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Dank der Washington Post

Gideon Levy, Haaretz, 17.9.07

Auf unsere Freunde wie die USA können wir uns verlassen. Unsere treuen Verbündeten sind uns noch einmal zur Hilfe gekommen. Gäbe es die amerikanischen Medien nicht, würden wir nichts von jener mysteriösen Nacht erfahren haben. Nur wegen der USA beginnt sich der Nebel zu lüften. Es ist ein Zeichen von Schwäche, dass wir erst 10 Tage nach der Aktion, die von der israelischen Luftwaffe unternommen wurde - oder nicht unternommen wurde - weiter im Dunkeln tappen müssen oder auf die amerikanischen Medien angewiesen sind, als ob es hier keine lokalen Medien gibt.

Die Kombination von drastischer Zensur und Medienvertretern, die nicht genügend im Interesse für die Pressefreiheit kämpfen, ist gefährlich. Israel griff an oder griff nicht an, bombardierte oder bombardierte nicht - wer weiß? Und nichts wird dem Volk gesagt, alles ist geheim, ohne irgendeine allgemeine Aufsicht oder Verantwortlichkeit. Von der Öffentlichkeit erwartet man, dass sie sich still verhält und blind die Regierung und Armee unterstützt - egal was los ist. Dies ist auf jeden Fall eine unerträgliche Situation, aber diese besonderen Umstände des Vorfalles in/ über Syrien machen den Blackout besonders gefährlich.

Seit Monaten hat das Sicherheitsestablishment uns unaufhörlich mit Warnungen vor einer bevorstehenden Konfrontation mit Syrien überflutet. Die Quelle dieser Warnungen und in wie weit dieser vertraut werden kann, ist nie geklärt worden. Der durchschnittliche Nachrichtenkonsument weiß nur, dass Syrien Frieden vorgeschlagen hat und davor gewarnt hat, einem Krieg zu beginnen. Er weiß auch, dass Israel den Friedensvorschlag nicht günstig einschätzte und nicht einmal versucht hat, Syrien herauszufordern oder zu prüfen, wie ernsthaft es gemeint war. Die Situation sei explosiv, sagte uns das Verteidigungsestablishment immer wieder.

Und dann plötzlich in einer Nacht - bum! Nach dem Bericht der Washington Post: Verdächtige Fracht aus Nordkorea; nord-koreanisches Know-how, um Uran anzureichern, nach den Fox News; eine Mission, um Luftaufnahmen zu machen, nach der New York Times; oder Waffensysteme und “ein großes Loch in der Wüste” nach CNN.

Nun kann jeder raten, was geschehen ist, und vor allem jeder kann raten, ob solch eine Aktion, falls sie statt gefunden hat, überhaupt gerechtfertigt ist. Sind wir wieder im Begriff, uns auf ein gefährliches und sinnloses militärisches Abenteuer einzulassen - wie einige sagen.

Oder war es vielleicht eine notwendige und beispiellose Aktion. Auf dem Hintergrund der Warnungen des Verteidigungsestablishments über die explosive Situation kann solch eine Aktion eine schicksalhafte Bedeutung haben. Und wenn um Himmels willen jetzt mit Syrien ein Krieg ausbricht, was werden sie dann sagen? Dass die Situation schon explosiv war und dass diese Aktion nichts daran geändert habe. Werden wir in einen Krieg gehen, wenn wir nicht einmal wissen, was im Himmel über Syrien in unserm Namen gemacht oder nicht gemacht wurde?

Da gibt es ernsthafte Zweifel. An der Spitze des entscheidungsmachenden Prozesses in Israel steht heute der Ministerpräsident, der einen nachgewiesenen militärischen Misserfolg verbuchen kann und einen Verteidigungsminister, der eine angeborene Neigung zu militärischem Abenteuer hat. Da gibt es niemanden, auf den wir uns mit geschlossenen Augen verlassen können - ganz sicher nicht Ehud Olmert und Ehud Barak. Der eine möchte die Flecken seines Scheiterns im Libanon wegwischen, und der andere möchte beweisen, dass er besser als sein Vorgänger ist. Diesem muss man noch eine geschlagene Armee hinzufügen, die gleichermaßen versucht, das Volk seinen Misserfolg vergessen zu lassen. Und was ist mit uns? Von uns erwartet man, dass wir sie und ihre Aktionen mit geschlossenen Augen unterstützen.

Der übliche Grund für das schallende Schweigen ist, Israel wolle Syrien nicht in Verlegenheit bringen und nicht in einen Krieg hineinziehen. Das ist eine seltsame Entschuldigung. Ich hoffe, man hat dies in Rechnung gezogen, bevor die Flugzeuge in die Luft gingen und wer weiß wohin flogen - wenn sie tatsächlich geflogen sind. Syrien wird einen Vergeltungsschlag gegen Israel tun - nicht für das, was es sagt, sondern für das, was es tut. Nachrichtenberichte treiben ein Land nicht in einen Krieg.

Die israelischen Medien haben sich bedingungslos der Vortäuschung ausgeliefert. Es ist nicht der Job der Medien, die Erwägungen eines Krieges zu überprüfen. Ihr Job ist zu berichten. Wenn sie nicht dafür kämpfen, dann haben sie ihren Job verfehlt. Wie erwartet, löst sich die Nebelwand inzwischen langsam auf, aber nicht dank der israelischen Medien. Erst nachdem alles geklärt worden ist, werden wir wissen, ob es korrekt war, uns in einer so explosiven Situation in Gefahr zu bringen oder ob wir vielleicht in ein anderes Kriegsabenteuer geschliddert wären.

Unterdessen danken wir der Washington Post für ihren Informationsdienst.

Übersetzung ins Deutsche: Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

28. September 2007

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