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Wiltrud Rösch-Metzler: “Nein zu weiterer Aufrüstung! Nein zu Atomwaffen in Europa!”

Von Wiltrud Rösch-Metzler, Redebeitrag für den Ostermarsch am 20. April 2019 in Wolfsburg

Liebe Ostermarschiererinnen, liebe Ostermarschierer,

ich beginne mit einem Satz eines Bauern aus Kenia: "Ameisen arbeiten hart und schaffen es, genug Nahrung für sich zu sammeln. Auch wenn sie sehr klein sind. Ihre Stärke liegt darin, dass sie sich zusammentun und zusammenarbeiten." Das sagt Kisilu Musya. Er kämpft in seinem Dorf in Kenia gegen den Klimawandel. Mit anderen Bäuerinnen und Bauern zusammen pflanzt er Bäume gegen Dürre und Überschwemmungen. Wie unser Handeln Auswirkungen auf ihn hat, haben seine Taten Auswirkungen auf uns. Sein unermüdlicher Einsatz ist nachahmenswert.

Es gibt derzeit keine Massenproteste, wenn es darum geht "Nein zur Aufrüstung! Nein zu Atomwaffen!" zu sagen. Noch nicht. Doch die Saat dafür ist gelegt. Aus unserer Hoffnung auf Frieden wachsen diese Forderungen. Öffentlich werden sie in den Kampagnen der Friedensbewegung.

"Abrüsten statt aufrüsten", (bei der auch die Gewerkschaften mitmachen,) hat schon über 140.000 Unterschriften gegen die Erhöhung des Verteidigungshaushalts gesammelt. Wir fordern die Bundesregierung auf, widersteht dem Druck, 2% des Bruttosozialprodukts für Rüstung auszugeben. Überzeugt die Nato davon, abzurüsten. Überzeugt eure Nato-Verbündeten, neue UNO Abrüstungsverträge auszuhandeln.

Die nächste Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen, ICAN, ist sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden! Doch noch verweigert die Bundesregierung dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag die Unterschrift. Warum? Die Bundeswehr darf über US-Atomwaffen mitverfügen. Vermutlich über 20 in Büchel stationierte Atom-Raketen. Dieses atomare Teilhaben will sie nicht aufgeben. Wir fordern von der Bundesregierung, endlich auf Atomwaffen zu verzichten.

Eine dritte, wichtige Kampagne will Rüstungsexporte aus Deutschland stoppen. Entwicklungshilfeorganisationen, Parteien und Kirchen unterstützen dies bereits. Wir fordern, keine Rüstungsexporte in Länder, die Menschenrechte und Völkerrecht verletzen. Wir fordern: keine Waffen für Länder, die am Jemenkrieg beteiligt sind. Wie jetzt bekannt wurde, weiß die Bundesregierung, dass Saudi-Arabien Tornados und Eurofighter im Jemen einsetzt. Wir fordern, dass der derzeitige Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien auch über den 30. September hinaus gilt! Und die bestellten Kriegsschiffe nicht ausgeliefert werden.

Es gibt mutige Journalistinnen und Journalisten, die über Rüstungsexportskandale berichten, über Schmiergeld oder die Gefahren der atomaren Aufrüstung. Doch noch zu selten lesen wir, wie in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, dass es angesichts eines neuen Wettrüstens darauf ankommt, dass Bürgerinnen und Bürger, ich zitiere "denen eine wache und wahrnehmbare Friedensbewegung am Herzen liegt, sich als ihr Teil begreifen und sich in ihr wieder engagieren". Das gilt auch für Ministerpräsident Stephan Weil, der eine neue Friedensbewegung gefordert hat.

