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Der Krieg nebenan, der niemanden interessiert

Oder: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt, auch in Libyen

Von Tobias Pflüger Erweiterte Fassung eines Artikels, der in Zivilcourage, der Zeitschrift der DFG-VK, Nummer 3/2011 erscheint.

Die NATO führt(e) einen Krieg gegen Libyen, und es blieb erstaunlich ruhig in der bundesdeutschen Öffentlichkeit, aber auch der Antikriegs- und Friedensbewegung. An was das wohl liegen mag? Es hat sicher damit zu tun, dass Deutschland offiziell an diesem Krieg nicht teilnimmt, zumindest hat das der bundesdeutsche Außenminister Guido Westerwelle erklärt - dazu später mehr. Festzuhalten bleibt zunächst einmal: Ein Krieg läuft, täglich werden auch Zivilisten durch die NATO umgebracht - und es bleibt ruhig. "Das geht nicht" und das darf so nicht bleiben, bei den "nächsten" Kriegen, um es etwas drastisch auszudrücken.

Direkte deutsche Kriegsunterstützung

"Deutschland hat am Libyenkrieg nicht teilgenommen." Das ist (leider) eine Lüge. Caitlin Hayden, die stellvertretende außenpolitische Sprecherin von US-Präsident Barack Obama wird am 6. September im Tagesspiegel damit zitiert, Obama sei "sehr zufrieden mit der Rolle, die Deutschland spielt". Weiter schreibt der Tagesspiegel: "Der Präsident habe bereits bei Merkels Besuch im Juni im Weißen Haus betont: ‚Dies ist eine vollintegrierte Nato-Operation. Und das heißt, dass deutsche Soldaten aktiv in diese Aktionen innerhalb der Nato involviert sind.’" Konkret bedeutet das, dass Bundeswehrsoldaten an der Zielplanung der NATO direkt beteiligt waren. Zuerst hieß es, so Staatssekretär Thomas Kossendey am 10.08 auf eine mündliche Anfrage im Deutschen Bundestag, dass 11 Bundeswehrsoldaten in Neapel (im Allied Joint Force Command) eingesetzt seien. Sie seien Teil der 250 Mann starken "Verstärkungsdienstposten", die dort extra wegen des Libyenkrieges eingerichtet wurden. Kossendey bestätigte auch, dass die Bundeswehrsoldaten "im Rahmen der Stabsarbeit an einzelnen Schritten des Zielauswahlprozesses teil(nehmen), ohne derzeit jedoch Führungs- oder Entscheidungsfunktion zu besitzen".

In einem Schreiben vom 8. September an den Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele korrigiert dann der gleiche Staatssekretär die Anzahl der deutschen Soldaten deutlich nach oben. Jetzt waren es insgesamt "103 Soldatinnen und Soldaten (66 Offiziere und 37 Unteroffiziere)" der Bundeswehr, die "mittels Dienstreisen bzw. Kommandierungen vorübergehend in die mit der Operation UNIFIED PROTECTOR beauftragten Headquarters entsandt" wurden. Weiter heißt es: "Wie die Bundesregierung bereits mitgeteilt hat, zählen zu den wahrgenommenen Tätigkeiten sowohl solche im Bereich der so genannten Zielauswahl wie auch solche in der Kommunikation mit den eingesetzten AWACS-Maschinen. In keinem dieser Bereiche werden durch deutsche Soldatinnen und Soldaten derzeit Führungs- und Entscheidungsfunktionen wahrgenommen." Über 100 deutsche Soldaten waren bei der Zielauswahl im Libyenkrieg beteiligt!

Die deutsche Kriegsunterstützung geht allerdings über diese direkte Kriegsbeteiligung via NATO-Strukturen hinaus.

"Bewährter Bündnisalltag"

Entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes hat die Bundesregierung beschlossen, dass die Überflugrechte für die Kriegs- und Versorgungsbomber und die Zurverfügungstellung der militärischen Infrastruktur in Deutschland genehmigt wurden und werden. Konkret heißt das, dass z.B. von Spangdahlem aus direkt Flugzeuge zum Bombenabwurf nach Libyen geflogen sind. Einer dieser "Warzenschweine" genannten Bomber stürzte beim Kriegsflughafen ab, bis heute ist nicht völlig ausgeschlossen, dass er nicht auch abgereichertes Uran (DU-Munition) an Bord hatte.

