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USA: Das Gesetz bin ich

Ein neuer Richter am Obersten Gerichtshof kann das Land dauerhaft nach rechts rücken

Von Konrad Ege

Totenglocken läuten in den USA für die möglicherweise überzogene Hoffnung der Opposition, Gerichte würden den Mann im Weißen Haus ab und an im Namen von Verfassungsrecht und Gesetz bremsen. Nach dem Rücktritt von Richter Anthony Kennedy vom Obersten US-Gerichtshof vergangene Woche stellt Donald Trump in wenigen Tagen dessen Nachfolger vor. Die Republikaner erwarten, dass Trump danach richtig Trump sein kann, ohne starken Einspruch von lästigen Männern und Frauen in altmodischen Talaren. Die Opposition hat wegen der Machtverhältnisse im alles entscheidenden Senat miserable Karten gegen den Umbau. Das konservative Amerika ist auf der Zielgeraden zum großen Sieg. Der Präsident sagte, er werde von einer Liste aus "sehr brillanten, hauptsächlich konservativen Juristen aussuchen". Abgesehen von "Krieg und Frieden" sei das Oberste Gericht die wichtigste Entscheidung eines Präsidenten. Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Von den neun amtierenden Obersten Richtern gelten vier als gestandene Rechte. Ein Richter und drei Richterinnen als "liberal".

Kennedy, ernannt 1987 von Ronald Reagan, war verlässlich unternehmerfreundlich, auch Autor des sogenannten "Citizens United"-Urteils von 2010 zur Freigabe der Wahlkampfspenden von Unternehmen. Doch manchmal war er für Überraschungen gut. Kennedy stimmte 2015 für die staatliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Es wird verstanden, was Trump mit "hauptsächlich konservativ" meint. Die Vorstellung, dass die neun Juristen überparteilich und abgehoben von der Politik Recht sprechen, ist ohnehin nur Illusion. Republikaner kapieren das. "Das Gericht" war für viele der Grund, Trump zu wählen. Vornehmlich weiße Evangelikale, die rund ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, rechnen damit, dass Trumps Richter das Grundsatzurteil von 1973 zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aufheben würden. Das konservative Amerika und die Wirtschafts-Lobby setzen seit Jahren auf knallharte Machtpolitik bei Richterfragen. Der Senat muss Richterernennungen zustimmen. Die gegenwärtig mit knapper Mehrheit (51 zu 49) republikanisch kontrollierte Kammer weigerte sich im letzten Jahr von Barack Obama, über dessen Richteranwärter abzustimmen. Demokraten beschwerten sich, das sei unfair. Abgestimmt und zugestimmt wurde erst, als der neue Präsident Trump 2017 seinen ersten Richter ernannte, den rechtslastigen Neil Gorsuch.

Nun kommt Trumps zweiter Kandidat. Die republikanischen Senatoren wollen zügig entscheiden, definitiv vor den Zwischenwahlen im November, bei denen sie ihre Mehrheit verlieren könnten. Unfair, klagen die Demokraten wieder, den Republikanern ist das egal. Mit der angestrebten ersten soliden konservativen Mehrheit seit Jahrzehnten im Obersten Gericht, manche Experten sagen, seit den dreißiger Jahren, würden ihre Träume wahr. Bei Vorlagen gegen Umwelt- und Klimavorschriften, Bankenregulierung, Anti-Diskriminierungsgesetze oder Obamas Krankenversicherung bräuchte man sich dann keine großen Gedanken um Interventionen durch die Justiz mehr machen, das gilt auch für die von den Republikanern seit Jahren vorangetriebene Beschränkung des Wahlrechts.

Manche Demokraten machen sich Hoffnungen, dass die republikanische Mehrheit im Senat an den Rändern bröckeln könnte. Als potenzielle Abweichlerinnen gelten die republikanischen Senatorinnen Lisa Murkowski aus Alaska und Susan Collins aus Maine. Die Befürworterinnen des Rechts auf Abtreibung könnten gegen Trumps Richter stimmen. Collins sagte in Interviews, sie würde mit Nein stimmen bei einem Anwärter, der "Feindseligkeit gegenüber Roe v. Wade demonstriert" habe, dem Verfahren, das zum Urteil für die Legalisierung von Abtreibungen führte. Allerdings ist auch bei den Demokraten der Zusammenhalt nicht garantiert. Drei demokratische Senatoren haben für Gorsuch gestimmt.

In den Medien wurde gerätselt, warum Kennedy ausgerechnet jetzt seinen Rücktritt eingereicht hat. Zwingende Gründe sind nicht zu erkennen, er hätte bis nach den Zwischenwahlen warten können. Angeblich hofiert Trump den 81-Jährigen schon seit Längerem in der Hoffnung auf einen günstigen Rücktrittstermin. Kennedys Abschied kommt Trump auch persönlich gelegen. Er kann nun einen Nachfolger ernennen, bei dem er ein gutes Gefühl hat, mit Blick auf den erwarteten Rechtsstreit um die Untersuchung von Sonderstaatsanwalt Robert Mueller zur Russland-Affäre.

Quelle: der FREITAG vom 05.07.2018. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

05. Juli 2018

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