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Japan: Das Atom-Tabu

Von Karl Grobe

Der japanische Verteidigungsminister Fumio Kyuma ist am Dienstag nach heftig kritisierten Äußerungen zu den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki zurückgetreten. Drei Wochen vor den Parlamentswahlen hat die Affäre zu weiterem Ansehensverlust der Regierung unter Shinzo Abe geführt. Japanischen Pressemeldungen zufolge überflügelt die oppositionelle Demokratische Partei jetzt die regierenden Liberaldemokraten um acht Prozentpunkte.

Kyuma, zu dessen Wahlkreis Nagasaki gehört, hatte am Wochenende in einer Tokioter Universität Verständnis für die US-Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 geäußert. Vom US-Standpunkt aus seien sie “unvermeidbar” gewesen. Es gebe Situationen, in denen der Einsatz von Nuklearwaffen “eine Option” sei. Die USA hätten zwar gewusst, dass Japan den Krieg verloren hatte, wollten die Kapitulation aber beschleunigen. Andernfalls hätte die Sowjetunion möglicherweise Japans Nordinsel Hokkaido besetzt.

In einem scharfen Kommentar wies die liberale Zeitung Asahi Shimbun diese Äußerungen zurück. Sie liefen “unausweichlich auf die Duldung von Atomwaffen in der Zukunft” hinaus, widersprächen der gesamten Nachkriegspolitik Japans sowie den humanitären Grundsätzen des Völkerrechts und bedeuteten die “unterwürfige Übernahme” der US-Rechtfertigungen für die Angriffe.

Die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki, die Vertretung der Überlebenden (Hibakushi), die Opposition sowie der kleinere - pazifistische - Koalitionspartner, die Neue Komeito-Partei, hatten sofort Kyumas Rücktritt gefordert. Premier Abe versuchte noch am Dienstagmorgen, Kyuma im Amt zu halten, weil er lediglich den US-Standpunkt dargestellt habe, akzeptierte aber schließlich das Rücktrittsgesuch.

Nachfolgerin soll am heutigen Mittwoch die 54-jährige Sicherheitsberaterin Yuriko Koike werden. Die Ex-Umweltministerin gilt als “Falke”. Sie wird als erste Frau das erst zu Jahresbeginn zum vollgültigen Ministerium aufgewertete Verteidigungsamt leiten.

Kyuma hatte im Januar die USA mit einer kritischen Äußerung über den Irak-Krieg verärgert. US-Vizepräsident Dick Cheney hatte ihn deshalb bei einem Tokio-Besuch im Februar bewusst ignoriert. Kyumas Rücktritt ist nach dem erzwungenen Amtsverzicht des Reformministers Genichiro Sata im Februar und dem Selbstmord des Agrarministers Toshikatsu im Mai der dritte Skandal in Abes Kabinett.

Japans Parlament

Das japanische Parlament besteht aus zwei Kammern. Das Unterhaus hat 480 Sitze. Es wird alle vier Jahre gewählt - letztmals am 11. September 2005. Das Oberhaus hat 242 Sitze.

Alle drei Jahre wird die Hälfte der Mitglieder für sechs Jahre gewählt.

Seit 1999 regiert die Liberal-demokratische Partei mit der Komeito. Die Koalition verfügt im Unterhaus über eine Zwei-Drittel-Mehrheit, im Oberhaus hat sie die absolute Mehrheit.

Der Kaiser ist laut Verfassung “Symbol des Staates”. Er hat lediglich Repräsentationsbefugnisse.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 04.07.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

04. Juli 2007

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