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Anfang einer langen Reise

Bei Donald Trumps Gipfel mit Kim Jong-un wäre jeder Minimalkonsens eine Sensation

Von Konrad Ege

Im Alleingang sei er notfalls in der Lage, den großen Deal abzuschließen. Das ist offenbar die Fantasievorstellung des Donald Trump, denkt er an sein vorgesehenes Treffen mit dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un. In den USA konkurrieren Skepsis und Erleichterung über das Zurückfahren gegenseitiger Kriegsdrohungen. Selbst Trumps politische Gegner sind versucht, einem Gipfel alles Gute zu wünschen. Nicht mehr im Mai, wie es zunächst hieß, sondern Anfang Juni soll laut US-Regierung das Treffen stattfinden. Trump fordert nukleare Abrüstung. Dass Nordkoreas Atomraketen einmal die USA erreichen könnten, gilt als nicht akzeptabel. Pjöngjang sieht sein Nukleararsenal als Faustpfand, will Sicherheit, diplomatische Anerkennung und ein Ende der Wirtschaftssanktionen.

Es regnete dicke Schlagzeilen, als Trump im März bekanntgab, er werde Kim Jong-un treffen, doch sind trotz enthusiastischer Statements des Präsidenten - "Ich denke, es wird großartig sein" - die Erwartungen kleiner geworden. Kaum denkbar, dass Kim die nötigen Kompromisse angeboten werden, auch weil Trump abgelenkt ist. Folgendes lässt sich ohne Lauschangriff auf das Weiße Haus vermuten: Trump beschäftigt sich intensiver mit A Higher Loyalty, dem Auspack-Buch von Ex-FBI-Direktor James Comey ("Ein verlogener Schleimball", so der Präsident), als mit der Vorbereitung auf Kim Jong-un. Zudem haben FBI-Beamte vor Kurzem das Büro von Trump-Anwalt Michael Cohen durchsucht und angeblich Computer wie Mobiltelefone mitgenommen. Zusätzlicher Schocker: Die Aktion erfolgte auf Anweisung eines New Yorker Staatsanwalts, offenbar ermittelt nicht nur Sonderermittler Robert Mueller. Das geht Trump eher an die Existenz als der Mann in Pjöngjang.

Der designierte Außenminister Mike Pompeo hat Mitte April bei einer Senatsanhörung Realitätssinn gefordert. Niemand habe die Illusion, dass der Gipfel zu einem Vertrag über atomare Abrüstung auf der Koreanischen Halbinsel führe. Hört sich einerseits an wie das Statement von Pompeos Vorgängern in demokratischen Regierungen, ist aber genau der Pompeo, von dem es heißt, er sei bereits zu einer direkten Begegnung mit Kim Jong-un in Pjöngjang gewesen. Andererseits hatte Sicherheitsberater John Bolton Ende Februar im Wall Street Journal einen denkbaren Erstschlag gegen Nordkorea damit gerechtfertigt, dass die nukleare Bedrohung von dort nun einmal "eminent" sei, angesichts der US-Erkenntnislücken bei der Aufklärung "sollten wir möglichst nicht bis zur allerletzten Minute warten".

Das Pentagon hingegen streut Warnungen. Ein bewaffneter Konflikt wäre, wie Verteidigungsminister James Mattis es einmal formulierte, eine Katastrophe. Die New York Times hat im Februar über ein geheimes Planspiel für einen "Krieg auf der Koreanischen Halbinsel" berichtet, an dem Heeresstabschef Mark Milley und Tony Thomas, kommandierender General der Special Operations Forces, teilgenommen hätten. "Die Brutalität (eines Krieges) würde die Erfahrung sämtlicher US-Soldaten übersteigen", soll Milley gesagt haben.

Ex-Diplomaten und Experten in den Denkfabriken scheinen die geplanten Gespräche zu begrüßen, haben jedoch Zweifel an der handwerklichen Kompetenz der Regierung. Die Herausforderung, Nordkoreas mögliche Abrüstungsschritte zu verifizieren, werde einmal "viel, viel größer sein", als sie noch vor gut zwei Jahrzehnten gewesen wäre, so Wendy Sherman, US-Chefunterhändlerin bei den Verhandlungen über das Iran-Atomabkommen. Nordkorea habe sechs Kernwaffen getestet und 20 bis 60 auf Lager. Ende der 1990er Jahre war Sherman Nordkorea-Beraterin von Präsident Bill Clinton und reiste 2000 im Tross von Außenministerin Albright zu Gesprächen mit Kim Jong-il, dem Vater von Kim Jong-un, nach Pjöngjang, doch verhandelte man nicht sonderlich erfolgreich über Nordkoreas Raketen. Kim Jong-il habe sie belogen, sagt Albright heute.

Drohungen aus dem Fernseher

Das Magazin Bulletin of the Atomic Scientists zitiert den US-Korea-Experten Siegfried Hecker zum eigentlichen Problem: Washington und Pjöngjang hätten "dramatisch unterschiedliche Ansichten" zum Entstehen ihres Konflikts. Das Beste, worauf man hoffen könne, sei die "Übereinstimmung der Führer, dass sie Krieg vermeiden müssen". Das bedeute auch, Mechanismen zu schaffen, "um Missverständnisse auszuschließen". Die Regierung Trump müsse einsehen, dass der Gipfel "der Anfang einer langen Reise ist und nicht das Ziel".

Die US-Militäraktion gegen Syrien dürfte Nordkorea als ein Signal gedeutet haben, dass man notfalls ähnlichen Aktionen ausgesetzt sein könnte, so Marc Thiessen, einst George W. Bushs Redenschreiber. Der republikanische Senator Lindsey Graham empfahl im Fox-Fernsehen gar einen Enthauptungsschlag. Was Pjöngjang garantiert beobachtet, ist Trumps im Mai fällige Entscheidung über das Atomabkommen mit Iran. Einen Ausstieg könnte die nordkoreanische Führung als Zeichen dafür sehen, dass Ausgehandeltes nur auf dem Papier steht.

Quelle: der FREITAG vom 23.04.2018. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

23. April 2018

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