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Unruhen und Zensur in Iran: Die Methode Khomeini - nur moderner

Von Karl Grobe

Vor gut dreißig Jahren hat Ayatollah Ruhollah Khomeini, so rückwärtsbezogen er in mancher Hinsicht war, ein höchst modernes Mittel eingesetzt, um seine islamisch-revolutionäre Botschaft unters Volk zu bringen. Er ließ seine Predigten aufnehmen, auf Kassetten vervielfältigen und in den Moscheen abspielen.

Die Worte kamen an, man konnte sich etwas dabei denken und dann auch handeln. Wenn eine Idee "die Massen ergreift", wusste schon Karl Marx, wird sie "zur materiellen Gewalt".

Khomeinis Methode hatte alle Vorzüge. Die Moscheen waren dem Zugriff des Schah-Geheimdienstes Savak weitgehend entzogen. Sie waren und sind die Stätten, in denen polit-religiöse Richtlinien ausgegeben werden, besonders in den Freitagsgebeten. Das wird nicht zufällig in der islamischen Welt oft mit einem Wort bezeichnet, das "Gemeinschaft" und damit mehr als die individuelle Andacht bedeutet.

Khomeini war zudem der zu seiner Zeit angesehenste Geistliche Irans und möglicherweise der gesamten schiitischen Gemeinschaft, kaum welterfahren, aber unnachgiebig im Widerstand gegen die Verwestlichung und deren Akteur, den Schah. Und Tonkassetten ließen sich leicht und unauffällig transportieren.

Die Methode Khomeini ist nicht wiederholbar. Die Moscheen sind Stützen der Mullah-Herrschaft und deshalb gerade nicht Brennpunkte der Opposition. Und sie ist technisch überholt durch Fernsehen, Internet und Handy-Telefonie. Aber sie wird durch diese Medien übertroffen.

Satellitenschüsseln sind seit 1995 illegal

Mit den staatlichen Fernsehprogrammen konkurrieren, allerdings mit geringem Erfolg, die persisch-sprachigen Satellitensendungen der Londoner BBC, der Stimme Amerikas und in den südwestlichen Regionen, in denen auch Arabisch gesprochen wird, von Al Dschasira, Al Arabija und anderen. Das soll und darf nicht sein; Satellitenschüsseln sind seit 1995 illegal. Aber es gibt sie doch.

Auch das gesprochene offene Wort erreicht Iran. Rundfunk aus den Nachbarstaaten und über Kurzwelle ist mit geringem Aufwand zu hören. Deutsche Welle, BBC, das 2003 von der Stimme Amerikas und dem Sender Freies Europa gegründete Radio Farda, ein rundes Dutzend klandestiner Sender mit den Ideen verbotener Exilorganisationen - welches Publikum sie erreichen, ist ungewiss. Sie werden auch durch Störsender überlagert.

Und da wiederholt sich eine alte sowjetische Erfahrung: Auf dem Land, abseits der Ballungszentren, übertönt das fremde Signal die Störer. Die Korrespondenten ausländischer Sender dürfen seit Montag nicht mehr auf der Straße arbeiten. Diese Art der Zensur ist selbst für Iran ungewöhnlich. Doch die britische BBC bekommt nach eigenen Angaben jede Minute fünf unzensierte Videos von Amateuren. Das Internet -23 Millionen der 67 Millionen Iraner haben Zugang - bietet trotz allen Zensur- und Blockierungsversuchen immer neue Um- und Auswege.

2008 wurden 30 Zeitungen geschlossen

Über die Auslandssender kommen die Bilder und Berichte ins Inland zurück. Die vielfache Informationsmenge verbreitet sich über YouTube, Facebook und ähnliche Netze. Khomeinis Botschaft wurde durch seine religiöse Unangreifbarkeit verstärkt und mit ihr transportiert. Die Botschaft der Opposition ist durch Offenheit, Freiheit von Zensur und Vielfalt der Meinungen glaubwürdig.

Das macht sie attraktiv für die Teile der Bevölkerung, die ihrerseits weltoffen und neugierig sind; sie erreicht aber nicht die konservativeren Schichten und im Falle der fremden Sender jene Hälfte der Einwohner Irans, die Aseri, Arabisch, Turkmenisch oder das Idiom einer anderen Minderheit sprechen.

Sie ist attraktiv oder wenigstens annehmbar für die unter 25-Jährigen; das ist die Hälfte aller Iraner. Und eben dies ängstigt die eine bis zwei Generationen älteren Herren in den Machtpositionen. Deren Meinungswächter bezichtigen die Medien im (vorwiegend westlichen) Ausland der Unterwanderung und des Aufrufs zum Umsturz. Die Übermittlung von Informationen, die sie nicht vorher genehmigt haben, nennen sie Spionage. Was sie verbieten können, verbieten sie; allein im vorigen Jahr wurden 30 Zeitungen geschlossen.

Wie viele Journalistinnen und Journalisten in diesen Krisentagen eingesperrt und wohl gefoltert worden sind, über die gut hundert bekannten Fälle hinaus, ist nicht zu ermessen. Es ist auch nicht zu errechnen, wen unzensierte Informationen erreichen. Dass sie das Denken einer großen Zahl befreien, ist sicher. Ob sie zu politischem Handeln werden, ist weniger gewiss.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 17.06.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

18. Juni 2009

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