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Malalai Joyas Lese-Tour durch die USA

Zunächst Visum verweigert

Von Amy Goodman und Malalai Dschoja, 28.03.2011 - Democracy Now!

Die Nato-Streitkräfte in Afghanistan, unter Führung der USA, befürchten stärkeren Widerstand, nachdem Fotos aufgetaucht sind, die zeigen, wie ihre Soldaten über den Leichen von afghanischen Zivilisten posieren. Die Fotos wurden im deutschen Nachrichtenmagazin ‘Der Spiegel’ (vom 21. März 2011) veröffentlicht. Auch Democracy Now! zeigte die Fotos, und das Magazin ‘Rolling Stone’ zeigte 18 zusätzliche Fotos. Es sind erschreckende Bilder. Manche vergleichen die Aufnahmen bereits mit den Fotos aus Abu Ghraib. Gegen die Soldaten auf den Aufnahmen wird inzwischen ermittelt. Sie sollen in Afghanistan ein geheimes "kill team" (Tötungs-Team) gebildet haben, das wahllos umbewaffnete Afghanen tötete und die Körperteile "sammelte". Hinzu kommt, dass innerhalb der letzten Wochen mehr als 15 Zivilisten durch Nato-Luftangriffe getötet wurden. Hören wir, was die ehemalige Abgeordnete des Afghanischen Parlaments, Malalai Joya, dazu zu sagen hat.

Unsere Gästin: Malalai Joya - ehemalige Abgeordnete des Afghanischen Parlaments, mutige Kritikerin der Warlords, der Fundamentalisten, der Taliban und der US-Besatzung in Afghanistan. Sie befindet sich derzeit auf einer Lese-Tournee in den USA, um für die zweite Auflage ihrer Autobiografie ‘A Woman Among Warlords’ zu werben.

Amy Goodman: Die Nato-Truppen in Afghanistan, unter Führung der USA, befürchten noch stärkeren Gegenwind, nachdem in der vergangenen Woche Fotos veröffentlicht wurden, die Soldaten zeigen, wie sie über den Leichen getöteter afghanischer Zivilisten posieren. Die Fotos wurden im deutschen Nachrichtenmagazin ‘Der Spiegel’ veröffentlicht. Auch Democracy Now! hat die Fotos in der vergangenen Woche veröffentlicht, und das Magazin ‘Rolling Stone’ veröffentlichte am Sonntag auf seiner Webseite einen Sonderbericht, in dem 18 weitere Fotos und Videoaufnahmen zu sehen sind. Die Fotos sind drastisch und erinnern an die Bilder, die damals aus dem Gefängnis Abu Ghraib (Irak) durchsickerten. Gegen die Soldaten läuft nun ein Verfahren. Sie sollen ein geheimes "kill team" (Tötungs-Team) gebildet haben, das in Afghanistan wahllos Jagd auf unbewaffnete afghanische Zivilisten machte und deren Körperteile sammelte. Die Bilder sollen in den Gerichtsverfahren gegen sie verwertet werden.

Durch mehrere Nato-Luftschläge starben in den vergangenen Wochen afghanische Zivilisten. Am Freitag starben bei Nato-Luftangriffen in der Provinz Helmand sieben Zivilisten, darunter drei Kinder. Anfang dieser Woche teilte die Nato mit, dass bei Luftangriffen in der Provinz Khost versehentlich zwei Zivilisten getötet worden seien. Bei einem weiteren Angriff der Nato in der vergangenen Woche starben zwei Kinder. Anfang März wurden bei einem Nato-Angriff neun Jungen getötet.

Wir sind nun mit der Aktivistin und früheren Abgeordneten Malalai Joya verbunden, um über die Situation in Afghanistan zu sprechen. Die US-Regierung hatte der Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um Kritik am Krieg in Afghanistan geht, zunächst das Visum für die USA verweigert. Joyas Sympathisanten in den USA hatten daraufhin eine Protestaktion gestartet (unter anderem hatte der Schriftsteller- und Akademikerverband ACLU Briefe verschickt; auch neun US-Kongressabgeordnete beteiligten sich an der Einreise-Kampagne für Joya). Am vergangenen Mittwoch riefen Massen von Menschen im US-Außenministerium an. Plötzlich signalisierte das US-Konsulat Frau Joya, sie solle einen neuen Visumantrag für die USA stellen. Dieser wurde umgehend genehmigt - ohne die üblichen Wartezeiten.

