Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Unsere gemeinsame Sache

Von Sam Bostaph und Cindy Sheehan - ZNet 03.03.2006

Drei Jahre ist es her, dass US-Präsident George Bush dem amerikanischen Militär den Einmarsch und die Besatzung des Irak befahl - eine Invasion, die gemäß aller internationalen Standards illegal und verfassungswidrig war (und unmoralisch unter Zugrundelegung sämtlicher theologischer Theorien über den ‘gerechten Krieg’). Die Welt musste mitansehen, wie die Bush-Administration die Tötung Zehntausender irakischer Soldaten, Zivilisten und Aufständischer dirigierte. Kostenpunkt: Mehrere hundert Milliarden Dollar. Die Welt hat mitangesehen, wie bislang über 2.300 US-Soldaten getötet wurden und mehr als 18.000 verwundet bzw. für ihr Leben verstümmelt. Die Welt hat mitangesehen, wie die Bush-Administration Hunderte amerikanische Bürger und Ausländer kidnappte, einsperrte und folterte - ohne Gerichtsverhandlung, ohne Urteil. Die Welt sah, wie die Lakaien der Bush-Administration Gefangene in Geheimgefängnisse transportierten und an Folterer in weniger entwickelten Ländern übergaben. Drei Jahre lang hörte sich die Welt mit an, wie George Bush, Dick Cheney, Don Rumsfeld und Condi Rice eine Lüge nach der andern erzählten, um all diese Handlungen zu rechtfertigen.

Erst kürzlich mussten wir Amerikaner erfahren, dass diese Kriegsverbrecher auch im eigenen Land Geheimspionage betreiben - ein klarer Verstoß gegen Bundesrecht. Am Montag, den 6. Februar 2006 erschien Generalbundesanwalt Gonzales vor dem Justizkomitee des Senats und verteidigte jenes “terrorist surveillance program” (Programm zur Überwachung von Terroristen), das Präsident George W. Bush im Jahr 2001 angeordnet hatte. Sowohl in seiner Aussage vor dem Komitee als auch in einer vorbereiteten Presseerklärung verteidigte Generalbundesanwalt Alberto R. Gonzales die ungenehmigten Lauschangriffe der National Security Agency (NSA) im Inland als “gesetzesmäßig, vernünftig und notwendig”.

Inlandsspionage, so Gonzales, sei ein notwendiges Werkzeug im umfassenden “Krieg gegen den Terror”. Die rechtliche Grundlage für das NSA-Programm bildet, laut seiner Auffassung, Artikel II der amerikanischen Verfassung, die dem amerikanischen Präsidenten die Vollmacht und “damit die Macht” gäbe, alles zu tun, was dieser für notwendig erachte, um die amerikanischen Bürger zu schützen. In der Frage, wie viel Macht einem amerikanischen Präsidenten zusteht, stünden viele Juristen der Bundesregierung hinter ihm. Im Übrigen, so Gonzales, habe der Kongress den Präsidenten nach dem 11. September 2001 ermächtigt, auf die Anschläge der Al Kaida mit militärischer Gewalt zu antworten (‘Authorization for Use of Military Force’ vom 18. September 2001). Und was sei Inlandsspionage schließlich anderes als eine “militärische Aktion”? Die Frage, ob der Präsident sich nicht hätte bremsen müssen - im Sinne des ‘Foreign Intelligence Surveillance Acts’ (FISA), eines Kongress-Gesetzes von 1978 - verneinte Gonzales.

Generalstaatsanwalt Gonzales stand bei seiner Aussage vor dem Komitee nicht unter Eid. Gonzales weigerte sich, auf spezielle Fragen zu dem Spionageprogramm einzugehen. Beispiele, wann und in welchem Fall das Programm zum Schutz von US-Bürgern beigetragen habe, wollte er nicht nennen. Wir sollen ihm einfach glauben, dass Bushs Inlandsspionageprogramm effektiv ist; was dessen Inhalt betrifft, sollen wir uns ganz auf Gonzales Wort verlassen. Das heißt, wir sollen das Wort eines Mitglieds dieser kriminellen Administration akzeptieren, dass alles, was diese Leute treiben, durch und durch legal und nur zu unserem Besten ist.

