Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS



Suche in www.lebenshaus-alb.de
 

Konkurrenzprobleme und Widerstände

Die deutschen Einflussbestrebungen in Afrika stoßen in wachsendem Maß auf Konkurrenzprobleme und Widerstände. Dies hat die Reise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier Ende letzter Woche erneut bestätigt. Zwar besitzen Kenia, wo Steinmeier am Sonntag zu Gesprächen eintraf, sowie die übrigen Staaten der East African Community für Berlin spürbare Bedeutung: Sie operieren militärisch und diplomatisch in Kriegen wie in Somalia und im Südsudan auf Seiten des Westens - und ermöglichen es damit auch Deutschland, in gewissem Maß Einfluss zu nehmen, ohne selbst Soldaten in den Einsatz schicken zu müssen. Doch verstärkt China seine wirtschaftliche Position in Ostafrika kontinuierlich; Deutschland fällt mittlerweile so sehr zurück, dass der eigene politische Einfluss nicht dauerhaft gesichert erscheint. Politische Einbrüche verzeichnet die Bundesrepublik bereits in Südafrika. Der Staat, den Berlin lange als "Juniorpartner" bei der Sicherung westlicher Dominanz betrachtete, verweigert sich im Rahmen des BRICS-Zusammenschlusses zunehmend westlichen Forderungen. Muss der deutsche Versuch, sich über Stellvertreter Einfluss in Afrika zu sichern, damit erste Brüche hinnehmen, so verzeichnet auch das Bemühen Rückschläge, mit eigener Militärpräsenz die Kontrolle wiederzugewinnen: Der Norden Malis kommt trotz der EU-Operationen in dem Land - mit deutscher Beteiligung - nicht zur Ruhe.

Im Interesse des Westens

Kenia, dessen Hauptstadt Nairobi Außenminister Frank-Walter Steinmeier am vergangenen Wochenende besuchte, besitzt aus deutscher Perspektive eine spürbare strategische Bedeutung. Es ist der ökonomisch stärkste Staat der East African Community (EAC), eines Staatenbundes, der außer Kenia, Uganda und Tansania inzwischen auch Ruanda und Burundi umfasst und der darüber hinaus den ungemein ressourcenreichen Südsudan aufnehmen will. Die EAC, die - auch aufgrund umfangreicher Erdöl- und Erdgasfunde in Kenia, Uganda und Tansania - auf einen lange anhaltenden Wirtschaftsboom hofft, betätigt sich zunehmend als Kontrollinstrument des Westens in den Konflikten Ostafrikas. Die EAC-Staaten Uganda, Burundi und Kenia intervenieren mit ihren Streitkräften in Somalia und beteiligen sich dort an dem Versuch, dem Westen genehme Kreise in Mogadischu an die Macht zu bringen.S. dazu Interventionspolitik und Terror . Uganda hat im Südsudan, wo Ende 2013 neue Kämpfe begonnen habenS. dazu Das Wirken der Geostrategen und Die Folgen westlicher Sezessionspolitik ., Soldaten stationiert; Kenia bemüht sich dort um Vermittlung zwischen den Bürgerkriegsparteien. In Somalia wie auch im Südsudan ergänzen die EAC-Staaten ähnliche Anstrengungen Äthiopiens, das ebenfalls als Stellvertreter des Westens interveniert.S. dazu Ordnungsmacht in Ostafrika und Der afrikanische Tiger . Steinmeier hat am Sonntag in Nairobi auch über die Konflikte in Somalia und im Südsudan verhandelt.

Deutschland fällt zurück

Wie inzwischen fast überall auf der Welt ist Berlin bei seinen Einflussbemühungen in Kenia mit einer schnell wachsenden wirtschaftlichen Präsenz Chinas konfrontiert. Der deutsche Außenminister bezifferte die deutschen Investitionen in dem Land in einem Interview mit der "Daily Nation", der führenden kenianischen Tageszeitung, vergangene Woche auf rund 100 Millionen Euro. Gleichzeitig wurde bekannt, dass chinesische Unternehmen ihre Investitionen in Kenia im vergangenen Jahr auf den fünffachen Wert steigern konnten. Das deutsch-kenianische Handelsvolumen belief sich 2013 auf etwa 400 Millionen Euro; der chinesisch-kenianische Handel erreichte 2014 hingegen rund 4,4 Milliarden Euro. Zudem hat Beijing bei strategisch wichtigen Infrastrukturprojekten klar die Nase vorn. Bereits im Herbst 2012 erhielt die Anhui Construction Engeneering Group den Auftrag zum Bau eines neuen Terminals am Jomo Kenyatta International Airport in Nairobi; das Terminal ist Voraussetzung dafür, dass Kenya Airways eine führende Position unter Afrikas Fluggesellschaften behalten und Nairobi sich die Stellung eines der wichtigsten Drehkreuze des Kontinents sichern kann. Jüngst haben chinesische Unternehmen mit den Vorbereitungen für den Bau einer neuen Gleisstrecke aus der Hafenstadt Mombasa nach Nairobi begonnen; sie gilt als Kern eines sich über die gesamte EAC erstreckenden neuen Schienennetzes, das den Aufschwung der ostafrikanischen Wirtschaft beschleunigen soll. Unternehmen aus China können mit lukrativen Folgeaufträgen rechnen. Der deutsche Außenminister hat sich am Sonntag um eine Ausweitung der deutsch-kenianischen Geschäfte bemüht - in vergleichsweise kleinem Kreis: Die Unternehmerdelegation, die ihn nach Nairobi begleitete, umfasste lediglich rund 20 Personen.

