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Herr Präsident, Krieg ist nicht Frieden

Kommentar zu Obamas Osloer Rede (Entgegennahme des Friedensnobelpreises)

 

Von Norman Solomon, 12.12.2009 - ZNet/ZSpace

Eine eloquente Rede in Oslo kann die Kriegswirklichkeit nicht verändern.

Als Präsident Obama seine Rede zur Entgegennahme des Friedensnobelpreises beendete, forderte er zu einer "beständigen Erweiterung unserer moralischen Vorstellungskraft" auf. Allerdings hielt sich seine Rede im engen Rahmen einer Politik, die er mühsam rhetorisch zu rechtfertigen suchte.

Locker und mit abgehobenen Begründungen wird uns gesagt: Das noble Ziel der Kämpfe ist Frieden. Mit dem wirklichen Krieg haben solche Begründungen wenig zu tun. Die Rhetorik ist der Zuckerguss über dem Gift. Sie trägt dazu bei, die Hoffnung zu killen und zwar im Namen der Hoffnung.

Vor einigen Monaten war ich in Afghanistan und besuchte eine Behörde, die Frauen bestärken soll. Die Mitarbeiter brachten mich zu einem Pilotprojekt. Es liegt in einem der ärmsten Viertel Kabuls. Dort wird Frauen beigebracht, wie man ein kleines Geschäft führt. Zudem lernen sie Selbstbewusstsein und wie frau einander bestärkt.

Zwei Dutzend Frauen zwischen 20 und Ende 50 sprachen begeistert von ihrem Workshop. Verzweifelt wollten sie ihr Leben verändern. Als es Zeit war zu gehen, stellte ich eine Frage: Wenn mich Menschen in den USA fragen, was die Frauen in Afghanistan am meisten wollen, welche Antwort soll ich ihnen geben?

Mehrere Frauen äußerten sich, und der Übersetzer fasste die Antworten zusammen: "Sie alle sagen, höchste Priorität hat der Frieden".

Seit 30 Jahren liegt über Afghanistan ein mörderischer Doppelschatten aus Armut und Krieg. Die einzige Möglichkeit zur Rettung ist Frieden.

Präsident Obama sagte, Frieden sei das ultimative Ziel. Doch dieser "Frieden" ist wie ein strategisch am Horizont anvisierter Punkt. Mit jedem Vordringen des Militärs bewegt er sich weiter weg.

Wenige Tage, bevor Obama das Podium in Oslo betrat, sagte jener US-General, der für den amerikanischen Kriegsbeitrag in Afghanistan zuständig ist (U.S. Army General McChrystal) vor einem Kongress-Komitee in Washington über Obamas kürzlichen Schwur, mit dem Truppenabzug aus Afghanistan im Juli 2011 zu beginnen. "Meiner Ansicht nach ist das absolut keine Deadline", so Stanley McChrystal.

Krieg ist nicht Frieden. Krieg war nie Frieden und wird es nie sein.

In der realen Welt siegt die Politik stets eindeutig über die Rhetorik - mag Letztere auch noch so gut sein. Das gilt auch für Präsident Obamas Aussage in seiner Osloer Rede, dass "Amerika nicht alleine handeln kann". Und das gilt für seine Forderung nach "Standards, die den Einsatz von Gewalt regeln". Diese hehre Erklärung steht in eklatantem Widerspruch zu Obamas Ankündigung im November, das internationale Anti-Minen-Abkommen nicht zu unterzeichnen.

Die Friedensnobelpreisträgerin Jody Williams weist darauf hin, dass "Obamas Haltung, was Landminen angeht, seine dezidierten Aussagen über Multilateralismus, Abrüstung und Respekt für die internationale Menschenrechtsgesetzgebung infrage stellt. Wie könnte er - absolut glaubwürdig - die Welt in Richtung Abrüstung führen, wenn sein eigenes Land nicht einmal auf Landminen verzichtet?"

Zum Schluss seiner Osloer Rede sagte der Präsident, dass ihm in "alarmierender Weise klar sei, welche Kosten bewaffnete Konflikte mit sich bringen". Nun, alarmierend ist nicht gleich alarmierend. Ich denke dabei an die Menschen, die ich in Kabul getroffen bzw. gesehen habe und denen ein Arm oder ein Bein fehlte und an zahllose andere, deren Leben durch Kriege zerstört wurde.

Im Namen des Pragmatismus sprach Obama von "der Welt, so, wie sie ist". Er breitete ein Tuch der Rechtfertigung über die furchtbare Ausweitung (des Krieges) in Afghanistan aus, indem er darauf bestand: "Krieg ist manchmal notwendig". Doch mit Allgemeinplätzen lindert man den Horror nicht, den andere durch Kriege erleiden.

Präsident Obama hat den Friedensnobelpreis 2009 akzeptiert. Gleichzeitig hat er der Welt - "so, wie sie ist" - eine Kriegsrede gehalten. Angesichts ds Kontextes wurden die Einsichten, die er in seiner Rede zum Ausdruck brachte, umgehend zu einem Appell für noch mehr Krieg.

Norman Solomon ist ein amerikanischer Journalist, Medienkritiker und Antikriegs-Aktivist.

 

Quelle: ZNet Deutschland vom 12.12.2009. Originalartikel: Mr President, War Is Not Peace . Übersetzt von: Andrea Noll.

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Veröffentlicht am

14. Dezember 2009

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