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Wirtschaftskriege

Der Berliner Verteidigungsminister bestätigt den Zusammenhang zwischen deutschen Wirtschaftsinteressen und Interventionen der Bundeswehr. Man müsse in Deutschland "noch einiges tun", um dieser Erkenntnis zum Durchbruch zu verhelfen, sagte Karl-Theodor zu Guttenberg auf der diesjährigen "Berliner Sicherheitskonferenz", die gestern zu Ende ging. Ebenfalls am gestrigen Mittwoch hat das Bundeskabinett beschlossen, die Intervention der deutschen Kriegsmarine vor dem Horn von Afrika weiterzuführen, um dort auch künftig "sichere Handelswege (zu) garantieren".

Während in der deutschen Öffentlichkeit eine neue Debatte über Wirtschaftskriege einige Wellen schlägt, treibt Berlin die immer engere Verflechtung zwischen deutscher Wirtschaft und Militärpolitik voran. Soeben hat das "Wirtschaftsforum" der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) eine Tagung beendet, auf der Wirtschaftsvertreter mit Militärexperten über die Sicherung der Rohstoffversorgung debattierten. Um die Verflechtung auch informell zu stärken, führt die Bundesakademie systematisch ihre Bemühungen um den Aufbau einer "strategic community" in der deutschen Hauptstadt fort - Wirtschaftsvertreter inklusive. Wie der Verteidigungsminister jetzt bekräftigt, hat Berlin insbesondere künftige Konflikte mit "aufstrebenden Mächten" im Blick. Die Formulierung umschreibt mögliche eskalierende Auseinandersetzungen mit China.

Strategische Fragen

Wie der deutsche Verteidigungsminister auf der gestern beendeten "Berliner Sicherheitskonferenz" erklärte, werde man "noch einiges tun müssen", um "den Zusammenhang von regionaler Sicherheit und Wirtschaftsinteressen in unserem Lande" künftig "offen aussprechen" zu können. Ausdrücklich erinnerte Karl-Theodor zu Guttenberg an den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser hatte im Frühjahr darauf hingewiesen, dass man es in Berlin für nötig halte, gegebenenfalls auf das Militär zurückzugreifen, um beispielsweise freie Handelswege zu sichern; nach lautstarker öffentlicher Kritik an seiner Äußerung war er schließlich zurückgetreten. Er frage sich "bis heute, was so verwegen an dieser Aussage war", sagte Guttenberg jetzt: "Ich hätte mir von uns allen etwas mehr Unterstützung in dieser Fragestellung gewünscht." Viele Rohstoffe seien zwar knapp, aber für die deutsche Industrie genauso unersetzlich wie Transportrouten für Import und Export: "Da stellen sich Fragen auch für unsere Sicherheit, die für uns von strategischer Bedeutung sind."Guttenberg: Wirtschaftsinteressen militärisch sichern; www.heute.de 09.11.2010.

Handelsrouten

In Umsetzung des Grundsatzes, dass deutsche Wirtschaftsinteressen Auslandseinsätze des Militärs erfordern können, hat das Bundeskabinett am gestrigen Mittwoch die Fortführung der Intervention der deutschen Kriegsmarine vor dem Horn von Afrika beschlossen. Wie das Bundespresseamt dazu mitteilt, umfasst der Auftrag der Marine nicht nur den Schutz von Hilfslieferungen für Somalia, sondern auch "die Sicherung des zivilen Schiffsverkehrs in der Region".Bundeswehr weiter gegen Piraten und internationalen Terrorismus; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 10.11.2010. Konkret werden dabei "Konvois von Handelsschiffen gebildet, die dann unter militärischem Schutz die Seewege zwischen Europa und Asien sicher passieren können". Das sei "besonders wichtig", weil "durch das Seegebiet vor Somalia und vor allem den Golf von Aden die wichtigste Handelsroute zwischen Europa und Asien" verlaufe. Ohne den Import von Rohstoffen und den Export von Industrieprodukten über See "drohten der Wirtschaft hierzulande erhebliche Nachteile". Dem Einsatz, der noch vom Bundestag gebilligt werden muss, stimmten letztes Jahr auch fast sämtliche Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD zu. Tatsächlich ist der Grundsatz, zugunsten wichtiger Wirtschaftsinteressen gegebenenfalls auch Militäreinsätze zu starten, in Berlin nicht umstritten. Er findet sich ebenso in den Verteidigungspolitischen Richtlinien der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2003 wie im Bundeswehr-Weißbuch (2006) aus der Zeit der großen Koalition.

