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Parlamentspräsident Laridschani ist auf dem Sprung in die Residenz Ahmadinedschads

Die Wahl des ehemaligen Atomunterhändlers zum Oberhaupt des Abgeordnetenhauses ist ein Dämpfer für den iranischen Staatschef / Kritik auch aus dem konservativen Lager

Von Karl Grobe

Der frühere Atom-Unterhändler Ali Laridschani ist neuer iranischer Parlamentspräsident. Der konservative Politiker wurde am Dienstag für vier Jahre in das Amt gewählt, das vor allem repräsentative Funktion hat. Beobachter in Teheran erwarten jedoch, dass er sich im kommenden Jahr um die Präsidentschaft bewerben und die parlamentarische Sprecherfunktion als Sprungbrett dafür nutzen wird.

In diesem Fall würde Laridschani gegen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad antreten. Aus Protest gegen dessen “politischen Stil” hatte er im vergangenen November seine Position als Atom-Unterhändler niedergelegt. Er sagte jetzt, in “ideologischen Fragen” habe er keine Differenzen mit dem Präsidenten. Meinungsunterschiede, ließ er durchblicken, betreffen praktische Fragen.

Laridschani gehört zur konservativen Mehrheit in der Majlis, dem Parlament in Teheran. Diesem Lager werden rund 200 der 290 Abgeordneten zugerechnet, es ist jedoch nicht einheitlich. Laridschani und seine Anhänger werfen Präsident Ahmadinedschad eine verfehlte, zuweilen dilettantische Wirtschaftspolitik vor und lasten ihm die hohe Inflation (20 bis 30 Prozent) an. Offenbar um diese Kritik aufzufangen hatte Ahmadinedschad Mitte März die Ressortminister für Inneres, Wirtschaft und Finanzen gefeuert.

Während einer vorbereitenden Sitzung der Konservativen hatte sich am Sonntag die von Laridschani und dem Teheraner Bürgermeister Mohammed Bager Ghalibaf dominierte Richtung gegen die unbedingten Gefolgsleute Ahmadinedschads durchgesetzt. Die Position des Präsidenten, dessen rhetorische Entgleisungen und hemdsärmeliger Stil auch unter Konservativen umstritten sind, ist dadurch weiter geschwächt worden.

Laridschani wurde vor 50 Jahren in Nadschaf, einer den Schiiten heiligen Stadt im Nachbarstaat Irak, geboren. Er ist Mathematiker, Computerwissenschaftler und islamischer Philosoph. Als Kulturminister und Fernsehchef war er verantwortlich für die Gleichschaltung der elektronischen Medien und für Kampagnen gegen die so genannten Reformer, darunter den früheren Präsidenten Mohammad Khatami. Sein Bruder Sadegh ist geistliches Mitglied des zwölfköpfigen Wächterrats, dem unter anderem die Ablehnung nicht genehmer Bewerber um politische Ämter obliegt. Auch hat er das Recht, Gesetze abzulehnen, die vermeintlich gegen islamische Grundsätze verstoßen.

Im Nationalen Sicherheitsrat des Iran gilt Ali Laridschani als Vertrauensmann des Großayatollahs Ali Khamenei, des geistlichen Führers, der die oberste politische Instanz des Landes darstellt. LAridschanis Wahl zum Parlamentschef gegen die extrem konservative Richtung kann auch deshalb als Dämpfer für Ahmadinedschad verstanden werden.

Die höchstens 50 Abgeordnete umfassende Fraktion der Reformer spielte bei der Wahlentscheidung keine Rolle. Ein jetzt ausgeschiedenes Mitglied dieser Fraktion, Akbar Aalami, hatte in seiner letzten Rede vor der Majlis Khamenei und den Wächterrat scharf angegriffen. Diese seien offenbar damit beschäftig, “die revolutionären Kräfte, die die Versprechungen der Revolution durchzusetzen versuchen, aus dem Weg zu räumen”.

Aalami nannte den Wächterrat, der ernannt, nicht gewählt wird, ein Gremium der Willkür. Seine Kandidatur für das am Dienstag konstituierte Parlament hatte der Wächterrat verboten.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 28.05.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.


Kommentar

Machtfrage und Stilfrage

Von Karl Grobe

Für Irans knallhart radikalen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad war das keine gute Nachricht: Ali Laridschani, der sich im Protest gegen dessen “politischen Stil” in Sachen Atomprogramm von ihm losgesagt hat, hat die Mehrheit der Konservativen im Parlament hinter sich. Das reichte aus, um Sprecher (Präsident) dieser Kammer zu werden. Das neue Amt des früheren Atom-Unterhändlers ist zudem eine Plattform, von der aus er Ahmadinedschad bei der nächsten Präsidentenwahl im kommenden Jahr vortrefflich bekriegen kann.

Für die Außenwelt ist diese Wahl keine gute Nachricht, sofern nicht alles, was Ahmadinedschad schadet, als gute Nachricht durchgehen kann. Laridschani ist ein Konservativer. Er hat gebildetere Umgangsformen als der aktuelle Präsident, aber teilt - soweit vorhanden - dessen Ideologie.

Für das Volk ist die Nachricht auch eher ungünstig. Laridschanis Fraktion kritisiert mit Recht die inflationäre, sozial spaltende Wirtschaftspolitik. Sie ändern könnte nur der oberste aller Ayatollahs. Dem gefällt aber eher, dass die Herren sich streiten: Das festigt die Alleinherrschaft.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 28.05.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

28. Mai 2008

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