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Irans Atomprogramm: Teufelskreis des Misstrauens

Von Karl Grobe - Kommentar

Es sind noch nicht alle Türen ins Schloss gefallen; die russische ist noch offen. Das Moskauer Angebot an Teheran steht noch, Uran zur zivilen Nutzung in russischen Anlagen anzureichern, Brennstäbe zurückzunehmen und so die Möglichkeiten zum Bau von Atomwaffen technisch zu unterbinden. Ein Teil der iranischen Staatsführung scheint darauf eingehen zu wollen, die Radikalen um Präsident Mahmud Ahmadinedschad eher nicht.

Seit der die Amtsgeschäfte führt, hat seine Regierung gravierende Fehler begangen - Fehler auch aus der Sicht iranischer Interessen. Das Außenministerium wurde umgekrempelt, erfahrene Diplomaten aus allen wichtigen Hauptstädten zurückgeholt und nicht annähernd gleichwertig ersetzt. So fehlt in der dynamisch wachsenden Krise ein Instrument des Ausgleichs und der Verhandlung. Auf das Einschreiten Russlands und Chinas im Sicherheitsrat hat der radikale Flügel sich zu verlassen versucht und dabei übersehen, dass weder Moskau noch Peking zu iranischen Bedingungen eine Konfrontation mit den USA riskieren mögen. Die Atomfrage hat Teheran derart intensiv zur Prestigeangelegenheit gemacht, dass Misstrauen in der Außenwelt geradezu heraufbeschworen werden musste: Wer so unbeugsam auftritt, zielt wohl auf mehr ab als nur ein energiepolitisches Instrument.

Das Misstrauen regiert nun. Einen sozusagen gerichtsfesten Beweis, dass Iran die Bombe baut, hat bisher aber keine überstaatliche Institution und kein Geheimdienst der Welt vorlegen können. Die CIA, der Beschwichtigung nun gerade nicht vorgeworfen werden kann, sieht in einem neuen Bericht Iran noch sehr weit von den Voraussetzungen zum Bau der A-Waffen entfernt, sowohl technisch als auch theoretisch, wissenschaftlich.

Politische Entscheidungen hängen jedoch nicht nur von konkretem Wissen ab, sondern auch von dem, was die Entscheider glauben wollen. In Teheran glaubt eine Fraktion, deren Sprachrohr Ahmadinedschad ist, die USA seien - wie der Westen überhaupt - entscheidend angeschlagen: Wahlsieg der Hamas in Palästina, Aufruhr der islamischen Massen wegen der dänischen Karikaturen, Chaos in Irak und Afghanistan, US-Rauswurf aus Usbekistan. Das sind Teilaspekte der Wirklichkeit. Andere, die ähnlich in machtpolitischen Kategorien denken, warnen hingegen. Die USA haben Iran immer noch umzingelt und bauen den Ring aus: Stützpunkte in Irak, der Türkei, Kirgisien, Afghanistan, Pakistan und den Flottenverbänden auf den benachbarten Weltmeeren; dazu die gewaltigsten Vernichtungsarsenale der Militärgeschichte. Aus dieser Einsicht, wiederum in bedeutende Teilaspekte der Wirklichkeit, leiten sie den anfeuernden Gedanken ab: Wer erst einmal Atombomben hat, ist kaum mehr angreifbar. Sie wollen keine islamistische Offensive, sondern Sicherheit.

Eine Bedrohung durch die Militärmacht der USA kann tatsächlich keine politisch handelnde Kraft in Teheran absehen, selbst dann nicht, wenn sie die Bedrohung im Konjunktiv darstellt. Kriegspläne der USA gibt es ja, “Operationspläne” mit Codenamen wie OPLAN 1002-02 und OPLAN 1002-04. Die und manche detaillierte Planung reichen von Präzisionsangriffen gegen Irans Nuklearanlagen bis zum Einfall in die Ölprovinz Chusistan am Golf, die mit einem Schachbegriff so genannte “chusistanische Eröffnung”. Der Plan mag im Konjunktiv stehen. Wer dem anderen misstraut, übersieht solche grammatischen Feinheiten jedoch gern. Was für beide Seiten gilt.

Daher war es - rückblickend - ein Fehler der drei europäischen Verhandlungsstaaten, Iran den Verzicht auf den geschlossenen nuklearen Kreislauf durch wirtschaftliche Angebote schmackhaft machen zu wollen. Heute ist klar, dass kein noch so geschmeidiger Unterhändler aus Teheran das bei seiner eigenen Regierung hätte durchsetzen können; die hoffte auf den russisch-chinesischen Veto-Beistand. Fehler bedingen einander. Wenn da jemand auf den Krieg hinarbeitet, dann nützen sie ihm, weil sie Misstrauen erzeugen, aus dem militante Stimmung wächst. Derzeit führt aus dem Morast des Misstrauens nur durch die russische Tür ein Ausweg. Ob, wer hindurchgeht, den Frieden gewinnt, ist dann immer noch unsicher.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 06.02.2006. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

06. Februar 2006

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