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Im Schatten der Supermächte - Analyse zu Nordkorea

In der Korea-Krise kommt aus Europa kein Impuls. Asien wird nur als Markt wahrgenommen. Das schadet dem europäischen Ansehen in der Region.

Von Karl Grobe

Chuck Hagel, der neue US-Verteidigungsminister, hat seinen Amtskollegen Chang Wanquan in Peking gewiss nicht angerufen, um ihm eine Neuigkeit mitzuteilen. Dass Nordkorea seine atomare Aufrüstung beschleunigt und mit der Verwendung dieses Arsenals droht, wusste man in China wahrscheinlich vor den USA. Hagel warb vielmehr um gemeinsames Vorgehen, um einen Krieg abzuwenden. China ist Nachbar Nordkoreas und unmittelbar von allem betroffen, was dort geschieht; daher ist das Begehren plausibel. Aber was kann China tun? Worin liegt sein eigenes Interesse? Worin unterscheidet sich dies von dem der Washingtoner Führung?

China liefert drei Viertel aller Güter

China liefert um die drei Viertel aller Güter, die Nordkorea importiert, von Energie bis zu Nahrungsmitteln. Das ist ein Druckmittel. Eine Liefersperre - über das Mittel Sanktionen muss man die USA nicht belehren - verwundet die nordkoreanische Gesellschaft tödlich, wenn sie lange genug dauert. Eben dies will China vernünftigerweise nicht: Eine Millionenschar Elendsflüchtlinge im Land und US-Soldaten und Südkoreaner an der Landesgrenze nach dem Zusammenbruch des Kim-Regimes - das ist eher ein Alptraum als eine Wunschvorstellung. Pekinger Kommentatoren hoffen denn auch, der gegenwärtig tonangebenden Fraktion in Pjöngjang dienten Atomwaffen lediglich als dekorative, aber nicht ernsthaft verwendbare Zutat zum Abwehr-Arsenal, um Nordamerikaner und Südkoreaner von Angriffen abzuhalten (wäre nicht Gaddafi noch an der Macht, hätte er die Bombe gehabt?).

Wer so argumentiert, verzichtet aber auf den erforderlichen diplomatischen Druck, akzeptiert vielmehr die Veränderung im ostasiatischen Kräftefeld. Falls Kim und seine Generale einen Krieg anzufangen gedenken, haben sie freilich China gegen sich. Wird Nordkorea hingegen angegriffen, so sieht es anders aus - sehr undeutlich vermutlich, der Beginn des Koreakriegs 1950 lehrt da einiges. Ungefähr dies dürfte Chang Wanquan dem Anrufer aus Washington vermittelt haben. Mehr durfte Hagel angesichts der sich entfaltenden Rivalität beider Supermächte auch nicht erwarten.

Ist Europa US-hörig?

Hier ist der Knackpunkt: Europa - sowohl als EU als auch in der Summe der Einzelstaaten - wird in Peking (übrigens auch in Moskau und anderswo) als US-hörig wahrgenommen, sei es wegen eigener Handlungsschwäche, sei es aus Abhängigkeit, sei es aus Nato-Treue. Daran ist sehr viel wahr. Europas Regierungen berufen sich immer auf die Wertegemeinschaft mit den USA; selten rügen sie öffentlich die Werteverletzungen (Guantanamo und andere Folterlager), kaum widersetzen sie sich völkerrechtswidrigen Kriegen; dem ethisch durchaus zweifelhaften, rechtlich kaum begründbaren Drohnenkrieg, den US-Präsident Barack Obama führt, applaudieren sie.

Allerdings nicht aus den dort hinter der Großen Mauer unterstellten Gründen. Tatsache ist: Aus dem alten Europa kommt kein Friedensimpuls mehr (Asien ist fern; Asien ist eigentlich nur Markt), und das von Donald Rumsfeld einmal so titulierte neue Europa, das östliche Mitteleuropa tickt ohnehin amerikanisch.

Doch Europas Interessen - grundsätzlich auf Frieden gerichtet, weil dies die Voraussetzung für Export, Profit und Wohlstand ist -entsprechen nicht dem von Barack Obama postulierten Kurs; sein Dreh- und Angelpunkt Asien ist pazifisch, aber nicht notwendigerweise pazifistisch. Dass der Konkurrenzkampf mit China eine Komponente ist, hat die damalige Außenministerin Hillary Clinton verdeutlicht, als sie die Südchinasee wegen der Handelslinien als im strategischen Interesse der USA liegend bezeichnete.

Militär-Präsenz als entscheidender Faktor

Die militärische Präsenz, auf Okinawa wie in Südkorea, ist der entscheidende Faktor. Für die Verringerung der Spannungen, die das Verhältnis jedes einzelnen Staates der Region zu jedem anderen bestimmen, hat diese Präsenz nicht beigetragen; eher im Gegenteil. Divide et impera ist ein klassisch-römischer Satz - und Animositäten etwa im Dreieck China-Japan-Korea sind schier ebenso alt.

Nordkorea ist da ein besonderer Störenfried; und dem Regime fällt es nicht schwer, in der eigenen Öffentlichkeit diese Rolle durchzuhalten. Die Erinnerung an die drei Jahre Flächenbombardement (das nach dem Auftakt der Waffenstillstandsverhandlungen 1951 ungebremst fortgesetzt wurde) und die Totalzerstörung der Lebensgrundlagen lässt sich gut wach halten.

Übergriffe lassen sich als Siege verkaufen

Übergriffe gegen Südkorea lassen sich so als Siege verkaufen; nicht immer sind sie unprovoziert. Vor allem aber: Die Arroganz, mit der George W. Bush in der ersten Woche seiner Präsidentschaft ein auf Abrüstung zielendes Abkommen (Agreed framework) zerriss und den Seouler Entspannungs-Präsidenten Kim Dae Jung brüskierte, hat auch vor Obama Hürden aufgestellt, vorausgesetzt seiner Regierung war überhaupt an Entspannung gelegen.

Alles in allem ist Konfrontation und Eskalation derzeit das Thema. Was die Region, Korea besonders, aber nötig hätte, wäre eine Art Helsinki-Prozess der Vertrauensbildung. Eine lohnende Aufgabe für Europäer, die Erfahrung damit haben.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 06.04.2013. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

06. April 2013

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