Außerdem besteht innerhalb der NATO eine so genannte Munitionsversorgung, d.h. wenn den bombenden Alliierten die Munition ausgeht, hilft z.B. Deutschland mit Munition aus. Ende Juni gab es Pressemeldungen, dass Deutschland innerhalb der NATO mit Präzisionswaffen ausgeholfen habe. Die Namsa ("Nato Maintenance and Supply Agency") habe eine Anfrage an alle Mitgliedsstaaten gestellt. Das Verteidigungsministerium hatte "die grundsätzliche Bereitschaft zur Lieferung von Bauteilen für Präzisionsmunition" signalisiert. In der Süddeutschen Zeitung wird Thomas de Maiziere wie folgt zitiert: "Wir haben eine Anfrage der zuständigen Nato-Logistik-Agentur Namsa erhalten und ich habe entschieden, sie positiv zu beantworten. Dies ist bewährter Bündnisalltag. So gleichen die Partner ihre logistischen Engpässe untereinander ständig aus."

Doch damit nicht genug: Mit dem Regime, das jetzt mit deutscher Hilfe - und unter Inkaufnahme von vielen Toten, darunter vielen Zivilisten - gestürzt wurde, hatten alle vorherigen Bundesregierungen intensiv zusammengearbeitet. So war der damalige SPD- Außenminister Frank-Walter Steinmeier 2006 und 2007 in Libyen. Zusammenarbeit gab es auch im Bereich der Geheimdienste: So gab es eine langjährige gute Zusammenarbeit mit dem BND, der Schwerpunkt war dabei der Austausch von Informationen und die Hilfe bei der Ausbildung von "Sicherheitskräften". Diese Kooperation sei "eine Normalität" gewesen, meinte der Ex-BND-Chef Hans-Georg Wieck. Dabei gehe es "nicht nach demokratischen Regeln, sondern nach Interessen". MI6 und CIA konnte die Zusammenarbeit mit Gaddafis Libyen auch im Bereich von Gefangenentransporten und auch Folter nachgewiesen werden.

Seit dem Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 bei Gaddafi gab es deutsche Ausbildung für eine Spezialeinheit unter dem Befehl eines der Söhne von Gaddafi. Offiziell bildeten deutsche Polizisten und Bundeswehrler bis 2008 als private Söldner der deutschen Firmen Ebos Int. und BDB Protection GmbH aus. In diesem Zusammenhang war auch die Rede von Waffenlieferungen, Pistolen und die jetzt gefundenen G36 Sturmgewehre wurden schon damals genannt.

Die deutsche Polizeigewerkschaft (DPoLG) will jetzt an diese Tradition anknüpfen: So heißt es im Handelsblatt vom 22.08.2011: "Die Polizeigewerkschaften meinen, Deutschland sollte beim Wiederaufbau mit Polizeiausbildern helfen - auch wenn es am Militäreinsatz nicht beteiligt war. … Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, befürwortet die Entsendung deutscher Polizeiausbilder in ein Libyen nach Gaddafi und in den gesamten nordafrikanischen Raum. ‘Wir haben ein elementares eigenes Interesse an der Herstellung von Rechtsstaatlichkeit und zur Grenzabsicherung in dieser Region’, sagte er gegenüber Handelsblatt Online. Dabei gehe es nicht allein um Libyen, sondern um alle nordafrikanischen Länder von Libyen bis Marokko. Die deutsche Polizei könne ihre jahrelange Erfahrung bei derartigen Auslandseinsätzen einbringen. … Auch CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl befürwortet einen Ausbildungseinsatz der deutschen Polizei in dem nordafrikanischen Land. … ‘Nicht nur aus migrationspolitischen Gesichtspunkten hat gerade Deutschland ein Interesse, sich in Libyen mit einem Polizeieinsatz zu engagieren’. Die Südgrenze des Landes müsse gegenüber organisierter Kriminalität und Menschenhändlern sicherer gemacht werden."

