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Niedere Machtinstinkte

Es ist Zeit, dass die Europäer Irans Präsidenten durch Sanktionsdrohung stoppen

Von Karl Grobe - Kommentar

Mit jedem öffentlichen Auftritt redet sich Mahmud Ahmadinedschad näher an einen Zustand heran, der internationaler Ächtung sehr ähnlich sieht. Der iranische Präsident, der nicht gewählt worden wäre, wenn intellektuelle Brillanz als Kriterium gegolten hätte, fügt nicht nur sich selbst, sondern seinem Land Schaden zu.

Seine Ausfälle gegen Israel und sein manifestes Unwissen über die historische Tatsache des Verbrechens der Deutschen an den Juden sind nur ein Teil dessen, was er wahrscheinlich für Politik hält, freilich ein besonders widerlicher. Das ist nicht nur dahingeredet, um die eigene Klientel zu bedienen, der er die Erfüllung demagogischer Wohlstandsversprechen schuldig bleiben muss. Das ist auch Teil eines offenkundigen Machtkampfes.

Konservative Förderer distanzieren sich von ihm. Die konservative Mehrheit im Parlament schlägt ihm die Pläne zur Installierung ideologisch zuverlässiger, doch eher inkompetenter Minister um die Ohren, bis sie es selber leid ist. Die Inkompetenz des Präsidenten selbst ist nicht mehr zu verbergen; sein Machtinstinkt freilich auch nicht.

Da könnte man erwarten, dass die Erwachsenen dem Zögling, der so deutlich um Schläge bettelt, die Ohren lang ziehen. Sie tun es nicht. Gerade in der verbalen Aggression gegen Israel springen sie ihm zur Seite. Der Oberste Führer, Ayatollah Ali Khamenei, zeiht die Ausländer der Überempfindlichkeit. Der Chef des sehr mächtigen Schlichtungsrates, Ali Akbar Rafsandschani, stimmt dem Präsidenten zu und urteilt, Israel habe Libanon und Gaza aufgeben müssen, sei also im Niedergang. Khamenei ist der Vorgesetzte Ahmadinedschads und Rafsandschani dessen Aufpasser.

Das Verhalten dieses leitenden Personals lässt Schlüsse auf seine Wahrnehmungsfähigkeit zu. Die Herrschaften sehen Iran im Aufstieg zur Hegemonialmacht; tatsächlich hat das Land einen Machtzuwachs allein durch den Ausfall Iraks als regionale Kraft zu verbuchen.

Die irakische Wahl am heutigen Donnerstag dürfte mit einem Sieg jener schiitischen Parteien enden, die Inspiration und mehr aus Teheran beziehen. Der Mullah-Staat kommt einer Schiedsrichterrolle in Bagdad näher und gewinnt durch seine dortigen Sympathisanten Einfluss auf das bedeutende Erdölgebiet im Süden. Das wenigstens glauben die Ayatollahs erwarten zu können. Die Flirtversuche des Bagdader US-Botschafters, der ein Gesprächsmandat zwecks Teheraner Wohlverhaltens hat, bestärken sie in diesem Glauben.

Das kann Illusion sein. Die Rechnung ist ohne die nationalbewussten irakischen Politiker gemacht, Schiiten letzten Endes inbegriffen. Die Interessen der USA laufen zudem nicht auf Aufwertung Irans hinaus, sondern auf Eindämmung und Zurückdrängung - es sei denn, die auf amerikanische Kultur und Lebensweise versessene Jeunesse dorée in den reichen Stadtteilen Teherans stürzte das Regime. Das aber ist eine transatlantische Illusion.

Russischer Hilfe glaubt sich die iranische Führung versichert zu haben. Das - in diesem Geschäftsbereich zivile - Atomprogramm läuft, Luftabwehrraketen zu liefern hat Moskau zugesagt, in die russisch-chinesisch dominierte Schanghai-Organisation ist Iran als Beobachter aufgenommen. China und Indien buhlen um den Zugang zu iranischem Erdöl.

Darauf kann Ahmadinedschad Kartenhäuser bauen, keine feste Konstruktion. Bei nicht nur verbaler Missfallensreaktion etwa der Europäer fällt das zusammen. Der Schein-Löwe Ahmadinedschad wird zur Papierfigur, sobald die Europäer, ohne dabei gleich US-Geschäfte zu betreiben, durch ernsthafte Sanktionsdrohung das Gerede und die konkrete Gefahr stoppen. Es ist an der Zeit.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 15.12.2005. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

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Veröffentlicht am

17. Dezember 2005

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