Malalai Joya kritisiert die Warlords, die Fundamentalisten, die Taliban und die US-Besatzung in Afghanistan, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie unternimmt eine Lesereise durch die USA, um für die zweite Auflage ihrer Autobiografie ‘A Woman Among Warlords’ zu werben. 2010 hatte das ‘Time’-Magazin Malalai Joya auf die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gesetzt. Joya hat zahlreiche Attentatsversuche überlebt. Sie ist uns nun aus Burlington/Vermont zugeschaltet.

Malalai Joya, willkommen bei Democracy Now!. Zunächst einmal: Warum verweigerte Ihnen die US-Regierung ein Visum für die USA?

Malalai Joya: Hallo, Amy - und ein Hallo an alle Zuhörer/innen. Danke für das Interview.

Warum sie’s taten? Weil ich dem gerechtigkeitsliebenden, großartigen Volk von Amerika die fehlgeleitete Politik der US-Regierung vor Augen geführt habe und die Amerikaner über die schlechten Taten ihrer Regierung aufgeklärt habe: Sie töten unschuldige Menschen im Namen des so genannten ‘Kriegs gegen den Terror’. Ich will dem gerechtigkeitsliebenden Volk von Amerika sagen, dass seine Steuergelder - Milliarden von Dollar, die die Regierung ausgibt -, in die Taschen der Kriegsherren, der Drogenbarone und der Kriminellen wandern. Zur Zeit verhandeln sie zudem mit den Taliban und mit Gulbuddin Hekmatyar - mit diesen Terroristen. Sie sind unserem Volk gegenüber unehrlich. Und ich spreche auch von den "blinden" Bombardements durch die Streitkräfte der USA/Nato - durch die Besatzer. Ich werde dem großartigen Volk der Amerikaner von der Okkupation in meinem Land berichten. Dies waren - in Kürze - meine Begründungen. Die USA und die Nato haben Angst vor mir. Sie haben mir das Visum vorenthalten. Ich bin glücklich und fühle mich geehrt, dass das Volk der USA, das Frieden und Gerechtigkeit liebt, seine Regierung unter Druck gesetzt hat und wieder einmal seine Solidarität mit meinem Volk gezeigt hat. Aus diesem Grund habe ich mein Visum doch noch bekommen. Ich bin hier, um die Botschaft meines Volkes zu überbringen: keine Besatzung mehr, Demokratie und Frieden.

Amy Goodman: Malalai, stimmt es, dass man Ihnen in der US-Botschaft in Afghanistan das Visum verweigert hat, mit der Begründung, Sie seien arbeitslos und lebten im Untergrund?

Malalai Joya: Ja, das stimmt, so lautete die Begründung. Ich denke, es war eher eine Ausrede. Es hat mich auch nicht - überrascht. Ich konnte mir schon denken, dass sie mir das Visum verweigern würden, weil ich die falsche Haltung zu den Kriegstreibern und zu deren Kriegsverbrechen habe - denn die (Kriegsverbrechen) werden im Namen der Demokratie, der Frauenrechte und der Menschenrechte an meinem Volk verübt.

Amy Goodman: Erzählen Sie uns vom Leben im Untergrund. Sind Sie wirklich im Untergrund - und was bedeutet das?

Malalai Joya: Im Untergrund, ja, denn… aber ich bin nicht die Einzige. Ein Großteil meines Volkes, Millionen von Afghanen, lebt ohne Sicherheit. Zehntausende (ausländische) Soldaten stehen im Land. Sicherheit ist wichtig - wichtiger als Nahrung und Wasser. Sie leiden unter der Korruption, unter Arbeitslosigkeit, unter Ungerechtigkeit, unter Armut und vielen anderen Übeln. Seit meiner Rede 2003 hat sich mein Leben verändert - weil ich die Wahrheit gesagt und den fundamentalistischen Warlords die Masken von ihren Gesichtern gerissen habe. Sie sind eine Kopie der Taliban. Tag für Tag wird es (für mich) riskanter - weil ich keine Kompromisse mit ihnen eingehe; ich verhalte mich nicht still. Ich mache sogar…. Sie wollen mich eliminieren. Aus diesem Grund muss ich im Untergrund leben.