Kriegsprofiteure

Die Bild-Zeitung schreibt am 02.09.2011: "Deutschland war vor dem Umsturz der zweitwichtigste Handelspartner Libyens nach Italien. Produkte im Wert von 996 Millionen Euro wurden exportiert. Auch die Rüstungsindustrie profitierte." Auch daran will man jetzt wieder anknüpfen: Deutsche Konzerne und Unternehmen sind derzeit dabei sich ein wichtiges Stück am Kuchen des Geschäftemachens mit dem "neuen" Libyen zu sichern. Im Managermagazin vom 30.08.findet sich unter der Überschrift "Deutsche Konzerne drängen nach Libyen" eine Schilderung der Pläne deutscher Konzerne, die es lohnt ausführlich hier zitiert zu werden: "Deutschlands Handelskammern und der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft rechnen künftig mit intensiveren Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Libyen. Jetzt wollen erste Konzerne starten - so schnell wie möglich. … Beim Wiederaufbau bieten sich nach Expertenmeinung auch Geschäftschancen für deutsche Unternehmen, und das im großen Stil. ‘Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorgung und Straßen: In Libyen steht die Sanierung ganzer Stadtviertel an’, weiß Hans Werner Meier-Ewert, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. ‘Und deutsche Technologie wird sehr geschätzt.’ Davon will Deutschlands Wirtschaft natürlich profitieren. Zum Beispiel Siemens: Mit den Konzernteilen Energie, Infrastruktur und Gesundheitstechnik ist das Unternehmen bereits in Libyen vertreten. ‘Sobald sich die Sicherheitslage wieder beruhigt, wollen wir unser Geschäft dort sukzessive wieder aufnehmen’, sagt Siemens-Sprecher Wolfram Trost. Insgesamt hat der Konzern knapp 100 Mitarbeiter in dem arabischen Land. Davon wurden Anfang des Jahres ein paar Dutzend evakuiert. Auch der Anlagenbauspezialist Ferrostaal musste im Februar 600 internationale Mitarbeiter ausfliegen. Bevor die Kämpfe ausbrachen, baute das Unternehmen in Libyen Anlagen zur Öl- und Gasförderung. ‘Wir möchten so schnell wie möglich wieder ins Land’, erklärt Sprecher Hubert Kogel. Die Öl- und Gasförderunternehmen RWE Dea und Wintershall - eine BASF-Tochter - möchten ebenfalls schnell zurück. RWE-Dea-Sprecherin Daniela Puttenat betont, dass RWE Dea weiterhin daran interessiert sei, die Explorations- und Entwicklungsprojekte wieder aufzunehmen, sobald es die Lage zulässt. ‘Denn mit Aufnahme der Produktion würden wieder Einnahmen ins Land fließen’, erklärt sie - und natürlich auch in die Unternehmenskassen. Erste Libyen-Investitionen sind dann auch bereits absehbar: RWE Dea beabsichtigt, rund 50 Millionen Dollar in neue Explorationstätigkeiten für die Ölförderung in Libyen zu investieren. Für die Entwicklung bestehender Ölfunde sind Investitionen in Höhe von 650 Millionen Dollar geplant. … Konkurrent Wintershall ist da schon weiter - war es zumindest schon einmal: Die BASF-Tochter förderte einst in Libyen bereits bis zu 100.000 Fass Erdöl pro Tag. Grundsätzlich könne die Produktion jetzt innerhalb weniger Wochen wieder aufgenommen werden, erklärt Sprecher Stefan Leunig: ‘Das Hochfahren der Produktion ist aber insbesondere abhängig vom Zustand der Exportinfrastruktur sowie einer stabilen Sicherheitslage in Libyen.’"

Offener kann man nicht sagen, dass dieser Krieg, bei dem Tausende auch durch NATO-Bomben mit deutscher Unterstützung getötet wurden, für wirtschaftliche Interessen geführt wurde. Wie hieß es einmal: ‘Kein Blut für Öl!’ Es ist Zeit, dass die Antikriegs- und Friedensbewegung sehr viel deutlicher herausarbeitet, dass das imperiale Kriege des Westens für Wirtschaftsinteressen sind, die da geführt werden.

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Analyse 2011/035.

Fußnoten

Veröffentlicht am

19. September 2011

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