Eine Existenzfrage

Während in der deutschen Öffentlichkeit eine von parteitaktischen Erwägungen geprägte Debatte über die Äußerungen des Ministers geführt wird, treibt Berlin die zunehmende Verflechtung von Wirtschaft und Militärpolitik voran. Instrument ist unter anderem die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in Berlin, der zentrale militärpolitische Thinktank der Bundesregierung. Die BAKS unterhält seit dem Jahr 2005 ein "Wirtschaftsforum", dem Unternehmensvertreter sowie sogenannte Sicherheitsexperten angehören. Die Einrichtung hielt in den vergangenen beiden Tagen eine Tagung abEnergie und Rohstoffe - Sicherheitspolitische Risiken künftiger Versorgungssicherheit; www.baks.bund.de., die "sicherheitspolitische Risiken" der künftigen Versorgung Deutschlands mit Energie und Rohstoffen zum Thema hatte. "Die Frage nach Versorgungssicherheit" habe "nicht nur wirtschaftspolitische, sondern auch außen- und sicherheitspolitische Bedeutung", hieß es explizit in der Veranstaltungsankündigung: "Denn für Deutschland und seine europäischen Nachbarn" sei "die Rohstoffversorgung eine Existenzfrage".

Für kommende Woche (18. November) kündigt die BAKS eine Veranstaltung über die "Zusammenarbeit von Behörden und Wirtschaft in Krisen" an. Dabei geht es der Ankündigung zufolge unter anderem um die Bedrohung des Handels durch Piraterie - und darum, "mit Vertretern der zuständigen Bundesressorts" neue "Möglichkeiten zur Verbesserung der gegenseitigen Information und Kooperation zu diskutieren".Zusammenarbeit von Behörden und Wirtschaft in Krisen; www.baks.bund.de.

Strategic Community

Insbesondere bezieht die BAKS auch Wirtschaftsvertreter in ihre Bemühungen ein, in Berlin eine "strategic community" zu etablieren. Dabei geht es darum, Führungspersonal aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zusammenzubringen und in außen- und militärpolitische Diskussionen einzubinden. Dazu nutzt die Bundesakademie ihr jährliches "Seminar für Sicherheitspolitik", dessen Teilnehmer sie nach dem Ende der Veranstaltung - unter anderem mit "Ehemaligentreffen" - in ihr Netzwerk einbindet. Wie die BAKS berichtet, verzeichnet sie zunehmendes Interesse "insbesondere aus den Kreisen der Wirtschaft und Industrie" an ihrem Seminar.Planungsklausur BAKS 2010; www.baks.bund.de. So nahmen in diesem Jahr etwa hochrangige Mitarbeiter der Commerzbank, der Deutschen Bahn und der Deutschen Telekom sowie von Siemens und Daimler an dem Programm teil.

Chinas Rohstoffbedarf

Fragen der Rohstoffversorgung beschäftigten das Seminar der BAKS, die im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums angesiedelt ist, schon im Jahr 2008. Damals arbeiteten sich die Teilnehmer nicht zuletzt an einem Szenario ab, das vorsah, die Volksrepublik China erhalte "durch geschickte Vertragsgestaltung mit Rohstofflieferanten in Afrika" einen bevorzugten Zugriff auf die dortigen Ressourcen.BAKS: Energiesicherheit 2050. Eine ressortübergreifende Herausforderung; Berlin, Juni 2008. Die Aufgabe der Teilnehmer, darunter Wirtschaftsvertreter, bestand darin, Wege zur Durchsetzung eines bevorzugten deutschen Zugriffs zu finden. Die Konfliktlage gleicht derjenigen, die Minister Guttenberg auf der diesjährigen "Berliner Sicherheitskonferenz" erwähnte: "Der Bedarf der aufstrebenden Mächte an Rohstoffen steigt ständig und tritt damit mit unseren Bedürfnissen in Konkurrenz".Guttenberg: Wirtschaftsinteressen militärisch sichern; www.heute.de 09.11.2010. Das könne zu neuen Krisen führen. Die Formulierung umschreibt kaum verklausuliert künftige Rohstoffkonflikte mit der Volksrepublik China, wie sie die in Berlin entstehende "strategic community" bei der BAKS bereits vor zweieinhalb Jahren diskutierte.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 11.11.2010.

Weblinks:

Fußnoten

Veröffentlicht am

11. November 2010

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