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USA: Kampf der Graswurzeln

Bernie Sanders hat zwar im Staat Indiana gewonnen, aber gegen Hillary Clinton letzten Endes doch verloren. Geschlagen geben will er sich trotzdem nicht

Von Konrad Ege

Bei den Republikanern ähneln die Vorwahlen einer Karambolage auf der Autobahn: Vorbeifahrer gaffen fast unfreiwillig auf das schwelende Wrack der Partei. Welcher Donald Trump fährt heute vor? Der vermeintlich tiefe Denker mit der außenpolitischen Grundsatzrede oder der autoritäre Demagoge, der seine Gegenspieler - wie am Wochenende in Kalifornien - wieder einmal als Verlierer und als dumm beschimpft? Der Sieger im Staat Indiana, der seinen Rvialen Ted Cruz zur Aufgabe gezwungen hat?

Bei den Demokraten tun sich manche Bernie-Sanders-Anhänger - trotz des Sieges gegen Hillary Clinton in Indiana - verdammt schwer mit der Wirklichkeit, dass es wohl nichts wird mit Sekt und Siegespodest. Umfragen würden doch zeigen, dass viele Wähler Hillary Clinton nicht trauen, klagen sie. Sanders habe bessere Chancen gegen den nun wohl unvermeidlichen Donald Trump. Der Kandidat verspricht, er wolle durchhalten bis zum Megastaat Kalifornien am 7. Juni oder gar bis zum Nominierungskonvent im Juli. Ende April hat Sanders allerdings etwa 250 bezahlte Wahlkampfhelfer entlassen, die Spendeneinnahmen sind von 46 Millionen Dollar im März auf 26 Millionen in April eingebrochen.

Das Sanders’sche Weltbild vom Kampf der Graswurzeln gegen die Elite hat nie ganz gestimmt. Zwölf Millionen Vorwähler haben für Hillary Clinton gestimmt, drei Millionen mehr als für Sanders. Die letzte große Vorwahlrunde am 26. April in Pennsylvania, Rhode Island, Connecticut, Delaware und Maryland war bekanntermaßen ein Desaster für Sanders. Clinton gewann viermal. In Maryland, einem der "linkesten" Staaten der Nation, mit 63 Prozent. Hillary Cinton hat eben auch ihre Graswurzelbewegung. Viele Demokraten fürchten, Sanders’ Revolution werde ihnen weniger nützen als Clintons Kurs der kleinen Schritte.

Desaströs für Sanders

Doch Wandel ist angesagt. Eines hat der unabhängige Senator aus Vermont überzeugend vorgeführt: Entgegen der von demokratischen Politikern seit Jahren akzeptierten These, man brauche schon bei Vorwahlen deftige (und zwangsläufig kompromittierende) Spenden aus Wirtschaft und Finanzwelt, lassen sich mit attraktiven progressiven Gedanken genug Spender mobilisieren, um mithalten zu können. Donald Trump hat seine Partei auf den Kopf gestellt. Reformbemühte Demokraten haben es dagegen in der Hand, ihre Partei umzubauen. Das wäre gewiss unspektakulär und schwierig, denn man muss mitmischen im Apparat, kandidieren für Ämter in Gemeinderäten und den Parlamenten der Bundesstaaten. Und Fragen erlauben, was Sanders falsch gemacht hat in seinem Wahlkampf.

Im progressiven Parteiflügel sind besonders afroamerikanische und Latino-Politiker vertreten. Die Sanders-Bewegung aber ist überwiegend weiß. Ein Mitarbeiter namens Chris Horton hat auf einer Webseite der Democratic Socialists of America den Wahlausgang im Staat New York am 19. April seziert (Clinton 58, Sanders 42 Prozent). Horton beklagt Benachteiligung: Im ländlichen Norden, wo Sanders in vielen Bezirken gewonnen habe, wären die Wahllokale erst ab zwölf Uhr geöffnet gewesen. In New York City habe die Wahlaufsichtsbehörde zudem viele Registrierungsunterlagen durcheinandergebracht.

Doch davon abgesehen gebe es die für Sanders’ "desaströse Sache der städtischen schwarzen und Latino-Wähler". In New York habe Clinton fast in allen mehrheitlich afroamerikanischen und Latino-Vierteln gewonnen. Auch die Stadtbezirke mit Jahreseinkommen unter 50.000 Dollar seien weitgehend an Sanders’ Rivalin gegangen. Dieses Wahlverhalten zu verstehen sei entscheidend, um "eine Koalition aufzubauen, die stark genug ist, um die Klasse der Milliardäre zu konfrontieren".

Der Graben zwischen Weiß und Schwarz beziehungsweise Latino existiert auch im linken Amerika. Wahrnehmungen unterscheiden sich, etwa beim Urteil über acht Jahre Obama. Sanders spricht gern nostalgisch von seinem Studium, als es fast nichts gekostet habe, auf die Uni zu gehen. Für Afroamerikaner war das vielfach noch eine Zeit der Diskriminierung. Offenbar im Vertrauen auf die Überzeugungskraft seiner wirtschaftlichen Botschaft hat Sanders die Arbeit in afroamerikanischen und Latino-Milieus vernachlässigt - Hillary Clinton nicht. Ihre Wählerkoalition ähnelt der, die Obama ins Weiße Haus brachte: Afroamerikaner, Latinos, Bürger asiatischer Herkunft, gewerkschaftlich Organisierte, Frauen, Einkommensschwache, fortschrittliche Weiße - es fehlt bislang nur die Jugend.

Viel Neues wird man nicht mehr erfahren bei den Demokraten in den kommenden Wochen. Sanders’ Reden klingen wie die vor einem Jahr. Clinton betont, dass ihre und Sanders’ Wähler "viel mehr verbindet als trennt". Ob das alle Fans des weißhaarigen Senators wirklich beeindruckt, wird sich erst am Wahltag zeigen. Als Clinton bei den Vorwahlen vor acht Jahren gegen Obama verlor, sagten manche ihrer Wähler anfangs auch, sie würden nicht für den späteren Sieger stimmen.

Durch den Reißwolf

Die Republikaner haben viel größere Probleme: Nach Mitt Romneys Niederlage 2012 publizierte die Partei ein viel beachtetes Strategiepapier: Die Partei müsse ihr Zelt vergrößern, um mehrheitsfähig zu werden - auf junge Menschen zugehen, auf Afroamerikaner, Latinos, Frauen, überhaupt toleranter werden. Trump hat das Papier durch den Reißwolf gejagt. Viele seiner Leute sind frustrierte Weiße aus Mittelschicht und Arbeiterklasse, die Beifall spenden, wenn Trump vom Grenzzaun zu Mexiko spricht oder von einer Außenpolitik, die will, dass Verbündete für den Schutz durch die USA bezahlen. Augenscheinlich reicht das, um Vorwahlen zu gewinnen: kein schönes Bild von Amerika.

Anfang Mai hat Clinton nun laut AP 1.663 Delegierte plus mindestens 520 Superdelegierte; Sanders 1. 410 plus 39 - 2.383 Stimmen reichen beim Parteikonvent zum Sieg. Trump verfügt über 1.007 Delegierte; Ted Cruz und John Kasich zusammen über 699. Um sich durchzusetzen, braucht man bei den Republikanern mindestens 1.237 Stimmen.

Quelle: der FREITAG vom 04.05.2016. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

06. Mai 2016

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