Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Atmen im Rhythmus des Lebens

Von Katrin Warnatzsch, Sozialer Friedensdienst im Lebenshaus (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 99, Dez. 2018 Der gesamte Rundbrief Nr. 99 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 987 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren .)

Kleine rote und gelbe Äpfelchen von einem kleinen, wilden Bäumchen auf einem Feld bei einer Kapelle, ein gebrochener, übervoller Ast mit den Früchten, der unbedingt noch abgeerntet werden wollte vor dem Frost: so klang der Herbst auf der rauen Alb langsam aus. Mit goldenen kurzen Tagen und wundervollem Himmel, bewegt von den ersten zarten, rosafarbenen Regenwolken. Wir fühlten uns, als wäre die Regenzeit endlich angebrochen. Aber es fielen nur wenige Tropfen, einmal ein wenig Schnee und dann der feuchte Nebel. Die Bäume färbten sich besonders heftig und früh und saugten die nächtliche Feuchtigkeit einfach weg. Unser Flüsschen führt kaum mehr Wasser, tiefe Gräben und Inseln sind zu sehen. Langfristige Auswirkungen der Trockenheit sind überall sichtbar. Wann wird das endlich auch die Entscheidungen der deutschen Politik gegen die Klimakatastrophe beeinflussen?

25 Jahre Mitarbeit im Vorstand

Viermal im Jahr treffen wir uns seit vielen, vielen Jahren an einem Abend im Lebenshaus zur Vorstandssitzung. Derzeit zu viert reflektieren wir, was war, und planen, was wir vorhaben. Diese Treffen sind Routinen, die Michael als Geschäftsführer immer gut vorbereitet, damit wir entlang konkreter Tagesordnungen und teilweise ausgearbeiteter Entscheidungsvorschläge in zwei bis drei Stunden vorankommen. Das sind für Michael und mich regelmäßige Gelegenheiten, zusammen mit anderen Menschen, die dann auch Fragen aus einer distanzierteren Sicht stellen, unsere Arbeit genauer anzuschauen. Dies ist hilfreich, um nicht im eigenen Saft zu schmoren, den Blick nicht unbemerkt ganz zu verengen.

Über die Jahre hinweg gab es dabei Auf- und Abwärtsbewegungen, die wir mit insgesamt 18 Personen, die im Laufe der 25 Jahre in die Vorstandsarbeit involviert waren, erfahren haben. Das spiegelt sich in den Sitzungen, ist manchmal mühsam und erfordert einen langen Atem.

Bei der Gründung des Lebenshauses war uns sehr wichtig, dass die Formalien, die ein Verein nach dem geltenden Recht erfüllen muss, abgedeckt werden, aber nicht im Vordergrund stehen. Das gelang uns bis auf einige heiße Jahre ganz gut. Es führte dazu, dass Michael und ich, die direkt vor Ort im Lebenshaus wohnen und es umtreiben, einen Vertrauensvorschuss für unser Engagement erhielten und wir uns besonders verantwortlich fühlen. Unabhängig davon, ob wir im Vorstand auch eine formale Funktion innehatten, oder nicht. Dieses Modell hat sich bisher bewährt, mag es auch sehr an uns persönlich gebunden sein. Es gibt die Freiheit, das mit anderen Personen, die vielleicht einmal nach unserer aktiven Zeit kommen, wieder neu zu gestalten. Jedoch liegt eine hoffentlich noch lange Strecke vor uns, in der wir mit noch immer großer Kreativität und Freude diesen Weg gehen können und ihn mit vielen anderen, uns gewogenen Menschen teilen.

Ich war in den Schuhen der anderen!

Einer unserer jungen afghanischen Mitbewohner erzählte mit offenem, beglückten Gesicht, wie sehr es ihm wohlgetan hat, sich in einer ihm unbekannten Gruppe junger Leute eine Woche lang täglich zu bewegen. Die erste Seminarwoche im Rahmen seines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) fand in Tübingen statt. Er musste dort von morgens früh bis abends spät präsent sein, um alles mit zu bekommen. Als er zurück war, beschrieb er sich so: "Ich habe morgens diese Schuhe da angezogen, die ich sonst nur zu kurzen, besonderen Gelegenheiten anziehe. Sie sind schön eng, und mir gefallen sie. Aber nun habe ich sie von morgens sieben Uhr bis spät in der Nacht angehabt. Meine Füße! O meine Füße! Ich konnte kaum mehr gehen! So viel sind wir gelaufen. In die Stadt und zum Tanzen, überall mit diesen Schuhen. Und so nette Menschen. Es war so toll. So leben die Menschen hier!"

Inzwischen wurde sein FSJ beendet. Wir sind besonders betrübt darüber, dass er es nicht fortsetzen durfte und verstehen auch die Gründe dafür nicht wirklich. Es war ein enormer Arbeitsaufwand für mich, dies für ihn überhaupt zu organisieren. Er fiel in ein tiefes Loch, aus dem er nun, auch mit Hilfe des Jobcenters und meiner Unterstützung, wieder herausfinden muss.

