände spielt. Der Gerichtshof dürfte angerufen werden bei Disputen über die - auch nach Mueller - weiter laufenden Ermittlungen gegen Trump vor einem Gericht in New York und im Kongress.

Dort möchte ein Ausschuss Trumps Steuererklärungen sehen, wie das ein Gesetz von 1924 vorschreibt. Die Regierung Trump weigert sich. Das oberste Gericht wird wohl urteilen müssen.

Quelle: der FREITAG vom 03.05.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

04. Mai 2019

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