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Der russische Igel

Europa will Russlands Gazprom-Konzern mit der Nabucco-Pipeline austricksen. Und könnte in die Röhre gucken.

von Karl Grobe

Nehmen wir mal an, Gazprom wäre ein ganz gewöhnliches, wenn auch ungemein starkes Unternehmen der Erdgas- und Erdöl-Branche. Dann hätten wir unvoreingenommen festzustellen: Der Laden expandiert ja ganz schön. Gewinnt der internationalen Konkurrenz immer neue Positionen ab. Schließt Verträge und kauft Firmen, während andere noch über Chancen und Risiken nachdenken.

Wir kämen nicht umhin, an das Buxtehuder Wettrennen zwischen Hase und Igel zu denken: Gazprom in der Rolle des Igels jubelt nach jedem Rennen plattdeutsch: Ick bün all dor. Und die Hasen wie Chevron, Exxon oder Total müssen, ermattet und überlistet, zugeben, dass sie eine Runde nach der anderen verloren haben.

Gazprom liefert ungefähr ein Drittel dessen, was in westeuropäischen Gasherden, Gasheizungen und industriellen Gasverbrauchsanlagen verbrannt wird. Die Firma ist Marktführer, mindestens. Und sie will direkt liefern, vom Bohrloch bis möglichst in unsere Küchen. Dafür legt sie eigene Pipelines an, etwa eine - “North Stream” genannte - unter der Ostsee.

Nun gut, keine ganz eigene, fünfzig Prozent plus eine Handvoll weiterer Aktien genügen ja, um das Unternehmen zu kontrollieren, dessen Aufsichtsratsvorsitzender der hannoversche Rechtsanwalt Gerhard Schröder ist.

Ganz einleuchtend, dieses Unternehmen. Die Röhre führt in ein paar Jahren vom russischen Norden direkt ins wichtige Verbraucherland. Dass Balten, Polen, auch Schweden und Finnen das nicht mögen, muss man wohl in Kauf nehmen, zumal ein Ukraine-Gazprom-Streit uns Europäern nichts mehr anhaben kann, oder?

Nun wollen die Verbraucherländer natürlich nicht abhängig werden. Sie planen eine Pipeline, die sich an jeglichem russischem Territorium südwärts vorbei schlängelt, und nennen sie Nabucco. Frei nach der Verdi-Oper aus dem Jahre 1841. Sie soll von Zentralasien bis nach Österreich führen, genau: nach Baumgarten am österreichisch-slowakisch-tschechischen Dreiländereck. Und soll irgendwann iranisches Gas herpumpen, was aber den USA gar nicht passt. Nun, dann eben solches aus Turkmenien und Kasachstan.

Sofern das verfügbar ist. Turkmeniens Präsident Kurbanguly Berdymuchamedow hat nun leider mit seinem russischen Noch-Kollegen Wladimir Putin vereinbart, eine Röhre nach Norden, zum Gazprom-Netz, zu verlegen, und Kasachstan als Partner hinzugewonnen, so dass für andere nichts mehr zu holen ist. Ick bün all dor, rief Igel Gazprom.

Und wiederholte das ein paar Wochen später. Begann einen “South Stream” zu planen, kaufte sich in Bulgarien und zum Freundschaftspreis in Serbien ein, nahm Österreichs Versorger OMV gleich mit ins Geschäft und sicherte sich damit den Vorgriff auf - raten Sie mal - Baumgarten, den entscheidenden Verteilerplatz. Da scheint Nabucco ausgesungen zu haben, als wir noch Fasching feierten.

Gazprom ist kein gewöhnliches Unternehmen. Es ist die staatsmonopolistische russische Firma, die als einzige Gasfernleitungen auf russischem Gebiet betreiben und Erdgas aus Russland exportieren darf. Und das Unternehmen, das demnächst dem Vaterland seinen Aufsichtsratsvorsitzenden uneigennützig zur Verfügung stellt. Der heißt Dmitri Medwedew und wird Russlands neuer Präsident. Doch Gazprom bleibt eine strategische Waffe des Staates, den er von Wladimir Putin erbt.

Karl Grobe ist freier Autor.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 11.02.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

11. Februar 2008

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