Die meisten Frauen Afghanistans - nicht nur ich - leben heute gefährlich, selbst wenn sie die Burqua tragen. Wir sind dort nicht sicher. Diese ekelhafte Burqua, dieses Symbol der Unterdrückung, hilft heute vielen Afghanen, etwas sicherer zu leben, vor allem den Aktivistinnen. Doch trotz Burqua und Bodyguard und ständigem Wohnungswechsel ist mein Leben in Afghanistan gefährdet. Es gibt noch viel mehr Hindernisse - nicht nur für mich, sondern auch für andere demokratisch Gesinnte, für die Intellektuellen und Aktivisten. Sie leben weiter im Untergrund.

Amy Goodman: Sprechen wir über die Situation in Afghanistan, über eine Reihe von tödlichen Angriffen auf Zivilisten, für die sich die USA entschuldigt haben. Der Verantwortliche (Oberkommandierende der Nato-Streitkräfte in Afghanistan), US-General David Petraeus, sah sich vor einigen Wochen - zum ersten Mal - zu einer Entschuldigung gezwungen, vor allem wegen der getöteten Kinder. Was ist dort los?

Malalai Joya: Wissen Sie, unser Volk hat genug von den Entschuldigungen aus dem Weißen Haus, von den Kriegstreibern und den Nato-Regierungen. Es hat auch genug von Hamid Karsais korruptem, mafiosem Marionettenregime. Wir wollen, dass dieser brutale, ekelhafte Krieg und die Okkupation so bald wie möglich enden. In den vergangenen 10 Jahren sind zehntausende unschuldige Zivilisten getötet worden - das meiste waren unschuldige Frauen, Kinder und Männer. In den 9 Jahren Besatzung haben die Besatzer weißen Phosphor und Clusterbomben eingesetzt. Sie bombardierten Hochzeitsgesellschaften. Vielleicht haben Sie davon gehört - Sie haben ja vorhin den Bericht im ‘Spiegel’ - angesprochen: Selbst die Toten meines Volkes werden noch verhöhnt. Einige Besatzer haben sich mit Leichnamen amüsiert. Wenn sie unschuldige Zivilisten getötet haben, wenn sie Massaker begangen haben, zahlt ihre Regierung $2000 Dollar Blutgeld an die Familie jedes Opfers. Das bedeutet doch, dass das Leben eines Afghanen oder einer Afghanin den Kriegstreibern nur 2000 Dollar wert ist. Meistens lehnen meine Landsleute dieses Geld ab.

Leider war die erste Botschaft, die Obama für mein Volk hatte, als er das Amt übernahm, noch mehr Krieg, noch mehr Konflikte. Noch mehr Truppen für Afghanistan, sagte er damals. Das Resultat sind noch mehr Massaker, noch mehr Leid, noch mehr Tragödien. Verglichen mit der Ära der Bush-Administration ist die Zahl der getöteten Zivilisten unter Obama um 24% gestiegen. Auch in anderer Hinsicht ist mein Land sehr geplagt und leidet unter der Gewalt. Die jüngsten Berichte zeigen - wieder und wieder und, tausendfach wieder -, dass das Töten unserer Menschen in Afghanistan heute, vor allem in den 9 Jahren seit der Besatzung, die gleiche Bedeutung hat, wie wenn man Vögel tötet. Leider scheuen sich die Mainstream-Medien, die Wahrheit zu sagen und untertreiben schamlos die Zahl der zivilen Opfer beziehungsweise sprechen von ‘Aufständischen’ und ‘Terroristen’.

Amy Goodman: Sie sprachen vorhin die "Teams" an. Damit meinten Sie wohl das "kill team". Es bestand aus mehreren Soldaten, die nun in den USA vor Gericht gestellt werden. Democracy Now! hat die Fotos gezeigt - schreckliche Fotos. Ich warne die Zuschauer, bevor wir die Fotos zeigen, die ‘Der Spiegel’ veröffentlicht hat - Fotos von so genannten ‘Tötungs-Teams’, die wahllos unbewaffnete afghanische Zivilisten töteten und Leichenteile als Trophäen sammelten. Wieviel Aufmerksamkeit hat diese Sache in Afghanistan erregt?