Zweifel an der Loyalität

Bekommt in Kenia - wie auch sonst in der EAC - die Dominanz des Westens erste spürbare Risse auf dem Feld der Ökonomie, so zeigen sich im südlichen Afrika inzwischen auch politische Brüche. Dies ließ sich im November anlässlich einer Südafrika-Reise des deutschen Außenministers erkennen. Steinmeier war unter anderem nach Pretoria geflogen, um ein neues Investitionsschutzabkommen auf den Weg zu bringen. Der zuvor gültige Vertrag war im Oktober 2013 von der südafrikanischen Regierung gekündigt worden - ein Fall bislang eher ungewöhnlicher Renitenz gegenüber Berlin. Es ist bei weitem nicht das einzige Beispiel dafür, dass Südafrika wohl weniger denn je bereit ist, westlichen Forderungen umstandslos nachzukommen. So beteiligt Pretoria sich nicht an den Sanktionen gegen Russland, und es weigert sich bis heute, die illegale, aber von Berlin und Washington unterstützte Sezession des Kosovo anzuerkennen. Hintergrund ist nicht zuletzt die immer engere Zusammenarbeit mit Brasilien, Russland, Indien und China (BRICS), die mittlerweile zentrale Elemente der westlichen Dominanz in Frage stellt. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Gründung einer eigenen Entwicklungsbank und eines eigenen Währungsfonds durch die BRICS-Staaten - in direkter Konkurrenz zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds (IWF), beides tragende Säulen der globalen Finanzarchitektur des Westens.S. dazu Die Allianz der Bedrohten . In Berlin weckt dies Zweifel an Pretorias Loyalität.

Auf der Suche nach Ersatz

Dies wiegt umso schwerer, als die Kooperation mit Südafrika bislang ein zentraler Pfeiler der deutschen Afrika-Politik war. Das Land ist seit je mit beträchtlichem Abstand der größte deutsche Wirtschaftspartner südlich der Sahara; Berlin hat sich regelmäßig bemüht - etwa mit gemeinsamen Manövern -, es auch militärisch als "Juniorpartner" für seine "Ordnungs"-Maßnahmen auf dem Kontinent einzuspannen.S. dazu Kriegsschiffe für Afrika und Sprungbrett Südafrika . Mit den neuen Bemühungen um politische Eigenständigkeit im BRICS-Rahmen beginnt der Pfeiler Südafrika aus Berliner Sicht zu wanken. Auf der Suche nach Ausgleich oder im äußersten Fall sogar nach Ersatz streckt die Bundesregierung mittlerweile ihre Fühler nach Angola aus, das gewaltig aufrüstet, laut Experten "als erster Staat im subsaharischen Afrika … höhere Verteidigungsausgaben als Südafrika" aufweist und in Zukunft wohl "als größte Militärmacht der Region" gelten kann.Daniel Flemes, Elisa Seith: Südafrikas regionale Herausforderer. GIGA Focus Afrika 7/2014. S. dazu Militärpartner Angola . Allerdings kooperiert Angola ökonomisch äußerst eng mit China, weshalb Berlin seine Bemühungen um eine loyale Zusammenarbeit auch militärpolitisch vorantreibt. Eine entsprechende Übereinkunft unterzeichneten die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr angolanischer Amtskollege João Lourenço im November vergangenen Jahres in Berlin.Ministerin trifft angolanischen Amtskollegen. www.bmvg.de 25.11.2014.

Mit Aufständen konfrontiert

Geraten die deutschen Bemühungen, Afrika mit Hilfe loyaler Stellvertreter zu kontrollieren, im Osten und im Süden des Kontinents durch die ungebrochen wachsende Wirtschaftskraft Chinas und durch die Herausbildung erster alternativer Machtzentren - faktisch vor allem des BRICS-Verbundes - ins Wanken, so erweisen sich mittlerweile auch die Versuche, mit einer eigenen starken Militärpräsenz die eigene Dominanz zu sichern, als brüchig. Dies betrifft vor allem Mali, wo sich Bundeswehr-Soldaten im Rahmen einer EU-Intervention in größerem Umfang am Training einheimischer Truppen beteiligen. Nach andauernden Kämpfen im Norden Malis ist erst letzte Woche zum wiederholten Male ein Waffenstillstand zwischen der malischen Regierung und Rebellenmilizen unterzeichnet worden; ob er hält, ist völlig unklar. Unterschiedlichste Kräfte begehren, international noch wenig beachtet, gegen die ausländische Truppenpräsenz auf - nicht unähnlich der Situation in Afghanistan, bevor die dortige Rebellion gegen die NATO-Truppen im großen Stil und unübersehbar begann. Die Fronten, an denen die Bundesrepublik in Afrika um Macht und Einfluss kämpft, diversifizieren sich regional, nach der Art des Gegners und nach der Wahl der Kampfmittel. Zugleich führen Konkurrenzprobleme und zunehmende Widerstände dazu, dass - wie die Forderungen nach einer aggressiveren deutschen Weltpolitik zeigenS. dazu Der Weltordnungsrahmen , In und durch Europa führen und Die Bilanz eines Jahres . - die Entschlossenheit des deutschen Establishments, sich in der internationalen Konkurrenz durchzusetzen, steigt.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 24.02.2015.

Fußnoten

Veröffentlicht am

28. Februar 2015

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von