Die Propagandisten der militärischen Lösungen wollen uns derzeit wieder weismachen, dass Deutschland über den Ausbau militärischer Beziehungen, über Kriegseinsätze, über Rüstungsexport und Aufrüstung, ein verlässlicher Partner in der Welt wird. Doch das führt nur zu Beziehungen, die von Herrschaft, Macht und Gewalt geleitet sind. Das wollen wir nicht. Es ist ein komplett anderer Denkansatz, für den wir heute auf die Straße gehen: nämlich vom Frieden her zu denken, Beziehungen zu Nachbarn und fernen Ländern so zu gestalten, dass sie auf Menschenrechten und Völkerrecht basieren. Solche Beziehungen helfen der dortigen Bevölkerung und uns. Friedensmittel sind z.B. humanitäre Hilfe, wenn Menschen in Not sind, Hilfe bei der beruflichen Ausbildung, kulturelle Zusammenarbeit oder Jugendaustausch.

Ich engagiere mich besonders für Israel und Palästina und werbe heute dafür, israelische und palästinensische Menschenrechtsgruppen kennenzulernen und zu unterstützen: B’tselem, Al Haq, Breaking the Silence, Stop the Wall, Gush Shalom, Arab Educational Institute, Society of St. Yves und viele mehr. Diese Organisationen wenden sich gegen Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen ihrer Regierungen und werden deshalb diffamiert. Organisiert Vorträge mit ihnen in Deutschland! Ladet sie als Rednerinnen zum nächsten Ostermarsch ein. Habt keine Angst! Denkt an die Ameisen: "Ihre Stärke liegt darin, dass sie sich zusammentun und zusammenarbeiten." Glaubt an die internationale Solidarität, an die eine Menschheitsfamilie, die wir sind. Lasst nicht zu, dass ihnen hier in Deutschland die Säle verweigert werden. Einen solchen Umgang mit unseren Friedensfreunden aus Israel und Palästina und der Demokratie in Deutschland lassen wir nicht zu! Wehrt euch gegen Bündnisse aus Linken, SPD, CDU, FDP, Grüne und AfD, die Menschenrechtsverteidigerinnen aus Israel und Palästina nicht mehr in Deutschland reden lassen wollen.

Als pax christi Nahostkommission haben wir seit Jahrzehnten Kontakte zu Friedens- und Menschenrechtsorganisationen in Israel und Palästina. Derzeit spüren wir angesichts der Weltlage kaum noch Hoffnung auf einen gerechten Frieden. Wo ist der Platz für den Staat Palästina neben dem Staat Israel, wenn die rechte Netanjahu Regierung die Westbank Stück für Stück annektieren wird? Ost-Jerusalem und die syrischen Golanhöhen sind bereits völkerrechtswidrig annektiert. Menschen und Waren im Gazastreifen sind eingesperrt. Siedlungsbau, willkürliche Verhaftungen und Hauszerstörungen sind Alltag im besetzten Westjordanland. Im Ostjerusalemer Stadtteil Silwan haben die israelischen Behörden am Mittwoch begonnen, die ersten von rund 60 Häusern zu zerstören. 500 Menschen werden dadurch obdachlos. Gegen die militärische Besatzung wehren sich Palästinenserinnen und Palästinenser. Das alles sind keine internen israelischen oder palästinensischen Angelegenheiten, sondern solche, mit denen sich die Weltgemeinschaft beschäftigen muss. Wir fordern, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, die den Verstößen gegen das Internationale Recht in Israel und Palästina ein Ende setzen. Die Bundesregierung und die EU müssen eine Politik der aktiven Nichtanerkennung der illegalen Annexionen verfolgen. Die Bundesregierung ist verpflichtet von allen Staaten, von den USA ebenso wie von Russland, von Palästina ebenso wie von Israel, einzufordern, dass internationales Recht nicht gebrochen wird.

Deutschland muss aber auch selber internationales Recht einhalten. In Artikel 25 des Grundgesetzes heißt es: "Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes." Seenotrettung etwa ist eine völkerrechtliche und humanitäre Pflicht und darf weder behindert noch kriminalisiert werden. Wir fordern, dass die staatliche Seenotrettung ausgebaut wird, Gerettete nicht zurückgeschoben werden und dass mit Initiativen der privaten Seenotrettung zusammengearbeitet wird.