In einem Kommentar im Wall Street Journal vom 13. Februar liefert Richard A. Epstein, ein Distinguished-Service-Juraprofessor der University of Chicago, ein Argument, weshalb George Bush seine verfassungsmäßigen Befugnisse klar überschritten hat, als er FISA (siehe oben) ignorierte. Als der Kongress damals, im Jahr 2001, Bush ermächtigte, zum Mittel der militärischen Gewalt zu greifen, so der Professor, habe der Kongress Bush gleichzeitig mit keinem Wort ermächtigt, FISA zu ignorieren - ein Gesetz, das immerhin vom Kongress beschlossen wurde. In Fragen von Krieg und Frieden sei es der US-Kongress, der die Richtlinien der Politik festlege, so Epstein weiter. Der Präsident sei lediglich Ausführender (Exekutive). So einfach ist das, sagt Professor Epstein. Einen Krieg erklären könne nur der Kongress, nur der Kongress entscheide über die Finanzierung eines Kriegs, und nur der Kongress lege die “Regeln für die Regierung und die Regularien für die Land- und Seestreitkräfte fest”.

Lassen Sie uns einen wichtigen Punkt ergänzen: Der amerikanische Kongress hat niemals den Krieg erklärt! Bush hat den Krieg erklärt, indem er in Afghanistan einmarschierte, indem er später in den Irak einmarschierte. Das war ein klarer Bruch der Verfassung - einer Verfassung, die zu schützen, er geschworen hatte. Wir möchten den amerikanischen Generalbundesanwalt daran erinnern, dass “Krieg gegen den Terror” nichts weiter ist als eine nützliche Phrase. In diesem Krieg ist der Feind amorph und zusammengebastelt. Sehen wir uns die Phrase genauer an: “Krieg gegen den Terror”. Es gibt nichts Schlimmeres als Terror, stimmt’s? Also lasst uns was dagegen unternehmen. Damit erlauben wir unserer Führung aber, Krieg gegen ein Wort, gegen ein Konzept, zu führen. Wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut sterben aufgrund einer nützlichen Phrase, bei der der Schwanz mit dem Hund wedelt.

Es wird Zeit, dass die Menschen (egal welchem politischen Spektrum sie angehören oder welche Hautfarbe sie haben) sich gegen diese gesetzlose Regierung verbünden. Die jüngste gewaltsame Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppen im Irak - beide Seiten fordern übrigens ein Ende der amerikanischen Besatzung -, zeigt ganz klar, dass eine weitere Präsenz amerikanischer Truppen im Irak nicht dem Interesse des amerikanischen Volkes dienen würde. Alle Amerikaner sollten daher fordern: Präsident Bush, stoppen Sie den Krieg im Irak und bringen Sie unsere Truppen heim, sofort. Wir alle sollten fordern, dass Bush aufhört, den (von ihm begonnenen) Krieg zu nutzen, um seine unrechtmäßige Kampagne - gegen jeden, den er sich zum Feind wählt -, weiter fortzuführen. Das aktuell aufgeflogene Spionageprogramm macht deutlich, Bush benutzt die Kriege im Ausland, um einen Krieg im Innern zu rechtfertigen. Bush greift uns an!

