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Von Teletubbies zum Klimawandel

USA: Generationswechsel bei der christlichen Rechten


Von Konrad Ege

Fernsehprediger Jerry Falwell ist tot. Er starb Mitte des Monats an einer Herzkrankheit. Präsident George W. Bush erklärte, er sei “zutiefst traurig”. Die Rechtschristen haben einen Gründer ihrer Bewegung verloren, und einen außerordentlich erfolgreichen Strategen. Mit wilden Attacken auf die Schwulen, die Gottlosen, die Falschgläubigen, und selbst die Kindersendung Teletubbies war Falwell in den vergangenen Jahren allerdings zu einer Karikatur seiner selbst geworden. Bei den christlichen Rechten vollzieht sich ohnehin ein Generationswechsel: Der Nachwuchs lockert die Verbindungen zu den Republikanern.

“Ich liebe Amerika”-Meetings

Konservative Christen sind seit mehr als 20 Jahren der verlässliche Kern der Republikanischen Partei. Die meisten kommen aus dem evangelikalen und fundamentalistischen Glaubensspektrum: Sie sind fast alle weiß, sie nehmen die Bibel wörtlich (die Fundamentalisten wortwörtlich) - sie sind durch ein Bekehrungserlebnis Christ geworden (“born again”) und überzeugt, dass sie in den Himmel kommen. Sie fühlen sich zum Weiterverbreiten ihres seligmachenden Glaubens verpflichtet und vertreten in vielen Fällen die Auffassung, Amerika sei ein auserkorenes Land. Evangelikale und Fundamentalisten gehen oft auf Distanz zum Modernen und “Weltlichen” (obwohl sie moderne Kommunikationsmittel effektiv einsetzen); in Falwells Liberty University soll es keinen Alkohol und vorehelichen Sex geben.

Weiße Evangelikale und Fundamentalisten stellen 20 bis 25 Prozent der US-Bevölkerung. Bei der Präsidentschaftswahl 2004 stimmten 78 Prozent “republikanisch”. Das war nicht immer so, schon gleich gar nicht, als ein junger Baptistenpastor namens Falwell 1956 in Lynchburg in den Fußhügeln der Blue Ridge-Berge Virginias seine erste Kirche gründete und 1957 als einer der ersten Fernsehprediger überhaupt seinen Glauben via Bildschirm verbreitete. Gute Christen ließen die Finger von der sündhaften Politik; Pastoren seien “nicht berufen, Politiker zu sein”, sagte Falwell noch Mitte der sechziger Jahre, als er Pastoren in der Bürgerrechtsbewegung kritisierte.

Anscheinend aus Unmut über liberale Veränderungen revidierte Falwell freilich diese These. Er organisierte “Ich liebe Amerika”-Meetings und gründete 1979 die “Moralische Mehrheit”, den Grundstein der modernen rechtschristlichen Bewegung. Damit lag Falwell im gesellschaftlichen Trend, der Ronald Reagan 1981 ins Weiße Haus brachte: Nach Ansicht vieler weißer Bürger funktionierte Amerika nicht mehr. In Vietnam hatte man verloren, ein Präsident musste in Schimpf und Schade zurücktreten, Abtreibung wurde 1973 landesweit legal, die etablierten Geschlechterrollen waren in Frage gestellt, die Privilegien der Weißen verloren durch die Bürgerrechtsgesetze ihr gesetzliches Fundament, die Jugend motzte auf und rauchte nicht nur Zigaretten, und Gerichte setzten zunehmend das in der Verfassung festgeschriebene Prinzip einer Trennung von Kirche und Staat durch.

Falwell hatte stets “biblisch fundierte” Meinungen zu allen Tagesfragen. Er war gegen die Freilassung des “Kommunisten” Mandela in Südafrika, gegen Abrüstung, denn Jesus sei “kein Weichling” gewesen, AIDS sei Gottes Strafe für Homosexuelle. Und die These vom menschenverursachten Klimawandel sei “der größte Betrug in der Geschichte der Wissenschaft.” Falwells Gott straft gern und viel. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sagte Falwell, “Heiden und Abtreiber und Feministinnen und Schwule und Lesben” würden eine Mitschuld an dieser Strafe für Amerika tragen.

Dieser Gott straft gern und viel

Bei der Auswahl von Bundesgenossen war Falwell nie wählerisch: Er hat Millionen Dollar von Sun Myung Mun erhalten, dem selbsternannten “wahren Vater der Menschheit” und Alleinherrscher über die mit dem Christentum kollidierende Vereinigungskirche.

Die “Moral Majority” ist Ende der achtziger Jahre von anderen rechtschristlichen Verbänden abgelöst worden; Falwell blieb seinen Gesinnungsgenossen als Wortführer erhalten, der anscheinend einen Weg gefunden hatte, Glaubensgrundsätze nicht durch mühsames Überzeugen Andersgläubiger, sondern im Verbund mit einem konservativen Staat durch Gesetze verbindlich zu machen. Der Wirtschaftselite kamen ein Falwell und dessen Nachfolger gerade recht: Man warf ihnen hier und da ein paar Brocken rohes Fleisch hin - etwa in Form von Gesetzen gegen die Homo-Ehe - und versicherte sich ihrer Loyalität, wenn es drauf ankam: Bei Steuergesetzen etwa. Auch wenn die Rechtschristen manchmal peinlich waren, etwa als Falwell vor ein paar Jahren warnte, eine lilafarbene Puppe namens Tinky Winky in der Kindersendung Teletubbies verleite die Windelträger vor dem Bildschirm zur Homosexualität.

Beim derzeitigen Niedergang der Regierung Bush erleben die USA aber auch den Niedergang der rechten christlichen Bewegung. Die alte Garde vom Schlage Falwells wird sich mit ihren wohl finanzierten und wohl organisierten Verbänden, Fernsehkanälen und Radiostationen weiterhin Gehör verschaffen: Aber sie hat ihre Schuldigkeit getan und kann gehen. In vielen evangelikalen Gemeinden setzt sich die Auffassung durch, dass auch soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz “biblisch” seien. Der Führungsrat des 30 Millionen Mitglieder zählenden Nationalen Verbandes der Evangelikalen hat kürzlich verkündet, es gebe eine “klare Verbindung” zwischen dem “Lebensschutz für ungeborene Kinder” und dem Erhalt der Erde.

Der Größte unter den evangelikalen Galionsfiguren in den USA bleibt der 88-jährige Billy Graham, der in der ganzen Welt rund 200 Millionen Menschen gepredigt hat. Aber auch er distanziert sich von der alten Grade und meint: Er politisiere nicht mehr. Christen könnten die Bibel durchaus unterschiedlich interpretieren, räumte Graham kürzlich gegenüber dem Magazin Newsweek ein. Und es wäre “dumm” zu behaupten, dass Juden, Muslime, Buddhisten und Nicht-Gläubige nicht in den Himmel kämen. Gottes Liebe sei nämlich “absolut.” Falwell hat in Lynchburg vorgesorgt: Einer seiner Söhne übernimmt den Betrieb.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   21 vom 25.05.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und der Redaktion.

Veröffentlicht am

25. Mai 2007

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