Nicht immer hält sich die Bundesregierung an das Völkerrecht. Ohne UN-Mandat hatte die Nato, darunter auch Deutschland, vor 20 Jahren Serbien bombardiert. Im Kosovo sitzen seither die Soldaten der Kfor, um Gewaltausbrüche zu verhindern. Dieser Konflikt ist durch die damalige Militärintervention keinesfalls gelöst. Und auch bei der deutschen Beteiligung am Krieg gegen den Terror in Afghanistan sind Zweifel angebracht. 18 Jahre nach Kriegsbeginn und vielen auch zivilen Opfern verhandeln derzeit US-Amerikaner mit den Taliban über das Kriegsende. Wofür man als Friedensbewegung am Anfang des Krieges fast gesteinigt worden wäre, geht nun plötzlich: Mit sogenannten Terroristen verhandeln. Die Kriegsparteien sind dort angelangt, wo sie zu Kriegsbeginn hätten sein können, am Verhandlungstisch. Krieg ist keine Lösung. Wir treten für die Abschaffung des Krieges ein, dafür, dass unsere Ausbildungs- und Forschungsanstrengungen, unsere Fantasie und unser Steuergeld in die nichtmilitärische Konfliktlösung fließt.

Denn Frieden wirkt. Das bewies die Friedensbewegung in den 80er Jahren. Weil es im Westen diese starke Friedensbewegung gab, hatte sich Gorbatschow damals getraut, abzurüsten. Und das, sechs Jahre nach der Nato gegründete, östliche Militärbündnis Warschauer Pakt wurde aufgelöst. Weil es eine starke Friedensbewegung Anfang 2000 gab, hat die Bundesrepublik beim Krieg gegen den Irak nicht mitgemacht. Weil es friedensbewegte Juristen gibt, haben wir seit kurzem ein Urteil zu den Drohnenangriffen, die über die US-Militärbasis Ramstein in der Pfalz ausgeführt werden. Deutschland muss im Fall der US-Drohnenangriffe auf die USA einwirken, sich an das Völkerrecht zu halten.

Frieden beginnt auch in den Betrieben. Wenn heute neue Waffen entwickelt werden, etwa sogenannte autonome Waffensysteme, sind die daran Beteiligten gefragt. Bei Google protestierten etwa die Mitarbeiter gegen das Projekt Maven, das für das Pentagon die Bilderkennung für Kampfdrohnen verbessern sollte.

Es gibt weitere ermutigende Beispiele, wie Menschen vom Frieden her denken. Dazu zählt die Berliner SPD, die Bundeswehr-Offizieren Werbung an Schulen verbieten möchte. Klasse, sie haben damit eine bundesweite Diskussion angezettelt, ob es sinnvoll ist, dass Minderjährige von der Bundeswehr angesprochen werden! Vom Frieden her gedacht sind auch die 1,4 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für humanitäre Hilfe in Syrien ausgeben will.

"Krieg darf kein Mittel der Politik sein", heißt es im Aufruf zum heutigen Ostermarsch. Und ich zitiere noch einmal den kenianischen Baumpflanzer Kisili: "Wenn du weißt, dass etwas gut ist und es nicht tust, dann wird dir die ganze Welt das einmal vorwerfen. Um das zu vermeiden werde ich mein Bestes tun, um es zu tun." Krieg bringt Tod, Bäume bringen Leben und sind Symbol für Auferstehung und Ostern. Papst Franziskus schrieb in seiner Enzyklika Laudato si: "Wir müssen wieder spüren, dass wir einander brauchen, dass wir eine Verantwortung für die anderen und für die Welt haben und dass es sich lohnt, gut und ehrlich zu sein."

Ich wünsche euch frohe Ostern!

Wiltrud Rösch-Metzler ist aktiv bei der pax christi Nahostkommission.

Quelle: Netzwerk Friedenskooperative


Bundesweit: Ostermärsche und -aktionen 2019

Auf der Website von Netzwerk Friedenskooperative finden sich:

Auf der Lebenshaus-Website finden sich:

Veröffentlicht am

21. April 2019

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