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Das Recht der Palästinenser und ihre Pflicht, Widerstand zu leisten

Von Gideon Levy, Haaretz, 26.10.2014

Man stelle sich vor, ein Palästinenser zu sein; vielleicht ein Bewohner Ost-Jerusalems. 47 schwierige Jahre liegen hinter einem; eine große deprimierende Dunkelheit liegt vor einem. Die israelische Tyrannei, die dein Schicksal dem Untergang weiht, erklärt arrogant, dass alles so auf immer bleibt. Deine Stadt wird unter Besatzung bleiben - auf immer und ewig. Der Verteidigungsminister, der zweite in der Regierung, die dich unterwirft, sagt, es wird niemals ein palästinensischer Staat errichtet werden.

Man stelle sich vor, man sei Palästinenser und deine Kinder sind in Gefahr. Vor zwei Tagen töteten die Besatzungsmächte noch ein Kind, weil es "eine Feuerbombe angezündet" habe. Die Wörter "Tod den Arabern!" wurde nahe deiner Wohnung an die Wand gesprüht. Wohin man sich auch wendet, schreit dich ein Soldat oder die Grenzpolizei an. Jede Nacht könnte deine Wohnung brutal überfallen werden. Du wirst nie wie ein menschliches Wesen behandelt. Sie werden zerstören, demütigen, einschüchtern, vielleicht dich auch verhaften - möglichst ohne Gerichtsverhandlung.

Es sind nahezu 500 Administrativ-Häftlinge, eine Rekordzahl der letzten Jahre. Wenn einer deiner Lieben verhaftet ist, wirst du Probleme haben, ihn zu besuchen. Wenn du Erfolg hast, wirst du eine halbe Stunde durch ein Glasfenster mit ihm reden können. Wenn dein Familienmitglied ein Administrativ-Häftling ist, wirst du nie wissen, wann er entlassen werden wird. Aber das sind Kleinigkeiten, an die man sich seit langem gewöhnt hat.

Vielleicht hast du dich auch an den Landdiebstahl gewöhnt. Jeden Moment kann ein Siedler dein Land verwüsten, deine Anpflanzung anzünden oder deine Felder verbrennen. Er wird nicht vor Gericht gebracht. Die Soldaten, die dich angeblich beschützen, stehen faul daneben. Du kannst da gar nichts machen.

Stellt euch vor, ihr wäret Palästinenser. Ihr könnt den Gazastreifen nicht verlassen; es ist auch nicht leicht, die Westbank zu verlassen. Der Strand, der weniger als eine Stunde Fahrt von deinem Westbankort liegt, liegt jenseits der Berge der Dunkelheit. Ein Israeli kann viel leichter nach Tierra del Fuego zwischen Argentinien und Chile reisen als du an den Strand von Ajami.

Das sind keine Träume, keine Wünsche. Deine Kinder haben kaum die Chance, irgendetwas im Leben zu vollenden, selbst wenn sie zur Universität gehen. Alles, was sie sehen werden, ist ein Leben voller Demütigung und Arbeitslosigkeit.

Da gibt es keine Chance, dass sich diese Situation bald verändern wird. Israel ist stark, die USA sind in ihrer Tasche, deine Führung (PAL.Authority) ist schwach und isoliert (Hamas) und die Welt verliert das Interesse an deinem Schicksal. Was kann man noch tun?

Es gibt zwei Möglichkeiten: die erste ist, dass du alles akzeptierst, nachgibst und aufgibst. Die zweite ist, zu widerstehen. Wen haben wir in der Geschichte mehr respektiert? Diejenigen, die ihre Tage unter der Besatzung verbrachten und mit ihr zusammen gearbeitet haben oder diejenigen, die für ihre Freiheit kämpften?

Stell dir vor, du wärst ein Palästinenser. Du hast jedes Recht, Widerstand zu leisten. In der Tat ist es deine Bürgerpflicht. Keine Diskussion, das besetzte Volk hat das Recht der Besatzung zu widerstehen - so ist es im natürlichen Recht abgesichert, in der Moral der Geschichte und im Völkerrecht.

Die einzigen Beschränkungen liegen auf Mitteln des Widerstands. Die Palästinenser haben fast alles versucht - was auch immer geschieht - Verhandlungen und Terror mit einer Karotte und mit einem Stock, mit einem Stein und mit Bomben, mit Demonstrationen und mit Selbstmordangriffen. Alles vergeblich. Werden sie verzweifeln und aufgeben? Das ist fast nie in der Geschichte geschehen, also werden sie weitermachen. Manchmal verwenden sie legitime Mittel, manchmal hässliche. Es ist ihr Recht zu widerstehen.

Jetzt widerstehen sie in Jerusalem. Sie wollen nicht, dass Israel dort herrscht, oder Leute, die Kinder in Brand setzen. Sie wollen keine bewaffneten Siedler, die ihre Wohnungen mitten in der Nacht verwüsten, noch dazu unter dem Schutz israelischer Gesetze und sie vertreiben. Sie wollen keine Gemeindevertretung, die ihnen ihre Dienste gewährt, und zwar nach der Angliederung; oder Richter die ihre Kinder verurteilen, weil sie Palästinenser sind. Sie werden auch verrückt, wenn das Haus von jüdischen Terroristen nicht demoliert wird, während das Haus eines Palästinensers abgerissen wird.

Sie wollen nicht, dass Israel sie weiter terrorisiert, also leisten sie Widerstand. Sie werfen Steine und Brandbomben. So sieht Widerstand aus. Zuweilen handeln sie mit Mord auf abscheuliche Weise. Aber selbst dies ist nicht so schlimm wie die Gewalt des Besatzers.

Es ist ihr Recht, es ist ihre Pflicht zu widerstehen.

Deutsche Übersetzung: Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

09. November 2014

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