Es ist offensichtlich - die Bush-Administration will die von ihr begonnenen Kriege nutzen, um die Herrschaft des Rechts im eigenen Land durch die Herrschaft eines namenlosen Ex-Cheerleaders zu ersetzen, nicht mehr und nicht weniger. Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder, wir lassen uns von Recht und Gesetz regieren - oder von etwas anderem. Herrschaft des Rechts bedeutet für jede und jeden von uns, dass wir uns auf bestimmte Dinge rechtsverbindlich verlassen können, um unsere eigene Zukunft zu planen und persönlichen Ziele verwirklichen zu können. So lautet auch das ursprüngliche Ziel der US-Verfassung: ein rechtliches Fundament für uns. Jede Herrschaft unter anderen Vorzeichen wäre Sklaverei.

Es gibt Leute im Land, die durchaus bereit sind, die Rolle des braven Staatsdieners zu akzeptieren - Diener eines Staates, der gefährlich korrupt und außer Kontrolle ist. In der Woche vom 12. Februar sagte ein ehemaliger Mitarbeiter des Justizministeriums beim Jahrestreffen der ‘Conservative Political Action Conference’ (CPAC), die Herrschaft des Rechts müsse geopfert werden, damit George Bush uns vor der Al Kaida beschützen könne. Die Zuhörer buhten ihn nicht etwa aus oder riefen “Schande! Schande!” Sie reagierten vielmehr mit stehenden Ovationen. Gebuht wurde erst, als der ehemalige Kongress-Abgeordnete Bob Barr dem Redner entgegnete, die erste Pflicht eines jeden Amerikaners gelte der Verfassung. In seinem Bericht über die CPAC-Konferenz bezeichnete Paul Craig Roberts die Reaktion des Publikums treffend als Signal, dass der amerikanische Konservatismus in Faschismus (“brownshirtism”) übergehe. Wir stimmen zu.

Wir beide - Cindy und Sam - sind uns darüber hinaus einig, dass die ideologischen Differenzen zwischen uns im Interesse einer Einheitsfront gegen diesen obszönen Krieg zurückstehen müssen. Cindy würde sich selbst wohl als progressive Humanistin bezeichnen. Sie möchte, dass der amerikanische Militarismus und der Militarismus in der Welt einer menschenfreundlicheren, sanfteren Außen- und Innenpolitik weichen. Sie glaubt leidenschaftlich daran, dass die riesigen Steuersummen, die Jahr für Jahr an Kriege und an das “Kriegsministerium” vergeudet wurden und werden, an unsere Gemeinden zurückgezahlt werden müssen - als Investition in eine Kultur des Friedens und der Reichhaltigkeit.

Sam würde sich als Libertären bezeichnen - im politischen und ökonomischen Sinne. Als Anarcho ist er für eine Regierung, die sich auf das Notwendigste beschränkt, auf den Schutz der Menschenrechte. Das bedeutet die Abschaffung fast aller heute bestehender Ministerien und Agencies auf staatlicher, bundesstaatlicher und kommunaler Ebene. Was Sam mit Cindy verbindet, ist der Wunsch nach einem Ende des Militarismus, nach der Heimkehr aller amerikanischen Streitkräfte auf (kontinentalen) amerikanischen Boden und nach Schließung sämtlicher ausländischer Basen.

Cindy und Sam sind “eins”, wenn es um den Kampf gegen die faschistische, kriegsähnliche Gesellschaft geht, zu der sich Amerika - vor allem unter George Bush - entwickelt hat. “Wir” brauchen Leute, möglichst viele.

