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Michael Schmid: “Mit grausamer Routine folgt eine Sammelabschiebung nach Afghanistan auf die andere”

Redebeitrag bei Protestkundgebung gegen Afghanistan-Abschiebungen am 23. Januar 2018 in Gammertingen

Rund 40 Menschen nahmen am 23. Januar 2018 in Gammertingen (Landkreis Sigmaringen) an der 7. Protestkundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan teil. Außer dem Protest gegen eine menschenverachtende Abschreckungs- und Abschiebepolitik ins Kriegsland Afghanistan geht es auch darum, Solidarität für Menschen zu zeigen, die nach Deutschland gekommen sind, um hier Schutz zu suchen. Nachfolgend dokumentieren wir Ausschnitte einer Rede von Michael Schmid vom Veranstalter "Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V." 

Von Michael Schmid

Das neue Jahr in Afghanistan beginnt, wie das alte endete: Mit Anschlägen, die viele Menschenleben fordern - und mit Abschiebungen aus Deutschland. Und so stehen wir heute hier in Gammertingen bei unserer 7. Protestkundgebung seit Februar 2017 gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Nochmals zum Hintergrund, der ebenso klar wie auch traurig ist: Mit grausamer Routine folgt eine Sammelabschiebung nach Afghanistan auf die andere. Der Flieger von Düsseldorf aus, mit dem heute wieder Menschen zwangsweise nach Kabul deportiert werden, ist vermutlich gerade in diesen Minuten gestartet. Dieser 9. Abschiebeflug nach Afghanistan, dieses Unternehmen "Air de Maizière Nr. 9" (Thomas Ruttig), ist nicht nur eine Abschiebung in den Krieg, sondern möglicherweise direkt in den Tod. Denn es ist ebenfalls schon traurige Routine, dass vor jedem neuen Abschiebeflug ein schwerer Anschlag in Afghanistan bekannt wird. Das ist allerdings kein Zufall - es gibt einfach ständig massiven Terror gegen Zivilbevölkerung und Sicherheitskräfte in Kabul wie in der Provinz. Es gibt keinen sicheren Ort in dem Land am Hindukusch.

Wie viele Menschen sich heute nun wirklich an Bord befinden, wissen wir im Moment noch nicht. Unter jenen, die für eine Abschiebung vorgesehen waren, befand sich ein junger Mann, der in Afghanistan wegen einer vorehelichen Liebesbeziehung zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde. Die Abschiebung solcher Menschen ist ein an Zynismus kaum zu überbietender Skandal! Gerade vorher gab nun der Bayerische Rundfunk in einer Meldung bekannt, dass heute Vormittag das Verwaltungsgericht einem Eilantrag der Anwältin des jungen Afghanen stattgegeben hat. Die Abschiebung für ihn ist also ausgesetzt und er darf erst einmal in Deutschland bleiben.

Gegen diese menschenverachtende Abschreckungs- und Abschiebepolitik protestieren wir heute Abend. Gleichzeitig wollen wir unsere Solidarität gegenüber Menschen bekunden, die hierher gekommen sind, um in unserem Land Schutz zu suchen, die sich eine neue, sicherere Perspektive erhofft haben als sie dort besteht, wo sie herkommen.

Fast täglich hören wir von Anschlägen und schweren Gefechten auch in angeblich sicheren Regionen in Afghanistan. Die Taliban haben ihre Schreckensherrschaft in ländlichen Regionen schon lange wieder errichtet und die afghanische Regierung arbeitet mit Warlords zusammen, die kaum besser sind als die Taliban. Folter und politische Verfolgung sind nahezu Alltag. Dennoch schwadroniert die Bundesregierung von sicheren Gebieten. Und trotzdem schiebt die Bundesregierung Menschen in dieses Land ab und verbreitet Märchen.

Ich möchte hier den Kommentar des ARD-Korrespondenten Jürgen Webermann aus der Tagesschau vom 28.12.2017 vorlesen. (Michael Schmid trägt an dieser Stelle den Kommentar von Jürgen Webermann vor, der hier nachzulesen ist:  Das Afghanistan-Märchen , Tagesschau vom 28.12.2017.)

Doch es gibt auch noch gute Nachrichten! Vor ein paar Tagen war auf Facebook Folgendes zu lesen:

"Ich freue mich gerade vom Herzen. Ein Afghane, der schon in der Ausländerbehörde saß, um seine freiwillige Ausreise zu unterschreiben, hat heute seine Urteilsverkündung vom Verwaltungsgericht Arnsberg bekommen. Er hat erfolgreich geklagt und statt dem erhofftem subsidiären Schutz, sogar das Flüchtlingsmerkmal anerkannt bekommen!"

Es macht also Sinn, gegen die Ablehnung des BAMF zu klagen. Bei Klagen lag die bereinigte Erfolgsquote bei 44,2 Prozent. Für das Herkunftsland Afghanistan lag die Erfolgsquote sogar bei 61%. Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis vor dem Hintergrund der Tatsache, dass de Maizières Propaganda afghanischen Flüchtlingen seit Jahren abspricht, ernsthafte Asylgründe zu haben.

Angesichts der katastrophalen Lage in Afghanistan fordern wir einen umfassenden Abschiebestopp. Abschiebungen nach Afghanistan sind angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage unverantwortlich und verstoßen gegen das Völkerrecht. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet es, Menschen in Länder abzuschieben, in denen ihr Leben in Gefahr ist. Von Baden-Württemberg fordern wir, sich endlich nicht mehr an diesen verantwortungslosen und unmenschlichen Abschiebungen zu beteiligen. Und das Auswärtige Amt muss endlich einen neuen Lagebericht vorlegen, der die Erkenntnisse von unterschiedlichen staatlichen und ebenfalls nichtstaatlichen Quellen berücksichtigen und diese umfassend würdigen muss. Geflüchteten aus Afghanistan ist ein sicherer Aufenthaltsstatus zu gewähren, der das Recht auf Familiennachzug beinhaltet. Dasselbe gilt auch für Syrien.

Heute Abend und in den vergangenen Tagen hat es in Deutschland zahlreiche Protestveranstaltungen gegen die Afghanistan-Abschiebungen gegeben. Es ist schön, dass auch wir heute hier für Humanität, für Menschrechte, für Flüchtlingsrechte öffentlich einstehen.

Wir werden weitere Protestveranstaltungen organisieren. Und ich rufe ausdrücklich weiter alle Menschen zum Protest gegen Sammelabschiebungen auf. Afghanistan ist nicht sicher!

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Veröffentlicht am

27. Januar 2018

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