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Iran-Atomgespräche: Historische Einigung in Genf

Der Genfer Verhandlungserfolg bietet Sicherheit vor der "Teheraner Bombe" und stärkt Ruhanis reformfreundlichen Kurs. Nun gilt es, den Iran als eine regionale Großmacht anzuerkennen.

Von Karl Grobe - Leitartikel

Mit einiger Mühe und gegen vielfältige Obstruktion haben die "P 5+1"- Mächte und der Iran sich auf etwas geeinigt, das ein richtiges Abkommen möglich macht. Schon dieser Vorgang verdient das Beiwort "historisch". Die fünf Großmächte, denen im UN-Sicherheitsrat das Vetorecht zusteht und die zugleich die einzigen anerkannten Nuklearmächte sind, haben zwar unterschiedliche Interessen.

Aber sie können miteinander (und mit dem Juniorpartner Deutschland) - wenigstens in einer Angelegenheit von nicht nur regionaler Bedeutung. Die Genfer Einigung vom Sonntag ist ja nicht nur ein erster Schritt in Richtung Lösung einer - zweifellos bedeutenden - energie- und militärpolitischen Streitfrage.

Um die Verhinderung einer international nicht kontrollierbaren - im Verständnis der fünf Großen im Prinzip ungesetzlichen - nuklearen Aufrüstung eines weiteren Staates konnte es nicht mehr gehen. Die ist schon viermal geschehen: in Israel, in Indien, in Pakistan und in Nordkorea. Es war in keinem Fall zu verhindern, es war in diesem oder jenem Fall von dieser oder jener der fünf Großmächte sogar begrüßt worden. Der Iran hat nun fünf Punkten zugestimmt, deren international überwachte Einhaltung sehr große Sicherheit vor der "Teheraner Bombe" bietet.

Hier liegt schon ein Problem. Die iranische Regierung mag hundertmal betonen, es gebe keine Absicht zum Bombenbau - die Führungsmacht des Westens besteht auf dem Unschuldsbeweis. Dabei handeln die Vertreter der USA stets im Interesse Israels, jener Nuklearmacht, die als einzige im Nahen und Mittleren Osten in ihrem Nuklear-Monopol die größtmögliche Garantie ihrer Sicherheit betrachtet.

Ob das Aufkommen einer konkurrierenden Macht angesichts der immanenten Drohung mit gegenseitiger Vernichtung daran Grundsätzliches über die Verewigung eines Spannungszustands wie in Mitteleuropa während des Kalten Krieges hinaus ändern würde, steht dahin. Wünschenswert ist die Nichtaufrüstung Irans ohnehin - und ist die allgemeine nukleare Abrüstung. Irans Regierende haben, wie gesagt, einschlägige Aufrüstungspläne immer dementiert. Die Umkehrung der Beweislast mutet ihnen viel zu.

Doch der Genfer Verhandlungserfolg hat Ruhani und sein reformfreundliches Team nun gewiss gestärkt. Eine Abfuhr hätte andererseits jenen Super-Patrioten und Super-Ideologen in die Hände gespielt, vor denen die Unheilspropheten im Westen warnen. Wenn es Kräfte im Iran gibt, die die Bombe wollen, so konnten sie nur auf ein Scheitern in Genf hoffen.

Nicht nur sie. Einer gescheiterten Versöhnler-Fraktion hätte weder der geistliche Oberführer Ajatollah Ali Khamenei nachträglich seinen Segen gegeben, noch dürften die Iranerinnen darauf hoffen, dass sie sich tatsächlich ohne Tschador in die Öffentlichkeit begeben dürfen. Ruhani hat das zugesagt. Er hat auch die dumpfe Arroganz der "Religionspolizei" gestutzt. Viele Iraner erwarten viel mehr in seiner Amtszeit, das mag überzogen und utopisch sein. Doch selbst das relativ Wenige, das man realistisch erwarten kann, ist an die Stärke und das Ansehen des Ruhani-Teams gebunden. Für die nächsten sechs Monate besteht in diesem Sinne Hoffnung.

Konnte die Teheraner Regierung in Genf mit den P 5+1 ebenbürtig verhandeln, so bedeutet das auch einen recht großen Schritt aus der Isolation gegenüber der westlichen Welt. Von Russland, China, einem Großteil der Dritten Welt war der Iran nie abgeschnitten. Schwerer wog die wirtschaftliche Macht des Westens - Grundlage für die Durchsetzung der Sanktionen, der Handels- und Finanzsperren.

Der Iran konnte es hinnehmen, dass Flugzeuge auf dem Weg von Frankfurt nach Teheran zwischenlanden mussten (etwa in Wien), weil am Main wegen Embargo-Bestimmungen kein Treibstoff zu kaufen war. Es war und ist weniger erträglich, auf Medikamente, Nahrungsmittel und Ersatzteile zu verzichten. Auch in diesem Bereich - Lockerung der Handelsverbote - sammelt Ruhani Sympathiepunkte.

Als wieder in der so genannten internationalen Gemeinschaft auftretender Staat verändert der Iran die Szenerie im Mittleren Osten. Es war schon lange klar: Ohne Vertreter Teherans hat eine Syrien-Friedenskonferenz keinen Sinn (sofern sie überhaupt zustandekommt). Als etwas unbehinderter handelnder Akteur auf den Erdöl- und Erdgas-Weltmärkten beeinflusst der Iran die Weltmarktpreise, die Weltkonjunktur und die Kalkulation der Konzerne.

Wichtiger ist aber, dass seine Bedeutung als eine regionale Großmacht erkannt wird. Nachdem die Interventionen der USA und der willigen Koalitionäre Irak und Afghanistan wider Willen als Staaten vernichtet haben, seitdem unter Mitwirkung dieser und der Petrofeudalstaaten auf der Arabischen Halbinsel auch Syrien sich systematisch zerlegt, ist da ja auch nicht mehr viel übrig. Da kommt auf einen sozusagen geläuterten Iran eine nicht ganz unwichtige Zukunftsaufgabe zu. In der Region weiß man das. In Washington, Paris, London und Berlin sollte man viel besser hinschauen als bisher.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 24.11.2013. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

25. November 2013

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