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Irak - Iran - USA: Die neue Waffenbrüderschaft

Die Lage im Irak eskaliert. Durch diese Krise könnten die USA und der Iran plötzlich an einem Strang ziehen. Iranische Regierungsfraktionen streiten aber noch über Hilfe für den Irak.

Von Karl Grobe

Der lautlose (aber überlaute Echos nach sich ziehende) Zusammenbruch der irakischen Armee in Mossul, Baidschi, vorher schon in Faludscha, ist den verschiedenen politischen Fraktionen in Teheran offenbar in die Glieder gefahren.

Irans Präsident Hassan Ruhani hat seinem so glücklosen wie augenscheinlich auch uneinsichtigen Bagdader Amtsbruder Nuri al-Maliki zwar telefonisch seine uneingeschränkte Solidarität zugesagt und versichert, die Zerstörung der Stabilität und Sicherheit des Irak werde die islamische Republik niemals zulassen… aber darüber müsse der Nationale Sicherheitsrat noch beraten. Aktive Unterstützung für das Maliki-Regime ist das gewiss nicht.

Ob Ruhanis Führung überhaupt sonderliches Interesse daran hat, militärisch offensiv zu werden, ist unklar. Gerade haben Gespräche mit den USA über das umstrittene Atomprogramm die Atmosphäre weiter verbessert, gerade macht sich bemerkbar, dass die Sanktionen der USA und der Westeuropäer gegen iranische Banken und Unternehmen gelockert worden sind. Diese Annäherung nach 35 Jahren rigider Feindschaft soll nicht gefährdet werden. Erst recht nicht durch militärische Abenteuer.

Spekulationen über Al-Quds

Ruhani muss mit Gegenwinden in Teheran rechnen. Ganz sicherlich von General Mohammed Reza Nakdi, dem Kommandierenden der "Bassidsch", der (politisch radikalen) "Freiwilligen". Nakdi sieht nämlich die Hand der USA hinter den "Ketzern und Salafisten" der Isis, die den Islam verunglimpfen, wie die konservative Agentur Fars berichtet. Meldungen beispielsweise der Deutschen Presse-Agentur, drei kampferprobte Bataillone der Al-Quds-Brigaden, der Elitetruppe innerhalb der ebenso konservativen Revolutionsgarden, seien bereits aktiv in Irak, konnten bislang nicht vollständig bestätigt werden. Ebenso wenig kann auch die Spekulation aus Ruhanis politischem Lager, diese Meldung sei von US-Medien, von Israel oder gar von Saudi-Arabien gestreut worden, weder dementiert noch bestätigt werden.

Der nun in Bedrängnis geratene irakische Führer Maliki, der während des irakisch-iranischen Krieges (1980 bis 1988) in der iranischen Armee gegen Irak kämpfte und die schiitische Dawa-Partei (oder einen ihrer Flügel) von Teheran aus lenkte, galt lange als eine Art Handlanger des Iran, der aber von ihm enttäuscht wurde wegen der Durchdringung des von ihm kontrollierten Landesteils durch westliche Investoren, wegen administrativer Unfähigkeit und dann schließlich wegen der engstirnigen Machtpolitik, die sich in seiner Amtszeit seit 2006 abzeichnet. Ein völliger Bruch mit Maliki kam wegen der konfessionellen Gemeinsamkeiten dennoch nicht in Betracht.

Teheran sieht das Versagen Malikis auf dem Hintergrund zweier anderer Konflikte. Zum einen gehört die Isis in ihrer nachvollziehbaren Sicht zur Klientel Saudi-Arabiens oder der Golf-Emirate oder beider. Die Nusra-Front und andere syrische Gruppen, aus denen sich ein wesentlicher Teil der Isis rekrutiert, sind nachweislich von der Arabischen Halbinsel aus finanziert und ausgerüstet worden. Da sie in Syrien, weil militante Gegner des Regimes von Baschar al-Assad, als Verbündete "des Westens" angesehen wurden, erklärt die Ansicht des Bassidsch-Generals Nakdi, die USA seien die heimlichen Auftraggeber.

Diese Weltsicht ist spätestens durch den Vorstoß der Isil-Militanten nachhaltig erschüttert. An die Stelle des Erzfeindes USA, dessen Geheimdienst CIA 1953 eine Volkserhebung unterdrücken half und dem Schah den Thron rettete und der nach dem Sturz des Schahs 1979 mit wechselnden Verbündeten (einschließlich Saddam Husseins Irak) die Islamische Republik bekämpfte, tritt nun der konfessionelle Gegner Saudi-Arabien. Und die USA sind unversehens nicht nur Gesprächspartner in der Atomfrage, sondern beinahe schon Waffenbrüder gegen Isil.

Annäherung an die USA?

Die Möglichkeit, mit Washington ins Geschäft zu kommen, kann sich Ruhanis Fraktion nicht entgehen lassen; denn anders ist die notwendige wirtschaftliche Erholung, von der die politische Haltung des rasch angewachsenen städtischen Mittelstands abhängt, nicht zu haben - und von ihr hängt alles ab, was Ruhani an Reformen einleiten kann.

Die USA andererseits können die Unterstützung der Teheraner Diplomatie sehr gut gebrauchen - nicht nur wegen der Implosion des Irak, sondern auch wegen der Entwicklung in Afghanistan. Denn Saudi-Arabien und die Emirate (noch werden sie von Teheran nicht Ketzerstaaten genannt) sind wegen ihrer Förderung der Islamisten, von den Taliban über die Anfänge der Al-Kaida bis zu Isil - kein Partner auf Dauer. Und Erdöl hat Iran ebenso, Irak vielleicht noch mehr, was eine Annäherung zwischen Washington und Teheran durchaus interessant macht. Gegen Teheran aber ist Stabilität in Bagdad nicht mehr zu haben.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 13.06.2014. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

17. Juni 2014

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