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USA: Ratlos im Weißen Haus

Die Supermacht kann nicht mehr garantieren, dass die schweren Konflikte im Irak und in Syrien in ihrem Interesse gelöst werden

Von Konrad Ege

Es steckt offenbar in der politischen DNS vieler Männer und Frauen, die in Washington das Sagen haben oder haben wollen: "God’s Own Country" ist überzeugt von seinem globalen Anspruch und seiner Fähigkeit, Probleme zu lösen. Doch das Problem Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien lässt sich nicht von außen richten. Barack Obamas Hilfe für die Kunstgebilde irakischer Staat und demokratische Opposition in Syrien ist begrenzt.

Zwar bleiben die Vereinigten Staaten militärisch gesehen mit Abstand die stärkste Macht der Welt, doch das genügt nicht, um Kriege zu führen und diese bei Konflikten wie im Nahen Osten auch zu gewinnen. Ungeachtet dessen halten mit Blick auf den Irak und Syrien viele Politiker an einer Rhetorik der Stärke fest, die längst nicht mehr glaubwürdig ist. Präsident Obama - Konkursverwalter einer gescheiterten Politik, die zurückgeht auf seinen Vorgänger George W. Bush - kann nicht mehr erklären, wie es funktionieren soll, den selbsternannten Islamischen Staat zu "reduzieren und letztendlich zu vernichten" ("degrade and ultimately destroy"). Also will das Weiße Haus die Landnahme des IS wenigstens aufhalten. Einen Tag nachdem die irakische Stadt Ramadi am 17. Mai in die Hände von IS-Truppen gefallen war, versicherte Obama in einem Interview mit der Plattform theatlantic.com , Ramadi sei nur ein "taktischer Rückschlag".

Derweil lärmen die republikanischen Möchtegern-Präsidenten über Obamas strategische Missgriffe. Rhetorisch geht es zu wie im Wilden Westen. "Wir werden euch suchen, finden und töten", droht Präsidentenbewerber Marco Rubio in Richtung Terroristen. Sein Rivale Rick Santorum sieht das so: Den Islamischen Staat müsse man "zurück ins siebte Jahrhundert bomben". Immobilienmogul Donald Trump versichert, er habe einen definitiven Plan, könne aber keine Details bekannt geben. Obamas Politik sei ein Desaster, sagt Senator John McCain, gegenwärtig nicht Präsidentschaftskandidat der Republikaner, aber von vielen Medien hofiert als weiser Staatsmann. Der IS habe es auf die USA abgesehen. "Sie sind ein Krebs und der Krebs wird sich verbreiten, wenn er nicht gestoppt wird", sagt McCain Ende Mai bei CNN. Man brauche eine "Strategie". Allerdings werden konkrete Ideen kaum angeboten von republikanischer Seite. McCain spricht von 10.000 US-Soldaten, die man in den Irak schicken müsse.

Ein Jahr ist es her seit Obamas Grundsatzrede vor der US-Militärakademie in West Point und seiner wohl definitivsten Aussage zum Einsatz militärischer Macht: Amerika müsse immer führen, so der Präsident. Die Streitkräfte seien das Rückgrat dieser Führung. Wären die Kerninteressen der USA bedroht, würde er die Armee auch unilateral einsetzen. Doch in anderen Fällen müssten die USA umsichtig vorgehen, militärische Mittel seien nicht immer die geeignetsten. Historisch gesehen seien die größten Fehler nicht durch Zurückhaltung entstanden, "sondern durch die Bereitschaft, uns in militärische Abenteuer zu stürzen, ohne an alle Konsequenzen zu denken".

