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Terrorgefahr in Jemen und Somalia: Arm und zersplittert

Von Karl Grobe

Drei Dinge haben Jemen und Somalia gemeinsam: Sie liegen beide am Ausgang des Roten Meers in den Indischen Ozean, sie sind beide als Staaten gescheitert, und in beiden Gebieten hat eine international wirkende Terrororganisation offenbar Stützpunkte geschaffen.

Der Zusammenbruch Somalias hängt unmittelbar mit dem Kalten Krieg zusammen. Das in sich uneinheitliche Territorium hatte der Diktator Siad Barre 1970 zum sozialistischen Staat erklärt und mit sowjetischen Waffen aufgerüstet. Als er sieben Jahre darauf versuche, die äthiopische Provinz Ogaden zu erobern, wofür es stammespolitische Gründe gab, scheiterte er: Äthiopien schlug mit sowjetischer und kubanischer Unterstützung zurück. Äthiopien war inzwischen ebenfalls auf sogenannten Linkskurs gegangen - und es war aus Moskauer Sicht eben wichtiger.

Clans beherrschen die Staaten

Die Niederlage erschütterte Barres Position und stärkte aufsässige Stämme. Mit verdeckter US-Hilfe jagten sie den Diktator 1991 davon. Auf eine Nachfolge-Ordnung konnten sie sich nicht einigen. Rund fünfzehn Versuche, eine Regierung zu bilden, sind seitdem gescheitert. Radikalisierung der Gruppen und Stammesführer folgte, islamistische Kräfte besetzten die Städte, kämpften gegeneinander, zogen sich zurück, kamen wieder - manchmal mit äthiopischer Waffen- und Soldaten-Hilfe -, und selbst wenn Somalia einen politisch gemäßigten Präsidenten hat (seit einem Jahr: Scheich Scharif Scheich Ahmad), so hat dieser keine Macht.

Al Schabab ist die gegenwärtig stärkste islamistische Organisation. Sie beherrscht den Hafen Kismaayo im Süden und hat wahrscheinlich einiges mit der Piraterie vor Somalias Küsten zu tun. Al Schabab wird angeblich von Eritrea unterstützt - beide sind mit Äthiopien verfeindet. Aus der Hauptstadt Mogadischu wurde al-Schabab mehrmals vertrieben; der Clan Hawiye, der ein Viertel der neun Millionen Einwohner umfassen soll, ist dort einflussreicher. Puntland und Somaliland - beide im Norden - werden von weiteren Clans beherrscht.

Clan-Traditionen bestehen ebenso in Jemen; doch die entscheidenden Krisenelemente sind anderer Art. Jemen ist mit 24 Millionen Einwohnern übervölkert (1994 erst 13 Millionen, nach Schätzungen), und es leidet unter akutem Mangel an Trinkwasser. Die führen, wie Wasser- und Umweltminister Al Eryani kürzlich amerikanischen Journalisten sagte, "zu Stammeskonflikten, Religionskonflikten und politischen Konflikten". Wo es nicht um Wasser geht, da geht es um Öl und um Land, Weide- oder Ackerland, das wiederum Wasser braucht.

Der politische Konflikt ist mit der Einigung des Landes 1990 nicht vergangen; eher im Gegenteil. Der Süden war, wenigstens in seinen küstennahen Regionen, Anhang eines modernen Weltreichs, über das unterdessen die Zeit hinweggegangen ist, nämlich des britischen Empire. Der Norden war, in der Substanz, noch der Welt des Propheten Mohammed nahe - mit bewusst gepflegter älterer Tradition.

Der Süden wurde nach der Entkolonialisierung ein linksradikal regierter Einparteistaat, der Norden blieb geformt von der islamischen Kultur und Lebensart in ihrer schiitisch-zaiditischen Ausprägung. Dort wirkte zudem der Bürgerkrieg von 1962 bis 1967 nach, bei dem sich Ägypten für eine republikanisch-weltliche, Saudi-Arabien für die von den Republikanern gestürzte königliche Seite einsetzte, obwohl Saudi-Arabien radikal sunnitisch ist. Das brachte zaiditische Clans gegen die eigentlich verbündeten Königstreuen auf.

Gegenwärtig sind schätzungsweise 200 El-Kaida-Militante im Jemen, die Zahl der Sympathisanten ist wesentlich größer. Verhaftungen, Verhöre und Folterungen Verdächtiger und die allgemeine Korruption bis zum Freikauf Gefangener oder Entführter geben den militanten Islamisten täglich neuen Argumente. Und schließlich ist Osama bin Laden ein Landsmann: Sein Vater ist als armer Mann nach Saudi-Arabien ausgewandert und dort schwerreicher Unternehmer geworden.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 04.01.2010. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

04. Januar 2010

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