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Mit dem Krieg im Gepäck

Saudi-Arabien: Für Riad zahlt es sich aus, Donald Trump demonstrativ hofiert zu haben

Von Sabine Kebir

Wenn es zutrifft, dass sich Saudi-Arabien und die USA darüber abgestimmt haben, die Katar-Krise loszutreten, dann stellt sich die Frage, welche Rolle der spektakuläre Doppelanschlag im Iran dabei gespielt hat. Der "Islamische Staat" (IS) reklamierte die Bluttat für sich. In Saudi-Arabien dürfte sich die Trauer über die Opfer trotzdem in Grenzen gehalten haben. Denn die Anschläge in Teheran zielten auf Identitätssymbole des Iran, die nicht nur dem Wahhabismus des IS, sondern auch dem saudischen Wahhabismus ein Gräuel und den USA zumindest ein Dorn im Auge sind: auf das demokratisch gewählte Parlament und das Mausoleum des Ayatollah Khomeini.

Dies bestärkt den Verdacht, dass es bei Katar nicht nur darum geht, die von diesem Land bewaffneten Gruppen zu zähmen. Vielmehr sollen alle Staaten des Golf-Kooperationsrates samt ihren aus aller Welt rekrutierten terroristischen Hilfstruppen auf eine Linie gegenüber Iran eingeschworen werden. Dem hat sich Katar bislang mehr oder weniger entzogen. Ohne diesen Schulterschluss kommt es nicht zu der Nahostmilitärallianz, die auch Israel nachdrücklich fordert. Sie wäre ohne Katar weit weniger effizient als erhofft.

Äußerlich lässt sich der Konflikt zwischen Riad und Doha gewiss beilegen, geht es doch eigentlich um die Konkurrenz zwischen Saudi-Arabien und Iran, deren gespanntes Verhältnis sich zuletzt immer mehr aufgeheizt hat. Nachdem Anfang 2016 in Saudi-Arabien 47 Schiiten, darunter der bekannte Geistliche Nimr al-Nimr, hingerichtet worden waren, stürmten aufgebrachte Iraner die saudische Botschaft in Teheran, so dass Riad daraufhin die diplomatischen Beziehungen abbrach. Weil auch schiitische Pilger in Saudi-Arabien nicht mehr sicher sind, hat der Iran die Pilgerreisen nach Mekka für seine Bürger seit zwei Jahren ausgesetzt. Die im Westen medial gern in den Vordergrund gerückte, angeblich ewig brodelnde Fehde zwischen Schia und Sunna ist nur die äußere Hülle für den tatsächlichen Zwist um politische und wirtschaftliche Hegemonie in der Region. Wie gerade die jetzige Krise zwischen Saudi-Arabien und Katar zeigt, kann es ohne weiteres zu bedrohlichen bis hin zu kriegerischen Konflikten zwischen weltanschaulich kompatiblen sunnitisch-wahhabitischen Staaten kommen. Die wachsende Aggressivität Saudi-Arabiens, Israels und der USA gegenüber dem Iran beruht auf der äußerst zerstörerischen, aber bislang glücklosen Einmischungspolitik des Westens und der Golfstaaten in deren Nachbarländern. Sie hat freilich den Iran kaum geschwächt, sondern seinen Einfluss eher vergrößert, seit im Irak eine Regierung herrscht, von der die unter Saddam Hussein unterdrückte schiitische Mehrheit repräsentiert wird. Das ermöglicht es Bagdad, Teheran, der syrischen Armee und nicht zuletzt russischen Militärs, in Syrien zusammenzuarbeiten. Davon ist in westlichen Medien so gut wie keine Rede. Ob der Iran, wie von Saudi-Arabien permanent behauptet, auch im Jemen aktiv ist, wurde nie bewiesen. Fest steht nur, dass im Jemen eine historisch tief verwurzelte Abneigung besteht, sich von Saudi-Arabien dominieren zu lassen.

Und die Türkei hat sich überraschend klar auf die Seite des Emirats gestellt. Zuvor hatte Scheich Hamad al-Thani, der Staatschef Katars, den Islamisierungskurs von Präsident Erdogan mit vielen Petrodollars gestützt. Auch will Ankara - wie der Iran - mit Lebensmittellieferungen helfen und einen mit 3.000 Soldaten ausgestatteten Militärstützpunkt in Katar erweitern. Was zugleich heißt, dass die Türkei - zur Zeit jedenfalls - einen gemäßigten Kurs gegenüber Teheran verfolgt. Erdogan wurde zu einem störrischen und eigenmächtigen Partner der USA, seit diese die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen verweigern, der für den Putschversuch 2016 verantwortlich sein soll. Er stört sich zudem daran, dass US-Spezialeinheiten wie die US Air Force das militärische Kommando in den nördlichen und westlichen Kurdengebieten Syriens beanspruchen.

Clintons Forderung

Die Bündnisse des Westens im Nahen Osten erweisen sich als zerrüttet. Sie zu reparieren, wird nicht nur Mühe, sondern auch Zeit kosten. Bringt Präsident Trump das dafür nötige diplomatische Geschick auf? Zeigt er sich geduldig? Aus aktuellem Anlass hebt WikiLeaks einen Passus der keineswegs angestaubten E-Mails von Hillary Clinton hervor, um zu sagen, dass Trump tun sollte, was die Ex-Außenministerin wollte. Sie hatte verlangt, alle den USA zur Verfügung stehenden "diplomatischen und traditionellen Aufklärungsmöglichkeiten zu nutzen, um Druck auf die Regierungen Katars und Saudi-Arabiens auszuüben, die finanzielle und technische Unterstützung für den IS und andere radikale Gruppierungen in der Region leisten". Der IS hat mit seinen Anschlägen in Teheran jedenfalls signalisiert, dass er in der Front gegen den Iran gern mitmischen würde. Dafür müsste er sich nur einen neuen Namen geben.

Obwohl außer Frage steht, dass sich die deutsche Regierung nicht wirklich von der Politik in Washington emanzipiert, sind doch Bemühungen sichtbar, eine deeskalierende Position zu den Konflikten im Nahen Osten zu markieren. So hat Bundestagspräsident Lammert in seinem Kondolenzschreiben wegen der Attentate im Iran die "feige, menschenverachtende Attacke auf die gewählte Volksvertretung und einen wichtigen Ort des Andenkens, das Mausoleum für Revolutionsführer Ayatollah Khomeini" gebrandmarkt und vermerkt, dass er erst vor drei Monaten iranische Parlamentarier empfangen und mit ihnen "einen fruchtbaren Gedankenaustausch" hatte. Die "gezielte Zusammenarbeit aller Staaten" bei der Bekämpfung des Terrorismus, so Lammert, sei "unverzichtbar".

Quelle: der FREITAG vom 19.06.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

21. Juni 2017

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