Malalai Joya: Die Fotos sind herzzerreißend - nicht nur für die Afghanen, auch für Millionen von gerechtigkeitsliebenden und mitfühlenden Menschen überall auf der Welt. Davon gehe ich aus. Für das afghanische Volk war es allerdings nichts Neues. Jeden Tag wird hier bombardiert, werden Zivilisten getötet - im Namen dieser Terroristen, die heutzutage mit den faschistischen, terroristischen Taliban verhandeln und mit Gulbuddin Hekmatyar. Sollten letztgenannte Terroristen an die Macht kommen, wird die Situation noch blutiger und furchtbarer werden für mein Volk.

Das ist auch der Grund, weshalb an allen Tagen, an denen Bomben fallen, Demonstrationen stattfinden. Wenn das Volk davon erfährt, finden jedes Mal viele Demonstrationen im Land statt. In meinem Land gibt es zur Zeit zwei Widerstandsbewegungen. Die eine ist reaktionär. Es ist der Widerstand der Taliban-Terroristen. Wenn es um diesen Widerstand geht, versuchen die Mainstream-Medien und die US-Regierung aus jeder Maus einen Elefanten zu machen. Der andere Widerstand ist der des afghanischen Volkes, der normalen Afghanen - der Universitätsstudenten und unserer demokratischen, säkularen Parteien. Die ‘Afghanistan Solidarity Party’ ist eine dieser demokratischen Parteien. Vor kurzem haben sie in verschiedenen Regionen Afghanistans Demonstrationen abgehalten - in Mazar-i-Sharif, in Kabul, in Dschalalabad, in Herat und in der Provinz Farah. Hunderte folgten dem Aufruf und demonstrierten. Sie kamen mit Transparenten, auf denen stand: ‘USA - raus aus Afghanistan’. Sie protestierten gegen die brutale Gewalt, indem sie Fotos von zivilen Opfern zeigten. Doch niemand hat auf ihre Stimmen gehört, auch die afghanischen Medien nicht. Sie sind nicht frei. Es sind Mafia-Medien, die berichten. Die Mainstream-Medien berichten nie über den Volkswiderstand oder über die gerechtigkeitsliebenden Menschen auf der Welt. Solche Parteien sollte man unterstützen - demokratische Parteien, Intellektuelle und Aktivisten, hier, in Afghanistan. Zwar leben sie im Untergrund, aber sie verhalten sich nicht ruhig, während gekämpft wird, niemals. Lasst uns diese Leute unterstützen, so gut wir können. Üben Sie Druck auf Ihre Regierungen aus, damit diese üblen Taten, diese Kriegsverbrechen, die im Namen der Demokratie und der Frauenrechte begangen werden, endlich aufhören.

Amy Goodman: Können Sie uns sagen, mit wem die USA derzeit in Afghanistan zusammenarbeiten und verhandeln? Mit wem genau? Die Geschehnisse in Libyen und im Nahen/Mittleren Osten scheinen Afghanistan und die Berichterstattung darüber noch weiter in den Hintergrund zu rücken - falls das überhaupt noch möglich war. Es ist schon erstaunlich, dass die USA einen solchen Krieg führen und so wenig über Afghanistan bringen.

