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Schon wieder nichts

Donald Trump verliert erneut gegen Obamacare - und an Rückhalt im eigenen Lager

Von Konrad Ege

Der Präsident würde liebend gern große Gesetze unterzeichnen, aber bei der Krankenversicherung bleibt ihm das verwehrt. Hier muss Donald Trump, der im Wahlkampf unablässig versichert hat, er werde Barack Obamas Krankenversicherung "umgehend aufheben und ersetzen", eine schwere Niederlage hinnehmen. Der US-Senat ist trotz republikanischer Mehrheit erneut gescheitert bei diesem Unterfangen.

Trump entgeht wieder einmal ein triumphaler Moment, im dem er mit dem Stift ein Dekret unterzeichnen kann. Mancherorts an der republikanischen Basis entsteht der Eindruck, Trump sei als Präsident trotz aller Verehrung und allen Jubels nicht so bedeutend wie Trumpismus. Im Südstaat Alabama haben die Republikaner Ende September bei Vorwahlen für einen Senatssitz den ultrarechten Roy Moore gewählt - obwohl Trump für dessen Rivalen Kampagne gemacht hatte. Gleich nach der Wahl löschte der Präsident seine Twitter-Botschaften gegen Moore.

Rechts, links, fallen lassen

Die ziemlich radikal marktwirtschaftliche und weiß-identitätspolitische Strömung in der Politik lässt sich nicht auf Donald Trump reduzieren. Zunehmend prägt sie die republikanische Partei. Und man sollte nicht übersehen, bei der Krankenversicherung im Senat haben die Republikaner nur knapp verloren. Beinahe alle der 52 republikanischen Senatoren waren bereit, für eine Reform zu stimmen, die das bestehende Gesundheitswesen zerdeppert hätte. Eine Reform, die viele Millionen Amerikaner den Versicherungsschutz kosten würde und beim Ärzteverband American Medical Association, Patientenorganisationen und selbst vielen Versicherungsfirmen auf entschiedenen Widerstand stieß. Letztere hatten Angst vor "der Unsicherheit auf dem Versicherungsmarkt".

Nach dem republikanischen Plan wären bestimmte Steuern zur Finanzierung des Gesundheitswesens gestrichen, die Versicherungspflicht von Obamacare aufgehoben, Auslagen für das staatliche Hilfsprogramm Medicaid für die Ärmsten stark reduziert und Versicherungssubventionen für Gering- wie Mittelverdiener eingestellt. Stattdessen bekämen die Bundesstaaten begrenzt Steuermittel, um individuelle Versicherungssysteme aufzubauen. In den Staaten wüssten die Politiker besser als die "Bürokraten in Washington", was gebraucht werde, so der Ko-Autor des Gesetzentwurfs, Senator Lindsey Graham. Man hätte weiter die Obamacare-Vorschrift kassiert, wonach Versicherungen auch Kranke aufnehmen müssen und Minimalleistungen wie Vorsorgeuntersuchung und Geburten gedeckt werden.

Wie der jetzige Entwurf Bürgern im Krankheitsfall helfen sollte, ließ sich schwer vermitteln. Laut Umfragen lehnte ihn eine Mehrheit der Amerikaner ab. Der republikanische Senator Charles Grassley räumte ein, er könne zehn Gründe nennen, warum der Entwurf nicht zur Diskussion stehen sollte. Er war trotzdem dafür. Die Republikaner hätten damit so oft Wahlkampf gemacht, dass sie nun handeln müssten. Medien sprachen vom Druck konservativer Geldgeber. Es ging ums Gewinnen. Und "letztendlich werden wir gewinnen", versichert Trump. "Ob das jetzt ist oder später."

Es ist peinlich, wenn ein Politiker drauflos redet, ohne zu wissen, dass ein Mikrofon eingeschaltet ist. Chuck Schumer, Chef der Demokraten im US-Senat, hat das jüngst erfahren. Er sprach Mitte September vor einem heißen Mikro über ein Arbeitsessen demokratischer Führungspolitiker mit Trump. "Er mag uns. Auf jeden Fall mag er mich", sagte Schumer, langjähriger Senator aus New York. Er habe Trump geraten: "Sie erreichen viel mehr, wenn Sie manchmal einen Schritt nach rechts machen und manchmal einen nach links." Manche demokratische Politiker machen sich Hoffnung, sie könnten mit Trump zusammenarbeiten.

Und eine gewisse Normalisierung mit Trump deutet sich an. Sein geschasster Pressesprecher Sean Spicer tingelt durch TV-Studios und witzelt seine Lügen weg; selbst bei der Verleihung des Emmy-Fernsehpreises durfte Spicer auftreten. Der eine oder andere Medienkommentar spekuliert gar über eine neue Überparteilichkeit in Washington: Donald Trump zeige sich offen für Kooperation mit den Demokraten - bei der Hilfe für Hurrikan-Geschädigte, bei einem Anheben der Schuldenobergrenze, selbst bei der Einwanderung, wo er wohlwollende Worte fand für die jungen Migranten, die 800.000 sogenannten Dreamer, die als Kinder ohne Papiere in die USA gekommen sind. Denen droht jetzt Abschiebung (vielleicht doch nicht?), weil Trump Obamas Schutzprogramm gekippt hat. Und nach der Niederlage im Senat erklärt Trump nun, er werde mit Demokraten über die Krankenversicherung verhandeln. Auch bei der Steuerreform hoffe er auf Deals. Mit wem? Prompt fällt einem Senator Schumer ein, der von 2011 bis 2016 laut opensecrets.org 28 Millionen Dollar an Wahlspenden gescheffelt hat. Seine Geldgeber waren Finanzmanager, Rechtsanwälte und Immobilienmakler.

Sanders zeigt wie es geht

Doch da ist auch Bernie Sanders, Präsidentschaftsanwärter 2016 bei den Demokraten. Er hat im September seine Version einer Gesundheitsreform vorgelegt, die darauf zielt, Medicare, die staatliche Versicherung für Senioren, schrittweise auf niedrigere Altersgruppen auszudehnen. Bereits im Wahlkampf hatte er Ähnliches gefordert. Doch Hillary Clinton und Parteiprominente zogen nicht mit: Zu radikal für die USA, das könne nicht finanziert werden. Bei Sanders’ neuem Anlauf sieht es ein klein wenig besser aus: 16 demokratische Senatoren sind mit dabei.

Das Magazin The Nation, Barometer des irgendwie linken Amerikas, lobt die Vorlage als "brillant". Viele Anhänger von Sanders wollen nicht hinnehmen, dass in den USA eine staatliche Versicherung wie im Nachbarland Kanada unmöglich sein soll. Es wird noch viel Überzeugungskraft gebraucht. Sanders’ Heimatstaat Vermont hat 2014 eine "sanders-artige" Krankenversicherung wegen drohender Steuererhöhungen aufgegeben. Im demokratisch regierten Kalifornien stoppten Politiker diesen Sommer einen Entwurf für eine umfassende staatliche Versicherung. Die Finanzierungsfrage konnte nicht geklärt werden. Bei Sanders’ Reform würden Steuern steigen müssen. Im Namen sozialer Solidarität muss man offen drüber sprechen.

Quelle: der FREITAG vom 08.10.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

09. Oktober 2017

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