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“Märchen der anderen Art”

Buchempfehlung zu Eugen Drewermanns Märchenauslegungen über Kriegsverletzung und Heilung

Von Peter Bürger 

Welcher namhafte deutsche Theologe außer Eugen Drewermann bekennt sich öffentlich zum Pazifismus und entlarvt - ohne die ganz gewöhnlichen staatskirchlichen Arrangements - die offiziellen Staatsmärchen als Lügen? Wo hätten wir in unserem Land sonst einen wirklich prominenten Christen, der sich auf Kundgebungen und bei vielen anderen Gelegenheiten so engagiert als Stimme der Friedensbewegung zeigt? Die Wahrheit ist: die Herren und Damen in staatlich dotierten Kirchenämtern und auf staatlich besoldeten Lehrstühlen halten fast ausnahmslos still, wenn es um den Kriegsapparat der Gegenwart geht. Und das genau wird von ihnen ja auch erwartet. Schlimmer noch, unter der heuchlerischen Absage an ein "veraltetes Heldentum" entstehen Texte, die den Soldatentod auf neue Weise sakral überhöhen. Wüssten wir nicht um den bedauerlich kleinen und selbstgenügsamen Horizont vieler bürgerlich abgesicherter Kirchenfunktionäre, so müssten wir ganz sicher kotzen. 

Zumal in der Einleitung zu seinem Buch "Heimkehrer aus der Hölle" lässt Drewermann erneut keinen Zweifel an seiner Einschätzung des gegenwärtigen Kriegstreibens: es geht um Wirtschaftsinteressen und geostrategische Macht, um sonst nichts. Flankiert wird die Rehabilitierung des Krieges, an der namentlich die "Grünen" einen  geradezu historisch zu nennenden Anteil haben, durch eine breite Militarisierung bis hinein in viele gesellschaftliche Räume. Zu den ewig alten Lügen kommt das Verschweigen. Denn kaum etwas erfahren wird über das wirkliche Ausmaß, in dem Soldaten, die man zum Mordhandwerk ausgebildet hat, seelisch zerstört bzw. als Fremde aus dem Inferno zurückkommen. 

Das Buch enthält Auslegungen zu drei Grimm´schen "Märchen von Kriegsverletzungen und ihrer Heilung". Zahlreiche Zeugnisse aus Literatur und bildender Kunst werden bei der psychologischen Betrachtung - und insbesondere noch einmal im Epilog - herangezogen. Die Fragen des Buches: Welche Bedingungen und welche "Familienromane" treiben einen Menschen dahin, sich dem Kriegsapparat zur Verfügung zu stellen? Welche Zerstörung des Seelenlebens vollzieht sich auf den Schlachtfeldern? Wie kehrt ein Mann zurück, der da draußen zum Mörder geworden ist? Welche Wege der Heilung, der "Nachreifung" und der besonderen Liebe zu einem anderen Menschen könnte es für ihn geben?

Unermüdlich warnt Drewermann die politischen Christen, zu denen auch ich mich zähle, davor, überall voreilig zu politisieren. Wir sollten uns anschauen, woher ein Mensch kommt, der schuldig wird. Wir sollten zuhören lernen, bevor wir Parolen in die Welt schreien. Wir sollten leibhaftigen Biographien mehr Bedeutung beimessen als unseren fertigen Vorurteilen und Systemen. In den vorliegenden Märchenauslegungen wird es keinem Soldaten erspart, sich mit der nackten Wahrheit über das Wesen seines Berufes auseinanderzusetzen. Doch - statt der üblichen weiteren Beschädigung durch moralisierende Selbstgerechtigkeit auch von Friedensbewegten - geht es auf Schritt und Tritt um Verstehen und um Auswege aus jenem Inferno, das Menschen zu Mördern macht. Ich meine, das Angebot des Versöhnungsbundes zu einer vom Staatschristentum unabhängigen Soldatenseelsorge und dieses Buch sind Hoffnungszeichen. Die Soldaten sind unsere Geschwister wie alle anderen Menschen auch. Sie brauchen unsere Hilfe.

Eugen Drewermann, Heimkehrer aus der Hölle. Märchen von Kriegsverletzungen und ihrer Heilung. Ostfildern: Patmos-Verlag der Schwabenverlag AG 2010. [208 Seiten; ISBN 978-3-491-72568-3]

Veröffentlicht am

29. September 2010

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