Malalai Joya: Sie wollen mit den Taliban verhandeln und mit Gulbuddin Hekmatyar. Die Nordallianz ist doch das gleiche Terrorgesindel wie die Taliban. Die denken genauso. Der Unterschied besteht darin, dass sie sich nach dem 11. September physisch anders gegeben haben. Gehen Sie auf die Webseite von ‘Human Rights Watch’. Sie werden etwas über diese Terroristen und deren Hintergrund finden. Viele Bücher wurden über sie geschrieben - wie ‘I Is for Infidel‘I Is For Infidel: 18 Years Inside Afghanistan’ von Kathy Gannon. ‘Ghost Wars’‘Ghost Wars: The Secret History of the CIA, Afghanistan and Bin Laden…’ von Steve Coll., ‘Bleeding Afghanistan’‘Bleeding Afghanistan’ von James Ingalls. oder ‘Devil’s Game’‘Devil’s Game: Howr the United States Helped Unleash Fundamentalist Islamism’ von Robert Dreyfuss.. Lesen Sie diese Bücher, und Sie werden besser begreifen, wer die Verbrechen gegen mein Volk begangen hat. Sie werden den Bürgerkrieg zwischen 1992 und 1996 besser verstehen - die Zeit, bevor die Taliban an die Macht kamen. Nach dem 11. September haben sie sich über das afghanische Volk erhoben - als Demokraten verkleidet. Das ist der Grund, weshalb es mit Afghanistan jeden Tag weiter bergab geht. Die Situation wird immer schlimmer. Die USA und die Nato - vor allem aber die US-Regierung - haben diese Fundamentalisten seit der Zeit des ‘Kalten Krieges’ unterstützt, geschaffen, gefördert. Und sie wollen bis heute nicht auf sie verzichten.

Diese Bande von Terroristen ist in den vergangenen 10 Jahren sehr mächtig geworden. Heute laufen sie in Anzug und Krawatte herum, aber ihre Hände sind blutig. Und jetzt laden sie auch noch andere Terroristen ein - die Taliban und Gulbuddin Hekmatyar. Letzterer stand, als gesuchter Verbrecher, auf der ‘Schwarzen Liste’ der Amerikaner. Diese Terroristen (der afghanischen Regierung) laden die anderen Terroristen ein, dass sie sich zu diesem mafiosen, korrupten Regime gesellen - ohne sich beim Volk zu entschuldigen. Mullah Omar ist kein Gemäßigter, wie die US-Regierung dem gerechtigkeitsliebenden Volk in Amerika und den Menschen auf der ganzen Welt weismachen will: "Wir verhandeln mit den gemäßigten Taliban". Es gibt bei uns keine gemäßigten Taliban. Wie wollen sie auch entscheiden, ob ein Terrorist gemäßigt ist oder nicht? Mullah Omar ist ein Terrorist - und wenn man so will auch Sayyaf, Rabbani, Qanooni, Mohaqiq, Dostum, Khalili, Ismail Khan, Gulabzoi, Olumi und viele andere. Sie sind eine Killerbande. Doch derzeit haben sie die Macht inne. Sie bekleiden hohe Posten in Hamid Karsais Regime. Stattdessen sollten sie vor den ‘Internationalen Strafgerichtshof’ gestellt werden, weil sie Kriegsverbrechen begangen haben und viele Gewalttaten.

In den letzten Jahren haben sie mein Land in DAS Zentrum für Drogen verwandelt. Seit 2001 hat der Anbau von Opium in Afghanistan um 4 400% zugenommen. Afghanistan ist das zweitkorrupteste Land der Welt. Die Regierung Karsai hat von der so genannten "internationalen Gemeinschaft" 2 Milliarden Dollar erhalten, aber mein Volk hat nicht einmal genug zu essen. Mehr als 80% der Menschen in Afghanistan sind ohne Arbeit. Sie müssen so sehr leiden.

Wie es scheint, genügt es der US-Regierung noch nicht, soviel unschuldiges Blut in Afghanistan und im Irak vergossen zu haben. Nun marschieren sie auch noch in Libyen ein - im Schutze und unter dem Dach der UNO, unter dem schönen Vorwand, die Rechte der Frauen und die Menschenrechte zu schützen. Ich sage es noch einmal: Meine Botschaft an die gerechtigkeitsliebenden Menschen in den USA und auf der ganzen Welt lautet: Bitte erhebt Eure Stimmen gegen diese falsche Politik. Sie erleben, wie die Obama-Administration ein großes Geschrei um das Gaddafi-Regime und dessen Verbrechen macht. Gleichzeitig unterstützt diese Administration aber die allerschmutzigsten Regime - Regime, die weit schmutziger sind als Gaddafis Regierung, wie beispielsweise die Regime in Pakistan, in Afghanistan, im Irak, in Israel, in Saudi-Arabien und in vielen anderen Ländern.

Amy Goodman: Wir haben noch 30 Sekunden. Malalai Joya. Der Rückzug soll im Juli beginnen. Glauben Sie daran? Was würde der Abzug der US-Truppen bedeuten?

