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Anti-Kriegstag 2011: Krieg ist die Lösung

Zum 1. September nutzt die politische Klasse in Deutschland die NATO-Intervention in Libyen, um ein Bekenntnis zum Krieg als Mittel ihrer Außenpolitik abzulegen

Von Lutz Herden

Wer fragt im Moment eigentlich danach, wie viel zivile Opfer fünf Monate NATO-Bombenkrieg in Libyen hinterlassen haben? Wie sehr die Infrastruktur eines entwickelten nordafrikanischen Landes unter den Angriffen gelitten hat. Inwieweit der desolate Zustand der Hauptstadt Tripolis weniger den Kämpfen am Boden als den Schlägen aus der Luft geschuldet ist. Ob die NATO, sollte sie die Resolution 1973 - wie stets beteuert - ernst nehmen, augenblicklich nicht die Zivilbevölkerung von Sirte gegen angreifende Rebellen schützen müsste, anstatt die Stadt anzugreifen. Diese Fragen gehören zum Antikriegstag 2011. Doch sie wirken merkwürdig deplatziert und hilflos. Die Kultur der Zurückhaltung und zivilen Konfliktregulierung - lange als Vorzug westdeutscher Außenpolitik geschätzt - ist empörtem Klagen über eine vermeidbare Randständigkeit beim Libyen-Krieg gewichen.

Wenn dieses Klagen berechtigt ist, warum wird die NATO dann nicht aufgefordert, morgen in Weißrussland zu intervenieren? Übermorgen im Sudan, Ende der Woche in Syrien, möglichst bald in Burma. Und in Somalia natürlich. Sollte Libyen der Maßstab sein, werden wir aus dem Kriegsführen nicht mehr herauskommen. Autoritäre Regierungen gibt es überall auf der Welt, humanitäre Notlagen auch. Und Interessen erst!

Andererseits kann sich der Nordatlantik-Pakt nicht dazu durchringen, seinen Partner Türkei am brutalen militärischen Vorgehen in den Kurden-Gebieten zu hindern. Oder wenigsten um Mäßigung zu bitten. Soweit reicht die politische Ethik dann doch nicht, um es mit den Fallhöhen des Opportunismus aufzunehmen.

Die Aufregung über Waffenexporte nach Libyen ist derzeit groß. Aber gibt es auch nur den Hauch einer Chance, dass vielleicht die großzügigen Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien unterbunden werden? Sie kommen einem Regime zugute, das es doch allemal verdient hätte, das Schicksal Gaddafis zu teilen. Dessen Armee war nicht im Nachbarland Tunesien einmarschiert, um den Aufruhr gegen Ben Ali zu ersticken - saudische Streitkräfte taten das im März in Bahrain sehr wohl, um die dortige Demokratie-Bewegung niederzuhalten.

Mit der Lust am Krieg wird hierzulande hantiert, als sei es ein großes Glück ihn im Handlungsregister zu haben und vor allem führen zu können. Außenminister Westerwelle schrumpft zum Spielverderber. Die Maßlosigkeit derer, die über Krieg mit so großer Unbekümmertheit reden, ist erstaunlich. Sie ahnen nicht, was sie meinen. Und werden vermutlich nie die furchtbare Erfahrung machen müssen, es zu wissen. Derartiges am Antikriegstag 2011 zu konstatieren - 72 Jahre nach Hitlers Überfall auf Polen und 70 Jahre nach einem deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion - ist niederschmetternd. Worin besteht der stärkste Eindruck, den die Libyen-Debatte hinterlässt? Dass in diesem Land derjenige als politischer Exot gilt, der über politische Lösungen nachdenkt, wenn Krieg längst als alleinige Lösung gesetzt ist. Natürlich hätte man mit dem Gaddafi-Regime verhandeln können, ohne ihm das ewige Leben zu verschaffen, wie es die Afrikanischen Union immer wieder angeregt hat. Es wären Hunderte oder gar Tausende Libyer weniger gestorben.

Quelle: der FREITAG   vom 01.09.2011. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

02. September 2011

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