Welcher politischen Richtung Sie auch immer angehören mögen, bitte treffen Sie sich mit uns 1 an Ostern im Protest-Camp Casey in Crawford/Texas: 10. - 16. April 2006. “Wir” werden uns dort mit Evakuierten des Hurrikans Katrina treffen. Es ist unglaublich und durch nichts zu rechtfertigen, dass es immer noch Menschen gibt, die im Astrodome von New Orleans ausharren. Wir haben diese Menschen eingeladen, sich auf unserem gepachteten Land niederzulassen - direkt neben dem Secret-Service-Checkpoint am Eingang zu Bushs Ranch an der Prairie Chapel Road. Sie können dort abwarten, bis ihre Häuser in der Golfregion wiederaufgebaut sind und sie wieder nach Hause können. Die Katrina-Opfer interessiert nicht, welcher politischen Richtung Sie angehören, sie interessieren sich auch nicht für abgedroschene Rosstäuscherei oder Vetternwirtschaft. Alles, was sie wollen, ist heimkehren. “Wir” werden uns in Crawford mit Leuten von ‘Progressive Democratic Congressional Candidates’ aus ganz Amerika treffen: politische Kandidaten, die beschlossen, gegen Pro-Kriegs-Kandidaten der demokratischen oder republikanischen Partei anzutreten. Auch diesmal werden wieder viele alte Hippies zu “uns” stoßen, Großmütter und Großväter und junge Aktivisten. Wir werden uns mit Irakkriegsveteranen treffen und mit Studenten mit so taufrischen Gesichtern, dass sie aussehen wie dem Gap-Katalog entsprungen, um uns hier auf der texanischen Prärie zu treffen.

“Uns” beide - die Autoren dieses Artikels - verbindet eine außergewöhnliche Freundschaft, eine Partnerschaft für den Frieden. Unser letzter gemeinsamer Artikel trug den Titel ‘The Human Cost of War’ und kann auf den Seiten diverser Online-Journale nachgelesen werden (von marxistischen bis anarchistischen Websites). Viele dieser Journale liegen in vielen Fragen philosophisch meilenweit auseinander, aber wenn es um Krieg geht, sind sie genauso ‘anti’ wie “wir”. “Wir” - in diesem Falle das amerikanische Volk -, sollten zudem tief in uns gehen und das essentiell Gute in uns entdecken, das uns mit der Menschheit verbindet. Auf diese Weise wird es uns möglich, unsere Diversität zu respektieren und uns zu verbünden gegen die Vernichtung und Exploitation unseres American way of life durch den kriminellen Bush-Clan und dessen Komplizen. Unser größter Feind ist die allgemein verbreitete Lethargie und Selbstgerechtigkeit der amerikanischen Bürger - im Angesicht dieses offenen, blutigen Affronts von BushCo gegen die Menschheit.

“Wir”, das Volk von Amerika, müssen ein echtes Friedensbündnis schmieden. Nur so wird es uns möglich sein, unsere Menschlichkeit und unser unveräußerliches Geburtsrecht zurückzuerobern.

Jede® ist willkommen, jede® wird gebraucht.

Cindy Sheehan ist die stolze Mutter von Spc. Casey Austin Sheehan, der am 4. April 2004 im Alter von 24 Jahren in Sadr City fiel (killed in action (KIA)). Cindy Sheehan hat u.a. zwei Bücher verfasst: Not One More Mother’s Child und Dear President Bush . Cindy Sheehan ist Gründerin und Präsidentin der Organisation ‘Gold Star Families for Peace’ www.GSFP.org . Cindy Sheehan hat drei weitere Kinder, auf die sie ebenfalls sehr stolz ist: Carly, Andy und Janey in Kalifornien.

Dr. Sam Bostaph ist Wirtschaftsprofessor und Fachbereichsleiter an der University of Dallas. Er ist Autor verschiedenster akademischer Schriften zu Wirtschaft, Wirtschaftstheorie und Geschichte des Intellektualismus. Professor Bostaph war im Marine Corps (USMC). Während des Vietnamkriegs war er als Geheimdienstoffizier für die US-Armee tätig. Er ist stolzer Vater von Katie und Megan Bostaph und hofft, dass beide nie einen Krieg aktiv erleben werden.

Quelle: ZNet Deutschland vom 05.03.2006. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: A Common Cause

Anmerkung:

1 Cindy Sheehan kommt nach Deutschland! 9. März: Aachen , 10. März: Mannheim, 11./12. März Besuch im Friedenscamp bei der Militärbasis Ramstein, 14. März: Straßburg.

Veröffentlicht am

06. März 2006

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von