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Reumütige Wiederholungstäter

USA: Je prekärer die Lage im Irak, desto inständiger wird die Erinnerung an den "Kampf gegen den Kommunismus" beschworen

Von Konrad Ege

Die Liste der amerikanischen Misserfolge im Irak ist lang, die Kluft zwischen den proklamierten Zielen eines nationalen Wiederaufbaus und dessen Resultaten beachtlich. Während sich weder George Bush noch Tony Blair diesem ernüchternden Fazit länger verschließen können, gibt es Berichte über ein Massaker, das Ende 2005 von US-Marines in der Stadt Haditha verübt wurde. Schlimmer als Abu Ghraib, schreibt die Washington Post - ein Verbrechen, wie am 16. März 1968 im südvietnamesischen My Lai, glauben andere.


George W. Bush hat - Seite an Seite mit seinem ebenfalls bußfertigen Mittäter Tony Blair - Fehler bei der Irak-Politik eingestanden. Konkret freilich bedeutet die halbherzige Verbeugung vor der Realität nicht viel. Schon ein paar Tage danach zog der Feldherr in der Militärakademie West Point eine besorgniserregende Parallele: Der Krieg gegen den Terrorismus sei "anders als alle anderen Kriege". Amerika müsse sich aber dem Terror-Krieg so nachhaltig und kraftvoll widmen wie seinerzeit dem "ideologischen Kampf" gegen den Kommunismus. Bush bekräftigte seine Strategie des präemptiven Angriffs und warnte: Man sei gegenwärtig nur in der "Anfangsphase" des "langen Krieges gegen islamischen Radikalismus".

Umfrage auf Umfrage offenbart: In den USA wächst die Skepsis über den Irak-Feldzug. Die Demokraten träumen schon von den Kongresswahlen im November. Die Republikaner könnten ihre Mehrheit verlieren. Aber sicherheits- und außenpolitisch gäbe es wohl keine drastischen Veränderungen. Zu schwer lastet die imperiale Vergangenheit auf dem Umgang mit der realen Gefahr des islamischen Extremismus. Die Unbeweglichkeit zeigt sich bei Diskussionen in der Demokratischen Partei, bei denen Wortführer ebenfalls an den Kalten Krieg erinnern und auf die führende Rolle demokratischer Politiker verweisen, als es galt, den nationalen Konsens gegen den Kommunismus zu pflegen. Liberalismus des Kalten Krieges nannte man das. Zu Hause drängten die Liberalen die Regierung zu sozialen Reformen - im Ausland unterstützten sie Militärisches zur Stärkung des "amerikanischen Jahrhunderts".

Gemeint waren mit Kommunismus die Sowjetunion genauso wie nationale Unabhängigkeitsbewegungen. Man erinnere sich: Der Vietnamkrieg mit seinen Massakern zog sich hin durch die Jahre der Superdemokraten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson. Kennedy war der Gründervater der Green-Berets-Eliteeinheiten. In der Debatte heute betonen Parteistrategen, die Demokraten dürften nicht zurückschrecken vor dem Auftrag der USA, weltweit Demokratie und Freiheit zu verbreiten. Im Unterschied zu Bush verstünden die Demokraten aber, dass Machtausübung von Gesetzen begrenzt werden müsse. Auch das hört sich schön an; aber unter dem Strich bleibt nicht unbedingt viel. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die demokratischen Senatoren vergangene Woche für die Ernennung von Michael Hayden zum neuen CIA-Direktor - das ist der Hayden, der als Chef des Geheimdienstes National Security Agency (NSA) nach dem 11. September 2001 das umfassendste Telefonüberwachungsprogramm der US-Geschichte leitete.

Die meisten Demokraten akzeptieren auch die menschlichen Kriegskosten. Es ist totenstill geworden, was die Kritik an Folter in Geheimgefängnissen wie in Guantanamo und anderswo angeht. Das Chaos im Irak, mit dem die US-Streitkräfte konfrontiert sind, die Selbstmordanschläge, die Todesschwadronen und die wie eine Todesschwadron agierende Polizei dort werden dem Chaos vorgezogen, das vermutlich droht, würden die mehr als 100.000 US-Militärs abziehen. Dass auch amerikanische Soldaten selbst für schwere Übergriffe auf Zivilisten verantwortlich sind, zeigt das erst jetzt bekannt gewordene Massaker von Marineinfanteristen vom 19. November 2005 an 24 unbewaffneten irakischen Männern, Frauen und Kindern in der westirakischen Stadt Haditha (Provinz Anbar). Nach Presseberichten laufen Ermittlungen gegen mehrere Marines - es soll sogar Fotos der Leichen geben.

Ein neues Kapitel soll nun in Sachen Iran geschrieben werden. Ex-Außenminister Fischer appellierte Anfang der Woche in der Washington Post, Bush müsse den Westen anführen bei Verhandlungen mit Teheran. Ob Fischer das wirklich für möglich hält? Denn in den USA ist ziemlich viel fest gefahren. Die Demokraten mögen im sozialpolitischen Bereich, in Umweltfragen und bei den Bürgerrechten anders denken als die Männer und Frauen um George Bush - insofern wäre ein demokratischer Sieg im November von Bedeutung -, in der Sicherheitspolitik allerdings gibt es kaum eine Opposition. Man kann sich schlecht vorstellen, woher der Impuls zu Fischers Verhandlungen kommen sollte.

Kürzlich sei Bush gefragt worden, wie er seine außenpolitischen Entscheidungen treffe, berichtete das Magazin New Yorker. "Ich gründe viele meiner außenpolitischen Entscheidungen auf einigen Sachen, die ich für richtig halte", habe Bush gesagt. "Ich glaube, dass es einen Gott gibt … und dass der jedem Menschen die Sehnsucht nach Freiheit gegeben hat …"

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 22 vom 02.06.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und Verlag.

Veröffentlicht am

02. Juni 2006

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