Malalai Joya: Das sind nur aufgeblasene Lügen. Die USA und die Nato belügen nicht nur das afghanische Volk sondern auch ihre eigene Bevölkerung, wenn sie sagen: "Wir werden Mitte 2011 abziehen." Das zum einen. Zum anderen sehen wir, dass das Marionettenregime der Amerikaner, das Karsai-Regime, von permanenten US-Militärbasen im Land redet. Das bedeutet doch eindeutig, dass sie nicht so schnell aus unserem Land abziehen werden. Sie sind dort, um ihre eigenen strategischen Interessen in der Region zu verfolgen und werden mein Land nicht so bald wieder verlassen. Sie sind dort, weil es ihren eigenen strategischen, regionalen, ökonomischen Interessen dienlich ist.

Wir wollen, dass diese Truppen abziehen, denn durch ihre Anwesenheit leiden wir doppelt. Durch ihre Anwesenheit haben die gerechtigkeitsliebende, demokratische Parteien, die Intellektuellen und die Unschuldigen in meinem Land mehr Hindernisse und mehr Probleme. Wir sind eingequetscht zwischen drei mächtigen Feinden: den Warlords, den Taliban und den Besatzungstruppen. Wenn die Besatzungstruppen abziehen, müssen wir immer noch gegen zwei Feinde im Innern kämpfen. Sollten die Besatzer abziehen und die Warlords und Taliban nicht mehr bewaffnen, würde das diesen Kriminellen das Genick brechen. Natürlich ist es nicht einfach, gegen Warlords und gegen die Taliban zu kämpfen, aber der hoffnungsvolle, positive Aspekt ist, dass mein Volk die Taliban und die Warlords hasst. Wenn die USA und die Nato uns ein wenig Luft zum Atmen geben - das heißt, uns ein wenig zufrieden lassen -, werden wir mit unserer Zukunft schon zurechtkommen.

Sie sagen uns, "wenn wir abziehen, wird in Afghanistan ein Bürgerkrieg ausbrechen". Doch niemand spricht von dem Bürgerkrieg, der bereits heute in Afghanistan stattfindet. Solange die Besatzungstruppen hier sind, verschlimmert sich die Bürgerkriegssituation durch deren Anwesenheit. Noch nie hat ein Militäreinmarsch die Demokratie gebracht. Demokratie kommt auch nicht durch Bombardements, durch das Töten unschuldiger Zivilisten, durch Clusterbomben oder weißen Phosphor. Wie auch immer - wir haben die Schnauze voll von dieser Besatzung. Die Botschaft meines Volkes lautet: Wir wollen nicht, dass ihr uns irgendetwas Gutes tut. Es reicht, wenn ihr aufhört, Verbrechen an uns zu verüben. Hört auf mit diesen Massakern, hört auf, diese Kriminellen, diese Terroristen, zu unterstützen. Bis es soweit sein wird, bitte ich alle gerechtigkeitsliebenden Menschen auf der Welt um Solidarität und Unterstüzung. Unterstützen Sie uns moralisch und im Bildungsbereich, denn das ist der Schlüssel zur Emanzipation der Welt.

Amy Goodman: Malalai Joya, vielen Dank, dass Sie bei uns waren. Sie ist eine ehemalige Abgeordnete des Afghanischen Parlaments und hat viele Attentatsversuche überlebt. Ihr aktuelles Buch heißt: ‘A Woman Among Warlords’. Laut des ‘Time’-Magazins gehört sie zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.

Malalai Dschoja war die jüngste und freimütigste Parlamentarierin Afghanistans. Sie hat die Kriegsherren, die von den USA unterstützt werden und das afghanische Parlament beherrschen, offen angegriffen. Seitdem erhielt sie eine ununterbrochene Folge von Morddrohungen. Das neue Buch von Malalai Joya heißt: ‘Ich erhebe meine Stimme’ (‘Raising My Voice) und ist 2009 erschienen. 

Quelle: ZNet Deutschland vom 30.03.2011. Originalartikel: Stop These Massacres": Ex-Afghan Parlamentarian Malalai Joya Calls for End to U.S. Occuopation of Afghanistan . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

01. April 2011

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