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Peking wird aggressiver

Von Karl Grobe

China vertritt seine Interessen immer offener. Konflikte mit Nachbarn regelt Peking aus einer Position der Stärke. Der Rivale USA ist anderweitig beschäftigt, Europa wenig interessiert.

Wenn indische Politiker Nachbarstaaten besuchen, schauen Europäer und Nordamerikaner kaum hin. Freundschaft in der Region ist ja nur zu begrüßen. Die Reise des Premiers Narenda Modi nach Sri Lanka hat Aufmerksamkeit verdient. Dem Gast aus Neu-Delhi geht es nämlich auch darum, dass ein anderer Nachbar möglichst wenig Einfluss auf die in Colombo Regierenden nimmt. Dieser andere Nachbar heißt China.

Sri Lanka nimmt eine Schlüsselstellung an den Seewegen zwischen dem Fernen Osten und Europa (und den ölreichen Staaten am Persischen Golf) ein. Das war schon so, als die Insel im Westen noch Ceylon hieß und der chinesische Admiral Zheng He sie von Osten her umsegelte. An seine gewaltigen Flottenexpeditionen vor sechshundert Jahren, die bis Ostafrika und ins Rote Meer führten, erinnert China gern. Sie waren Ausdruck einer maritimen Politik, die heute unter dem Namen "Seidenstraße zur See" neu belebt wird.

Das klingt harmlos. Es ist aber Teil einer Weltpolitik, die Peking, dem Wunsch und Willen seiner Führung entsprechend, einen bedeutenden Platz in der internationalen Politik wiederbringen soll. Den respektierten Platz Nummer eins, wie er der Bevölkerungszahl entspricht, aus der Jahrtausende langen Kontinuität der Kultur und Zivilisation abgeleitet werden kann und wie er vor zwei Jahrhunderten an die imperialistischen Mächte verloren gegangen ist. Diese - damals vor allem Großbritannien und Russland, heute ganz besonders die USA, auch Europa, immer noch Russland, Japan und als neuer Faktor Indien - sind die Rivalen in der Gegenwart. Und zugleich Partner.

Die Beziehungen zwischen den Regierenden in Peking und Moskau wirken direkt nach Europa: Was Russland im Westlichen Teil den Kontinents erreichen kann (nicht nur in der Ukraine), ist dadurch bedingt, welchen Spielraum China ihm lässt. Partnerschaft wollte schon Boris Jelzin, auch Wladimir Putin wünscht sie wohl. Realisten wissen: Russland wäre Juniorpartner. Wirtschaftlich ist die junge Industriemacht China dem auf Rohstoffausfuhr reduzierten Russland weit überlegen, als Atom- und Vetomächte stehen sie einander nicht nach; aber Russland hat nicht mehr Einwohner als die chinesischen Provinzen Sichuan und Chongqing zusammen.

Rivalität baut sich in Mittelasien auf

Rivalität baut sich in Mittelasien auf, verdeckt durch den Einigkeit vortäuschenden Schanghai-Kooperationsrat. China hat die Herrschaft über einen großen Teil der Märkte angetreten, liefert Waren, die Russland nicht im Angebot hat, und bindet Öl- und Gasförderer an sich. Russland baut auf die Machteliten, wie sie seit Sowjetzeiten bestehen - und brüchig werden.

Von Peking aus gesehen ist die Region Teil der "neuen Seidenstraße", Schauplatz durchgehender Bahnverbindungen von Rotterdam nach Lianyungang, von Duisburg nach Schanghai, in ein paar Jahren womöglich angeschlossen an das dann größte Superschnellbahnnetz Eurasiens. Die Chinesen kommen.

In manchen afrikanischen Staaten sind sie schon da - dort, wo es zum Beispiel Öl gibt. Ob die dortigen Regierungen den Grundsätzen entsprechen, die etwa in den UN-Statuten über Menschenrechte stehen, interessiert die Pekinger herzlich wenig. Ein Abklatsch der uralten Lehre, dass die anderen letztlich Barbaren sind, dass ihre Eigenarten Folklore sind? Oder Realpolitik, in der Cash und Feuerkraft gelten?

Das neue Selbstbewusstsein der chinesischen Elite, wie es sich unter Xi Jinping und durch ihn formuliert, enthält Nationalismus als Kern, einen kulturalistischen und die Geschichte der ältesten fortdauernden Hochzivilisation aufnehmenden Anspruch. Das gilt vor allem fürs inländische Publikum, seit von den Maozedong-Ideen nur jene "Fortentwicklungen" geblieben sind, die den Gegenwartskapitalismus und eben die Größe der Nation rechtfertigen. Nach außen zählen Interessen.

Die werden deutlich dargestellt im nähergelegenen Abschnitt der "Seidenstraße zur See", in Randmeeren des Ost-Pazifik, vor allem im Südchinesischen Meer. China beansprucht dort die gesamte Struktur von Riffen und Inseln in Konkurrenz zu Vietnam, Indonesien, den Philippinen und kleineren Anrainern. Verkündete der Reformer Deng Xiaoping noch, das alles werde erst in drei Generationen gelöst, man müsse also jetzt nicht aktiv werden, so richtet die gegenwärtige Führung dort feste Marinestützpunkte ein, baut Leuchttürme und Flugplätze und ganz neue Inseln, die unter der Administration einer neuen Präfektur zusammengefasst werden.

Dass Inselgruppen wie Spratly, Paracel, Scarborough Reef und andere nach gängigem Seerecht eher in den Wirtschafts-, wenn auch nicht Territorialgewässern Vietnams, Malaysias oder der Philippinen liegen, hat zweiseitige Konflikte zur Folge, die China von einer Position der Stärke aus regelt. Keiner der Staaten in der Region, Japan und beide Koreas eingeschlossen, ist ja mit auch nur einem der anderen eng befreundet. Das erleichtert Peking vieles. Der eigentliche Rivale USA ist anderweitig beschäftigt, Europa wenig interessiert.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 15.03.2015. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

26. März 2015

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