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In My Lai ging der Vietnamkrieg verloren

Massaker der US-Armee jährt sich zum 40. Mal / Der Mörder Calley ist für viele ein Held geblieben

Karl Grobe

Es dauerte weniger als drei Stunden. Dann war aus dem unbekannten Dorf My Lai das Symbol für den schmutzigen Vietnamkrieg geworden. Am 16. März 1968 setzten US-Hubschrauber um acht Uhr morgens einige Kompanien der Task Force Barker in My Lai ab. Als sie die Soldaten vor Mittag wieder abholten, gab es das Dorf nicht mehr, lebte keiner seiner Bewohner mehr. Der Tötungsorgie fielen - wie die US-Armee später angab - 347 unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder zum Opfer. Wahrscheinlich waren es aber mehr als 500.

Die Täter schwiegen. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis der Soldat Ron Ridenhour nach einer endlosen Reihe von Briefen, Eingaben und Appellen an Abgeordnete und Journalisten endlich Gehör fand, bis der Reporter Seymour Hersh die Nachricht über das Massaker von My Lai in der New York Times veröffentlichen konnte.

Der Fotograf Ronald Haeberle war für die Armeezeitung Stars and Stripes am Tatort. Eins der Schreckensbilder, die er dort aufgenommen hat, zeigt verzweifelt schreiende Frauen und Kinder, ein kleines Mädchen, das Schutz hinter Erwachsenen sucht. “Die Kerle waren dabei, sie alle zu erschießen”, gab der Fotograf später zu Protokoll. Als er sich abwandte, hörte er Maschinengewehrfeuer. Bewaffnete oder auch nur Waffen hatte die US-Armee in My Lai nicht finden können. Die Task Force Barker hatte ein Kriegsverbrechen an Unschuldigen begangen. Die Armee suchte das zu vertuschen. Drei Jahre nach dem Massaker erst wurde der Leutnant William Calley zu lebenslanger Haft verurteilt, die Strafe allerdings Tage später in Hausarrest umgewandelt. Präsident Richard Nixon begnadigte Calley 1974. Für viele, zumal Veteranen des Vietnamkriegs, an dem über acht Millionen US-Bürger in Uniform teilgenommen haben, ist Calley Kriegsheld geblieben. Einem internationalen Kriegsverbrechertribunal unterwerfen die USA sich bis heute nicht.

My Lai bedeutete den Wendepunkt im Bewusstsein der US-Öffentlichkeit. Die USA verloren weltweit ihren Ruf als demokratisches Vorbild. Und sie verloren schließlich den Krieg.

“Wenn wir Kriege schönreden, wenn wir Mythen ohne die Obszönität und Bösartigkeit der Tatsachen schaffen, dann verlieren wir sie. Und wenn wir einen Krieg auf diese Weise verlieren, ist es einfacher, den nächsten anzufangen”, kommentierte die Los Angeles Times jetzt am Donnerstag. Unter Hinweis auf die neuen Kriege in Afghanistan und Irak warnt die Zeitung vor der simplen Alternative, dass man “entweder Patriot oder Schurke, entweder ein Unterstützer der Truppe oder eine Gefahr für die Republik” sei.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 15.03.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

15. März 2008

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