Ohne Kampfgeist

Das war keine Friedensbotschaft, vielmehr ein Realitätscheck. Im Februar hat Obama dem Kongress einen Gesetzesentwurf zum "Autorisieren des Einsatzes militärischer Mittel" vorgelegt. Er will in vorbeugender Absicht die Zustimmung zum Militäreinsatz gegen "Personen und Kräfte, die mit dem IS oder Nachfolgeorganisationen des IS assoziiert" sein könnten. Und das weltweit. Angeblich hat der Präsident bisher gut 3.000 Luftangriffe fliegen lassen gegen den IS im Irak und in Syrien. Zusätzlich wird durch US-Drohnen überwacht und getötet. Rund 3.000 Militärberater stehen im Irak auf Seiten der Nationalarmee. Eine unbekannte Zahl von Elitesoldaten der Special Operations Forces (SOF) dürfte tätig sein - mobil, flexibel, einsatzbereit, oft im Geheimen tötend.

Viel weiter jedoch soll das wohl nicht gehen. Obama will sich offenbar nicht vom IS und dessen Propaganda in einen breiten Krieg hineinziehen lassen. Den irakischen Streitkräften traut die US-Regierung ohnehin nicht; Verteidigungsminister Ashton Carter hat das nach dem Fall von Ramadi laut gesagt: Die Soldaten hätten "keinen Kampfgeist gezeigt".

Bei alldem ist die Interessenlage der USA noch aus einem anderen Grund vertrackt. Man schätzt die Hilfe der iranischen Milizen für die irakische Regierung, will aber mit denen nicht auf Waffenbrüderschaft trinken. Die Herrscher von Saudi-Arabien schauen längst mit Argwohn auf die US-Annäherung an Teheran, das zugleich die syrische Regierung gegen den IS unterstützt. Und Saudi-Arabien führt in einer Militärkoalition mit mehreren Golfmonarchien einen Krieg im Jemen gegen die mit dem Iran verbündete Huthi-Bewegung. Obama versucht seit Monaten, diese Konfrontation der Interessen auszubalancieren. Priorität hat der Erhalt eines irakischen Staats, dessen ultimativer Zusammenbruch verhindert werden soll. Der Präsident könne sich vorstellen, mehr Ausbilder zu schicken und diese sogar mit den irakischen Streitkräften "auf das Schlachtfeld" zu schicken, wird General Ray Odierno zitiert, Stabschef des US-Heeres, der freilich ergänzt: "Aber ich bin absolut dagegen, US-Bodenkampfeinheiten zu stationieren." Im Februar hatte es noch geheißen, ein Angriff auf die von IS-Milizen seit Juni 2014 besetzte Stadt Mossul stehe unmittelbar bevor. Davon ist keine Rede mehr.

Interessen sortieren

Die Veranstaltung Ende Mai im Convention Center von Tampa Bay in Florida hieß Special Operations Forces Industry Conference. Es handelte sich um eine Messe der Rüstungsindustrie, zugeschnitten auf die SOF-Eliteeinheiten. 340 Unternehmen stellten Produkte vor, vom tragbaren DNS-Auswertungsgerät bis hin zu mobilen Stromgeneratoren. Laut Webseite der Organisatoren war auch Airbus dabei, ebenso die deutsche Rüstungsfirma Heckler & Koch. Gewidmet war das Meeting dem Motto: "In einer komplexen Welt gewinnen!"

Medienberichten zufolge soll der Irak das maßgebende Thema gewesen sein, nicht mehr Afghanistan. Der Chef des US Special Operations Command, General Joseph Votel, sprach zur Lage: Seine Leute seien heutzutage "tätig in der möglicherweise komplexesten strategischen Umgebung seit Jahren". Man treffe auf eine "unglaubliche Eruption" ausländischer Kämpfer im Nahen Osten, die dem Islamischen Staat Beistand leisteten. Verbindungen würden geknüpft zu "transnationalen kriminellen Organisationen und gewalttätigen extremistischen Gruppen".

Die Zeiten sind vorbei, in denen die USA den Ausgang eines solchen Konflikts garantieren konnten. Obama sortiert anscheinend erst einmal, was wirklich amerikanische Interessen sind. Um die geht es im Weißen Haus, nicht um irgendwelche "Werte" oder humanitären Motive, "damit den Menschen geholfen wird". So handeln Regierungen.

Quelle: der FREITAG vom 05.06.2015. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

07. Juni 2015

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