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Weltmächte schauen interessiert weg

USA kämpfen mit Pakistan gegen Terror / China setzt auf Zugang zum Golf

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Von Karl Grobe

Radikale Gruppen, die offenbar die Kontrolle über die Rote Moschee in Islamabad übernommen haben, bedrängen das Regime Pervez Musharraf stärker als alle islamistischen Kräfte Pakistans bisher. Der Aufruf zur Revolution in einem "Testament" eines Anführers ist zwar nicht mehrheitsfähig. Doch auch kleine Gruppen können destabilisieren.

Zudem hat Musharraf sich liberale und weltliche Gruppen zu Feinden gemacht, die ihm eher wohlgesonnen waren. Und die Häupter der ins Exil vertriebenen Parteien arbeiten daran, für die angepeilten Parlamentswahlen einen Block zu schaffen. Der hätte, gemessen am Wahlergebnis von 2002, Aussichten auf vierzig Prozent der Stimmen, wenn es so fair zugeht, wie die USA fordern. Zur aktiven Unterstützung der Demokraten reicht es aber bisher nicht.

Bush mit Musharraf unzufrieden

Die USA wollen einerseits den General auf ihrer Seite behalten. Andererseits bewegt sie die Frage, ob das noch geht. Pakistan ist unverzichtbar für die Einmischung in Afghanistan. Es grenzt an den Iran, und der (nie verurteilte) Pakistani Abdul Qadeer Khan hat mit Teheran Atomschmuggel betrieben.

So recht zufrieden war die US-Regierung mit dem pakistanischen "Eckstein im Krieg gegen den Terror" nicht immer. Präsident George W. Bush machte das deutlich bei seinem Indien-Besuch vor einem Jahr. Die Ausnahmeregeln für Indiens Atomprogramm zeigten, wen die US-Regierung lieber zum Verbündeten hätte. Danach erst griff Pakistans Armee in den Nordwestgebieten wieder von Taliban-Anhängern beherrschte Dörfer an. Was fast zum Abfall der Nordwestgebiete führte. Dort regt sich nun Widerstand.

China ist Grenzland im Norden, Langzeit-Verbündeter und baut nahe der Grenze zum Iran in Gwadar einen Marinestützpunkt. Bisher hat Peking jeden Kurswechsel in Pakistan hingenommen, auch aus Rivalität gegen Indien.

Musharraf kann sich auf die nicht islamistischen Fraktionen in Armee und Geheimdienst stützen und nutzt die Zustimmung, die er seit dem harten Vorgehen gegen die Moschee-Besetzer erhalten hat. Das reicht nicht sehr weit. Die Weltmächte aber schauen interessiert weg. Das geopolitische Konfliktpotenzial der Atommacht Pakistans wird noch nicht erkannt.

 

Islamisten

Um die alte Partei Jamaat-e-Islami ("Islamische Gemeinschaft") sammeln sich die Islamisten. Diese Partei hat mit Koalitionspartnern unter dem Namen MMA derzeit 53 von 272 Sitzen im Parlament. Die 1941 gegründete Organisation strebt einen islamischen Staat an, aus dessen Ordnung alle Einflüsse der südasiatischen Alltagskultur getilgt sind.

Aus der Jamaat sind viele Gruppen hervorgegangen, die durch Anschläge bekannt wurden, zum Beispiel Jamaat-ud-Dawa (früher Lashkar-e-Toiba) in Kaschmir. Über Moscheen und Stiftungen übt sie großen Einfluss auf Jugendliche aus ärmeren Schichten aus.

Taliban ("Schüler" des Koran) ist der Name der radikalen, aus bestimmten Moscheen in Nordwestpakistan hervorgegangenen Organisation, die mit Hilfe des pakistanischen Geheimdienstes um 1995 die Macht in Afghanistan ergriffen und dort ein Gewaltregime errichtete, das sich auf einen verkürzten Islam gründet. Die Basis war und ist ein Teil der pathanischen Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze. Im pakistanischen Nordwesten beherrschen sie weite Regionen. Sie bekämpfen die Regierung auch mit terroristischen Mitteln, haben in den übrigen Provinzen kaum Einfluss.

Oppositionsparteien sind nach dem Staatsstreich Musharrafs 1999 zwar zu Wahlen zugelassen worden, doch ihre führenden Politiker leben im Exil. Die weltliche Volkspartei (PPP) hatte unter Zulfikar Ali Bhutto von 1970 bis 1977 Pakistan regiert. Bhutto wurde unter General Zia ul-Haq Coup hingerichtet. Seine Tochter Benazir Bhutto war zwischen 1988 und 1996 Regierungschefin. Ihr Wahlpotenzial liegt bei 25 Prozent.

Die Muslimliga ist islamisch, entstand 1906 und war an der Schaffung Pakistans beteiligt. Seitdem zerfiel sie in Fraktionen. Fünf Parteien erhielten als Muslimliga 2002 rund 30 Prozent.

Ein Oppositionskongress suchte am Wochenende in London nach einer gemeinsamen Linie. Ins Auge gefasst ist ein Wahlboykott, falls Musharraf eine weitere Amtszeit anstrebt.

 

 

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 10.07.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

10. Juli 2007

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