Vier von Fünf

Im Jahr 2017 hat das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge (BAMF) mehr als die Hälfte aller afghanischen Flüchtlinge abgelehnt. Nur noch circa 47 Prozent erhielten überhaupt Schutz (2015: ca. 78 Prozent, 2016: ca. 61 Prozent). Dieser deutliche Anstieg der Ablehnungsquote steht in völlig krassem Widerspruch zur Entwicklung im Land selbst: Die Lage in Afghanistan hat sich noch einmal weiter verschärft. Die Taliban haben wieder in bis zu 70 Prozent des Landes teilweise erheblichen Einfluss. Die Zahl der zivilen Opfer ist auf Rekordniveau. Dennoch wird weiter nach Kabul abgeschoben. Und trotzdem gibt es ein Rekordhoch bei den Ablehnungen der Asylanträge. Von 17 damals in Gammertingen lebenden afghanischen Flüchtlingen erhielten 16 einen Ablehnungsbescheid durch das BAMF.

Doch weil wir wissen, dass das BAMF unter erheblichem politischen Druck oft schlampig entschieden hat, haben wir als Lebenshaus die hier in Gammertingen lebenden afghanischen Flüchtlinge über ihre Rechte aufgeklärt und zur Klage gegen den Ablehnungsbescheid ermutigt. Gleichzeitig haben wir Unterstützung bei diesem Klageweg zugesagt. Mit 15 Afghanen habe ich ihr Klageverfahren gegen den Ablehnungsbescheid sehr gründlich vorbereitet.

Inzwischen haben wir ein Drittel dieser 15 von uns begleiteten Klageverfahren hinter uns und das bisherige Ergebnis ist sehr positiv: Das Verwaltungsgericht in Sigmaringen hat bei vier von fünf jungen Männern den mangelhaften Ablehnungsbescheid des BAMF korrigiert und ihnen eine weitere Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zugesprochen. Wir sind so froh mit den Betroffenen, dass sich die große Anstrengung bereits für diese vier Menschen gelohnt hat, die nicht zurück müssen in das Kriegsland Afghanistan. Nun liegt es an ihnen, sich hier ein neues Leben aufzubauen und es zu gestalten, auch unabhängig zu werden von staatlicher Unterstützung, soweit dies möglich ist. Es ist Zeit gewonnen, um Schulabschluss und Ausbildung in Ruhe zu Ende zu bringen oder zu beginnen. Oder eine auskömmliche Erwerbsarbeit zu finden. Sich eine Wohnung an einem angenehmen Ort zu suchen. Endlich die schrecklichen Erlebnisse ein wenig in den Hintergrund treten zu lassen, sie zu verarbeiten, soweit möglich. Welche Erleichterung für jeden von ihnen.

Einer der beiden Männer, deren Klage zuletzt verhandelt wurde, erzählte mir mit so strahlenden Augen und erleichterten Schultern, wie er die Verhandlung empfunden hat, so hatte ich ihn in den letzten drei Jahren nie gesehen. Kurz zuvor hatte er ein von mir angeregtes dreiwöchiges Betriebspraktikum in einem Kindergarten beendet, von wo er eine Fotokarte - er mit den Kindern im Arm - und einen rührenden Dank erhalten hatte. Trotz seiner eigenen kaum gelebten Kindheit und schrecklicher Kriegserfahrung meint er nun, einen Weg in den Beruf als Erzieher zu erkennen. Hart arbeitet er hier an seinem Schulabschluss, obwohl er als Kind keine Schule besuchte. Er ist Optimist und voller Hoffnung und brennender Geduld, trotz frühem Verlust des Elternhauses und Kriegsverletzung. Welch ein Vorbild.

Unabhängig vom Ausgang der Klageverfahren werden wir uns aber auch weiterhin dafür einsetzen, dass überhaupt niemand nach Afghanistan oder in ein anderes Kriegsland abgeschoben wird.

25 Jahre Lebenshaus Schwäbische Alb: Bitte um weitere Unterstützung

Für sein gesamtes Engagement ist Lebenshaus Schwäbische Alb fast ausschließlich auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Wir wollen 2019 unsere Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit fortsetzen, z.B. über unsere Website und unseren Rundbrief sowie durch die Organisation von Veranstaltungen, wie z.B. der dann 7. Tagung "We shall overcome!" im kommenden Herbst; wir wollen wieder Aktionen organisieren bzw. solche unterstützen, z.B. Protestkundgebungen gegen Abschiebungen in Kriegsländer oder die Unterstützung von Ostermärschen; es gilt weiter Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen, z.B. durch die Begleitung von afghanischen Geflüchteten auf ihrem Weg zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts und einer dauerhaften Perspektive in unserem Land; zu finanzieren sind im kommenden Jahr ebenfalls die Personalkosten für eine 30-Prozent-Teilzeitstelle und einen Minijob sowie der weitere Abbau von Verbindlichkeiten für das vereinseigene Gebäude.

Unterstützen Sie Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. mit einer Spende zu unserem 25. Geburtstag, sei es mit einer Einzelspende oder auch mit einer regelmäßigen Spende per Dauerauftrag oder Einzugsermächtigung. Außerdem gibt es die Möglichkeit, uns mit Ihrer Fördermitgliedschaft oder einem zinslosen Darlehen zu unterstützen. Mehr siehe hier

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Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. ist durch das Finanzamt Sigmaringen als gemeinnützig und mildtätig anerkannt (aktueller Bescheid vom 25.10.2018). Spenden und Mitgliedsbeiträge sind daher steuerabzugsfähig. Ab 25 € werden automatisch Spendenbescheinigungen zugestellt, für niedrigere Beträge auf Anforderung (bitte bei Erstspenden Anschrift wegen Spendenbescheinigung angeben).

Fußnoten

Veröffentlicht am

17. Dezember 2018

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